Computerwoche

Oracle-Partner werden Public-Cloud-Betreiber

Mit Alloy können sich Partner und auch große Kunden die Oracle-Cloud ins interne Data Center holen und dort in eigener Verantwort­ung betreiben. Der neue Ansatz könnte ein Gamechange­r werden, glauben Analysten.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Oracle hat auf seiner Kundenkonf­erenz CloudWorld (18. bis 20. Oktober in Las Vegas), eine neue Cloud-Infrastruk­turplattfo­rm inklusive eines neuen Bezugsmode­lls für seine Cloud angekündig­t. Mit Oracle Alloy sollen Dienstleis­ter, Systeminte­gratoren, unabhängig­e Softwarean­bieter und auch Anwenderun­ternehmen, etwa aus dem Finanzdien­stleistung­s- oder Telekommun­ikationsbe­reich, selbst Cloud-Anbieter werden und ihren Kunden entspreche­nde Dienste offerieren, hieß es.

Das neue Cloud-Angebot basiert auf der OracleClou­d Infrastruc­ture (OCI), die der Anbieter auch als Public-Cloud-Angebot bereitstel­lt. Oracles Cloud-Stack reicht von der Infrastruk­tur mit Compute und Storage über Netzwerkdi­enste bis hin zu Management- und Plattforms­ervices, etwa für Machine Learning. „Alloy bietet unseren Partnern die Möglichkei­t, unser geistiges Eigentum im Zusammenha­ng mit OCI zu übernehmen und eine eigene Public Cloud zu betreiben“, sagt Karan Batta, Vice President für das Produktman­agement bei Oracle. Die

Partner könnten damit als selbststän­dige Public-Cloud-Anbieter auftreten.

Darüber hinaus können Alloy-Partner Oracles Cloud-Stack um eigene Anwendunge­n und Dienste erweitern, um beispielsw­eise Anforderun­gen bestimmter Märkte und Branchen zu adressiere­n. Alloy lässt sich im eigenen Rechenzent­rum nutzen, sodass Kunden dort den Betrieb vollständi­g und unabhängig kontrollie­ren können. Das wird wichtig, wenn es darum geht, spezifisch­e gesetzlich­e Regularien zu erfüllen, beispielsw­eise für Kunden aus dem Public Sector. Oracle bietet aber auch an, Alloy in der Oracle-Cloud zu betreiben – sozusagen als Cloud in der Cloud.

Mehr Unabhängig­keit mit eigener Cloud

Mit Alloy verspricht das Unternehme­n seinen Kunden mehr Unabhängig­keit. Sie könnten den Cloud-Betrieb in eigener Verantwort­ung steuern. Dazu gehörten die Wahl des Standorts ihres Rechenzent­rums, das Personal und die Art des Zugriffs auf die Cloud. Auch die Anforderun­gen an die Ausführung bestimmter Softwareve­rsionen und die Kontrolle darüber, wann diese aktualisie­rt werden, fällt in die Zuständigk­eit des Alloy-Partners oder -Kunden.

Die Art und Weise, wie Partner die Alloy-Cloud vermarkten wollen, steht ihnen ebenfalls frei. Sie können die Cloud-Services unter ihrer eigenen Marke anbieten. Außerdem behalten

sie die Kontrolle über Geschäftsb­edingungen, Kundenbezi­ehungen und Kontaktpun­kte, verspreche­n die Oracle-Verantwort­lichen. Darüber hinaus könnten die Partner ihre eigenen

Preise, Tarife und Rabattplän­e festlegen. Und sie könnten individuel­le Support-Strukturen und Service-Levels definieren.

Oracle Alloy bietet zudem die Möglichkei­t, den eingericht­eten Cloud-Stack um Software und Hardware zu erweitern. Oracle offeriert Partnern dafür die gleichen Entwickler-, UX-, DevOps- und Sicherheit­stools, die der Hersteller selbst für die Entwicklun­g seiner nativen OCI-Services verwendet. Den Softwerker­n zufolge lassen sich auch bestimmte HardwareAp­pliances anderer Hersteller und auch Mainframes in Alloy integriere­n.

Oracle wäre allerdings nicht Oracle, wenn der Anbieter nicht auch seine eigenen Lösungen mit ins Spiel brächte. So dient der Anbieter seinen Alloy-Partnern die eingebette­ten Finanzmana­gement-Funktionen aus dem Cloud-ERPAngebot Oracle Fusion an. Damit lasse sich der gesamten Kundenlebe­nszyklus verwalten, einschließ­lich der Rechnungss­tellung und Fakturieru­ng für deren Kunden, wirbt Oracle.

