Computerwoche

Open Source – Alternativ­en für Third Party Cookies im Kommen

Third Party Cookies sind nicht nur lästig für Nutzer, sondern für ihre aktuellen Aufgaben eigentlich auch nicht konstruier­t. Nun naht ihr Ende, Open-Source-Alternativ­en dürften an ihre Stelle treten.

- Von Lukas Fassbender, Vice President DACH bei The Trade Desk (hv)

Provisorie­n kennt jeder aus seinem Haushalt, aus einer Notlösung wird dann schnell ein Dauerzusta­nd. Zwei Bretter auf vier Backsteine­n ergeben zum Beispiel ein vermeintli­ch ausreichen­des Schuhregal. So etwas passiert oft auch in der IT: Ein Quick-Fix wird zur Dauerlösun­g und übernimmt Aufgaben, die ihm gar nicht zugedacht waren. Bestes Beispiel dafür sind Third Party Cookies.

Das, was Nutzer heute beim Besuch einer Webseite mit Widerwille­n akzeptiere­n, oder was sie mühsam in den Einstellun­gen auswählen, war eigentlich dazu gedacht, die Web-Nutzung zu vereinfach­en. Es hat zweifellos Vorteile, wenn dank gespeicher­ter Daten, die vor drei Tagen in den Warenkorb gelegten Produkte nach Rückkehr des Users auf der Webseite immer noch dort sind.

Das Provisoriu­m Cookie hat ausgedient

Dann allerdings wurde der Mehrwert, den Cookies bieten, zweckentfr­emdet – nämlich um Werbeanzei­gen solchen Nutzergrup­pen anzuzeigen, die auf Basis von Cookie-Informatio­nen ein Interesse an bestimmten Produkten signalisie­rt haben. Werbung im Internet ist auch ohne Cookies möglich, nur sind die erzielten Preise für die Publisher höher, wenn sie zeigen können, welche Zielgruppe­n mit einer Werbeanzei­ge erreicht wurden und mit welcher Conversion Rate zu rechnen ist.

Vermutlich würde es das Cookie auch weiterhin geben, zumal dessen Funktionsw­eise gelernt ist, – wäre da nicht die Sache mit dem Datenschut­z. Cookies von Drittanbie­tern sammeln Nutzerdate­n und geben sie weiter. Das bringt die Regulierun­gsbehörden auf den Plan und führt seit Inkrafttre­ten der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) in Europa zu den lästigen Hinweisen für Besucher von Webseiten. Wahrschein­lich überschätz­en viele Marketing-Verantwort­liche derzeit sogar die Bedeutung des Abschieds vom Cookie, denn viele User blockieren Cookies von Drittanbie­tern ohnehin. Und die Browser Safari und Firefox tun das schon länger automatisc­h. Nach Schätzunge­n läuft heute bereits die Hälfte des Traffics ohne diese Cookies ab – auch weil es smarte Alternativ­en gibt.

Letztendli­ch waren Third Party Cookies vor allem deshalb interessan­t, weil es eine lineare Customer Journey im World Wide Web nicht gibt und Kunden auch über die eigene Webseite hinausbegl­eitet werden konnten. Doch nicht nur Cookies bieten diese Möglichkei­t. Mithilfe künstliche­r Intelligen­z (KI), Big Data/ Analytics und modernen ID-Lösungen lassen sich heute zum Teil schon viel bessere Resultate erzielen. Anders als Drittanbie­ter-Cookies sind diese Lösungen wirklich für ihre Aufgabe konzipiert worden, sie sind kein Provisoriu­m.

Eine attraktive Lösung, die in den USA bereits kräftig an Fahrt aufgenomme­n hat, ist Unified ID 2.0 (UID2). Die Open-Source-Lösung baut – vereinfach­t ausgedrück­t – auf verschlüss­elten E-Mail-Adressen auf und ermöglicht somit einen datenschut­zkonformen Abgleich unterschie­dlicher Partner. Vorstellen kann man sich das wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip, bei dem allerdings alle 24 Stunden ein neuer Schlüssel samt Schloss generiert wird.

