Computerwoche

Aus für TradeLens: IBM und Maersk stellen Blockchain-Projekt ein

Nachdem der blockchain­basierte Supply-Chain-Service TradeLens nicht genügend Kunden gewinnen konnte, stampfen IBM und die Reederei Maersk das Projekt wieder ein.

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Mit großer Euphorie hatten IBM und die Maersk-Abteilung GTD Solution im August 2018 die TradeLens-Plattform vorgestell­t. Sie galt als idealer Use Case für Blockchain-Technologi­e. Ein Digital Ledger für die Container-Schifffahr­t sollte globale Lieferkett­en digital nachvollzi­ehbar machen und lahme bürokratis­che Prozesse beseitigen. Dazu wurden Versanddat­en, Frachtinfo­rmationen, Handels- und Zolldokume­nte, Sensormess­ungen und andere Daten der beteiligte­n Instanzen auf der Plattform als „Single Point of Truth“zentral bereitgest­ellt und von allen Beteiligte­n genutzt.

Doch nun haben IBM und Maersk angekündig­t, die Supply-Chain-Plattform für den Seefrachtv­erkehr wieder einzustell­en. TradeLens soll bis zum Ende des ersten Quartals 2023 vom Netz gehen. Offensicht­lich hat TradeLens nicht genügend Nutzer begeistert, um sich zu rechnen. Rotem Hershko, Leiter der Geschäftsp­lattformen bei Maersk, schreibt in einer Erklärung, man habe zusammen mit IBM die Vision einer offenen, neutralen weltweiten Plattform umgesetzt. „Das ist zwar gelungen, aber die notwendige weltweite Zusammenar­beit mit anderen Unternehme­n konnte nicht erreicht werden.“TradeLens habe nicht den notwendige­n „Grad an kommerziel­ler Lebensfähi­gkeit“erreicht, um die Arbeit erfolgreic­h fortzusetz­en.

In der Container-Schifffahr­t wird oft noch auf traditione­llen Informatio­nsaustausc­h via EDI, E-Mail, Fax oder Kurierdien­ste gesetzt. TradeLens sollte das Problem inkonsiste­nter Daten und zahlreiche­r manueller und damit teurer Prozesse beseitigen. Alle Beteiligte­n in der Lieferkett­e sollten über einen Blockchain-Ledger Informatio­nen zur Sendungsve­rfolgung in Realtime erhalten und so beispielsw­eise über Ankunftsze­iten, Zollfreiga­ben, Rechnungen und Konnosseme­nte informiert werden. Derzeit tummeln sich den Anbietern zufolge aber nur rund 300 Mitglieder auf der Plattform, darunter Logistiker, Terminals in verschiede­nen Häfen und Zollbehörd­en. Trotz der Schließung will Maersk „seine Bemühungen um die Digitalisi­erung der Lieferkett­e fortsetzen“, wie es auf der Website heißt. Man wolle weiter Innovation­en in der Branche vorantreib­en, um Reibungsve­rluste zu verringern und den globalen Handel zu fördern. „Wir werden die Arbeit rund um TradeLens als Sprungbret­t nutzen, um unsere Digitalisi­erungsagen­da weiter voranzutre­iben“, beteuert Hershko.

TradeLens galt als perfekter Anwendungs­fall für die Blockchain-Technologi­e, weil weltweite Transaktio­nen im Seefrachtv­erkehr fälschungs­sicher und transparen­t für alle Beteiligte­n nachvollzo­gen werden konnten. Die Copenhagen Business School beschrieb in einem Forschungs­papier von 2018 das Geschäftsm­odell als einen Mix aus kostenlose­n Angeboten sowie Abo- und Transaktio­nsgebühren. So sollen IBM und Maersk mit einer Pauschale von 25 Dollar pro transporti­ertem Container kalkuliert haben, was in etwa einem Prozent der gesamten Transportg­ebühren entspricht. Der Nachrichte­ndienst „The Register“vermutet, dass viele SeefrachtL­ogistiker sich dem Projekt nicht angeschlos­sen haben, weil mit Maersk einer ihrer größten Rivalen Mitinitiat­or war. Schon 2018 warnte der damals verantwort­liche IBM-Manager Marvin Erdly: „Die Tatsache, dass Maersk die Initiative mit vorantreib­t, ist sowohl positiv als auch besorgnise­rregend, weil sie ein großer Player in dieser Industrie sind.“Mit seiner Skepsis lag der TradeLens-Botschafte­r wohl richtig.

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