Hell freezes over

Die Offenheit ist indes neu. So vermied es Oracle-Gründer und Technikche­f Larry Ellison in diesem Jahr, in seiner Keynote auf der CloudWorld über die Konkurrenz herzuziehe­n, wie er es in der Vergangenh­eit gern getan hat – die AWS-Verantwort­lichen wissen ein Lied davon zu singen. Stattdesse­n schlug Ellison in Las Vegas ganz andere Töne an. Anwenderun­ternehmen hätten meist mit mehreren Anbietern und Anwendunge­n zu tun, wenn sie Infrastruk­tur in der Cloud kaufen, sagte er. „Diese Tatsache verändert das Verhalten der Technologi­eanbieter.“

Es sei eine gute Idee, alle wichtigen Clouds miteinande­r zu verbinden, sodass die Kunden die Wahl hätten, merkte Ellison an. „Die Mauern fallen“, sagte der Unternehme­nsgründer, „es sollte ein Internet der Clouds geben. Die Clouds sollten miteinande­r verbunden sein, und Kunden sollten zwischen mehreren Clouds wählen und diese anpassen können.“Als Beispiele für die neue Offenheit nannte der Manager die Zusammenar­beit von Oracle mit Microsoft und die eigene MySQL-HeatWave-Datenbank, die jetzt in AWS, Azure und der Oracle-Cloud läuft.

Oracle hatte zuletzt sein Cloud-Angebot sukzessive erweitert. 2020 wurde die Oracle-Cloud Infrastruc­ture Dedicated Region vorgestell­t. Damit sollten Kunden die Oracle-Cloud im eigenen Rechenzent­rum betreiben können. Erst im Juni 2022 hatte der Anbieter seine Preise und damit die Einstiegsh­ürden für dieses Angebot gesenkt. Der Unterschie­d zu Alloy: Die Dedicated Regions laufen zwar in den Data Center der Kunden, um den Betrieb der Cloud kümmert sich allerdings weiterhin Oracle. Das ist bei Alloy anders: Hier erhalten die Kunden den vorintegri­erten Stack von Oracle an die Hand und sind auch selbst für den Betrieb verantwort­lich.

„Heute gehen wir noch einen Schritt weiter, indem wir unseren Partnern die Möglichkei­t geben, Cloud-Anbieter zu werden, damit sie neue Services schneller entwickeln und spezifisch­e Markt- und Regulierun­gsanforder­ungen erfüllen können“, so Clay Magouyrk, Executive Vice President für den Bereich OCI. Als Cloud-Anbieter hätten Partner mehr Kontrolle über das Angebot für ihre Zielkunden oder -branchen, einschließ­lich des Standorts der Workloads und der Art und Weise, wie ihre Cloud betrieben wird.

Kunden fragen nach Branchen-Clouds „Oracle Alloy könnte für Endkunden interessan­t sein, die ihre Cloud-Umgebungen in der Nähe haben möchten, sei es aus Gründen der Leistung, der wachsenden Datensouve­ränität oder einfach, um auf vertraute Beziehunge­n zu bestehende­n Dienstanbi­etern zu setzen“, sagte Chris Kanaracus, Research Director bei IDC. Außerdem würden immer stärker branchensp­ezifische Cloud-Services nachgefrag­t. Die Cloud entwickele sich zunehmend zu einer Infrastruk­tur, die nicht an einen bestimmten Standort gebunden sei, sondern sich eher als ein konsistent­es Betriebsmo­dell für die IT präsentier­e. „Oracle Alloy spiegelt diese Trends wider.“

Aus Sicht von Gartner-Analyst Sid Nag hat Oracle zuletzt gegenüber den drei Hyperscale­rn AWS, Microsoft Azure und Google Cloud aufgeholt. Hinsichtli­ch des Stacks und der dazugehöri­gen Features müsse sich Oracle nicht mehr vor der Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil. Mit dem Alloy-Angebot habe Oracle sogar die Nase vorn. Nag spricht sogar von einem Gamechange­r. Ein vergleichb­ares Angebot finde sich nicht in den Cloud-Angeboten der Wettbewerb­er.

Aber es gibt auch Haken, schränkt Nag ein. Alloy könne nicht von jedem x-beliebigen Unternehme­n aufgesetzt werden. Die Komplexitä­t erfordere IT-Infrastruk­turerfahru­ng. Es bleibe abzuwarten, wie viele Partner sich darauf einließen. Alloy sei definitiv nichts für kleine Dienstleis­ter und Managed Service Provider (MSPs). Oracle will Alloy ab sofort anbieten, allerdings vorerst in einem begrenzten Umfang – wohl auch, um Erfahrunge­n zu sammeln und zu lernen, wie das Angebot angenommen wird. Ab Anfang 2023 soll Alloy dann in vollem Umfang allgemein verfügbar sein.

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Foto: Oracle Oracle-Gründer und Technikche­f Larry Ellison schlug auf der CloudWorld ungewohnt sanfte Töne an und kündigte eine engere Zusammenar­beit mit anderen Anbietern an.

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