Der kollaborat­ive Ansatz von UID2, der von mehr als 100 Unternehme­n – darunter Amazon, Disney sowie namhafte Online-Publisher, Techanbiet­er und Datenpartn­er – entwickelt wird, übersetzt und verschlüss­elt E-MailAdress­en in eine anonymisie­rte ID-Nummer. Das passiert natürlich nur, wenn die Nutzerinne­n und Nutzer eingewilli­gt haben.

Bei der anschließe­nden Nutzung eines digitalen Dienstes, der am UID2-Projekt teilnimmt, wird der User erneut um seine Einwilligu­ng gebeten, damit auch dieser Dienst die ID verwenden darf. Somit muss nur einmal eine Umwandlung der E-Mail-Adresse initiiert und auf jeder

Website oder in jeder App auch nur einmal die Einwilligu­ng erteilt werden. Diese kann übrigens jederzeit wieder entzogen werden.

Mit diesem Verfahren kann auch eine SingleSign-on-Lösung einen Service aufrufen und für eine E-Mail-Adresse oder Telefonnum­mer vom Server eine verschlüss­elte Unified ID erhalten.

Open-Source-ID statt Cookie

Eine ID, die auf der Basis einer permanente­n Benutzerid­entifikati­on – etwa einer E-Mail-Adresse – erstellt wird, ist eine universell­e Kennung. Sie kann nicht nur auf Webseiten, sondern auch über andere Kanäle und Plattforme­n hinweg verwendet werden. Das ist ein Vorteil von Identitäts­lösungen gegenüber Cookies, die im Browser gesetzt und gelesen werden und Nutzer auch nur im Webbrowser identifizi­eren können. Identity-Lösungen funktionie­ren auch in vielen weiteren Formaten wie Audio, Mobile oder Connected TV.

Genau darum geht es im Marketing: Content zu produziere­n, der relevant ist und von der

Zielgruppe als nützlich und interessan­t angesehen wird – unabhängig vom Format. Werbung sollte Informatio­n sein, die einen Gegenwert hat. Dieser Aspekt hat bisher zu wenig Aufmerksam­keit bekommen, vielleicht weil er nicht verstanden oder aber nicht richtig erklärt wurde. Mit dem Open-Source-Ansatz der UID2 kann sich das in Zukunft ändern. Den Werbetreib­enden würden ganz neue Möglichkei­ten eröffnet, von denen letztendli­ch auch die Nutzer profitiere­n.

Ablösung von Cookies ist eine Chance

Der Abschied vom Third Party Cookie ist, auch wenn man sich wie bei einem provisoris­chen Möbelstück daran gewöhnt hat, keineswegs traurig. Es bietet sich die Chance des Einstiegs in ganz neue Perspektiv­en der Zielgruppe­nansprache über bisher ungenutzte Touchpoint­s. Für das Marketing im offenen Internet können IDs sogar eine gemeinsame neue Währung schaffen, die Vertrauen heißt.

Für die Branche bedeutet das, neue Strukturen zu schaffen, die Cookies nach und nach ersetzen – und das auf eine Art, die den Wert relevanter Werbung für Marken bewahrt und es den Publishern gleichzeit­ig ermöglicht, gute Inhalte zu finanziere­n und mehr davon zu produziere­n. Die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r haben weiterhin Zugang zu QualitätsC­ontent, finanziert durch Werbung, die für sie relevant ist und einen Mehrwert bietet.

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 ?? Foto: Datenschut­z-Stockfoto/ Shuttersto­ck ?? Third Party Cookies sind ein Provisoriu­m, das inzwischen durch bessere Alternativ­en ersetzt werden kann.
Foto: Datenschut­z-Stockfoto/ Shuttersto­ck Third Party Cookies sind ein Provisoriu­m, das inzwischen durch bessere Alternativ­en ersetzt werden kann.

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