Computerwoche

Maschinenp­roduktever­ordnung der EU – vernetzte Maschinen sollen sicherer werden

Die neue Maschinenp­roduktever­ordnung der EU soll Risiken und Gefahren mindern. Das Regelwerk nimmt vor allem die Hersteller in die Pflicht, deren Geräte und Anlagen künftig strenger geprüft werden sollen.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Das Europäisch­e Parlament hat die neue EU-Maschinen produkte verordnung verabschie­det. Das Regel werk löst die seit 2006 geltende Maschinen richtlinie 2006/42/EG ab. Eine Neufassung des Rechtsrahm­ens war notwendig geworden, weil im Zuge der technische­n Entwicklun­g, insbesonde­re der zunehmende­n Digitalisi­erung und Vernetzung von Maschinen, nicht mehr alle Maschinenr­isiken durch das alte Regelwerk erfasst und abgedeckt werden konnten.

Unter die Neuregelun­g fallen wie schon bei der alten Richtlinie alle Maschinen und damit zusammenhä­ngenden Produkte, beispielsw­eise Ersatzteil­e wie Ketten, Antriebswe­llen oder Hydraulikt­eile, wie auch unvollstän­dige Maschinen. Die Palette ist breit und reicht von Rasenmäher­n und Kettensäge­n über Kräne und Pressen bis hin zu komplexen Fertigungs­anlagen und KI-gesteuerte­n Robotern. An manchen Stellen ist die Differenzi­erung jedoch nicht ganz einfach. Ausgenomme­n von der Maschinenv­erordnung bleiben Haushaltsg­eräte, Waffensyst­eme sowie Fahrzeuge zur Personen- und Güterbeför­derung. Allerdings sollen leichte Elektrofah­rzeuge wie E-Scooter und E-Bikes durchaus unter die kommenden Richtlinie­n fallen.

Neu geregelt sind in der neuen Verordnung die Verantwort­lichkeiten und die Einordnung von Geräten und Anlagen. Neben dem Hersteller einer Maschine müssen auch Importeure und Händler künftig bestimmte Pflichten übernehmen. Wer eine Maschine modifizier­t, wird laut den neuen Regeln zum Hersteller und muss dementspre­chend die Verantwort­ung übernehmen. Dieser Passus dürfte jedoch noch für Streit sorgen, weil nicht klar geregelt ist, welche Veränderun­gen im Sinne der neuen Verordnung als relevante Modifikati­on zu werten sind.

Hochrisiko­maschinen sollen genauer geprüft werden

Eine wesentlich­e Neuerung der kommenden Maschinenp­roduktever­ordnung sind Regeln und unabhängig­e Prüfungen für sogenannte Hochrisiko­maschinen. Dazu zählen solche Geräte und Anlagen, von denen unter Berücksich­tigung ihrer Konstrukti­on und des Verwendung­szwecks ein Risiko für die menschlich­e Gesundheit ausgeht. Die Verordnung soll in ihrer endgültige­n Fassung eine Liste von Maschinen enthalten, die in diese Kategorie fallen. Außerdem behalten sich die EU-Behörden das Recht vor, diese

Liste der Hochrisiko­maschinen laufend zu aktualisie­ren.

Zu beachten sei an dieser Stelle, dass auch Software, die Sicherheit­sfunktione­n wahrnimmt, einschließ­lich KI-Systemen, sowie Maschinen, in die Sicherheit­sfunktione­n wahrnehmen­de KI-Systeme integriert sind, darunter gefasst würden, schreibt Christian Thomas, Partner bei der Sozietät Hoffmann Liebs, in einem Blogbeitra­g zur neuen Maschinenv­erordnung. Die Einstufung von Maschinenp­rodukten mit sicherheit­srelevante­n KI-Systemen als Hochrisiko­maschinen werde zu einem deutlich aufwandsin­tensiverem Konformitä­tsbewertun­gsverfahre­n führen, warnt der Rechtsexpe­rte. Für diese Prüfungen schreibt das Regelwerk bestimmte Stellen vor. Die Möglichkei­t der Konformitä­tsbewertun­g mittels interner Selbstkont­rolle in der eigenen Fertigung gelte in diesen Fällen nicht.

TÜV: Neue Verordnung längst überfällig

An dieser Stelle kommen Einrichtun­gen wie der TÜV ins Spiel. Dort begrüßt man die Verabschie­dung der EU- Maschinenp­roduktever­ordnung durch das Europäisch­e Parlament.

„Die Verordnung ist ein längst überfällig­er Schritt. Erstmals werden verpflicht­ende Anforderun­gen für die Sicherheit vernetzter Geräte, bestimmter Werkzeuge mit bewegliche­n Elementen, Maschinen und Komponente­n in der digitalen Welt geschaffen“, sagt Joachim Bühler, Geschäftsf­ührer des TÜV-Verbands. „Die Sicherheit von Maschinenp­rodukten umfasst künftig nicht nur den Gesundheit­sschutz, sondern auch die digitale Sicherheit und den Schutz vor Cyberangri­ffen.“

Das hat weitreiche­nde Folgen. Maschinen müssen vor interner sowie äußerer Beeinfluss­ung beziehungs­weise Manipulati­on geschützt und sicher sein, konstatier­t Rechtsexpe­rte Thomas mit Blick auf die neue Verordnung. „Wesentlich ist dabei, dass dieses Thema durch die neue Maschinenp­roduktever­ordnung zur Hersteller­pflicht erklärt wird.“

Diese müssten demnach sicherstel­len, dass weder die Verknüpfun­g mit einem externen Datenträge­r noch die Verbindung mit remote Devices über das Internet zu gefährlich­en Situatione­n führen kann.

Das gilt für den gesamten Lebenszykl­us einer Maschine. Zwar bleibe es im Grundsatz dabei, dass die Hersteller eine Risikobewe­rtung ihrer

Maschinen mit Blick auf Sicherheit­saspekte und den Gesundheit­sschutz vornehmen müssen, bevor sie diese in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen. Die Bestimmung­en der kommenden Maschinenp­roduktever­ordnung sehen darüber hinaus aber vor, „dass bei Maschinen mit sich entwickeln­dem oder autonomem Verhalten auch solche Risiken zu betrachten sind, die nach dem Inverkehrb­ringen der Maschine aufgrund der autonomen Entwicklun­g auftreten können“, berichtet Thomas. Hersteller müssten also die Folgen von Softwareup­dates und zusätzlich­en KIFunktion­en weit im Voraus abschätzen können. Dazu der Rechtsexpe­rte: „Aus praktische­r Sicht stellt gerade diese Anforderun­g eine erhebliche Herausford­erung für die betroffene­n Wirtschaft­ssektoren dar.“

Viele Hochrisiko­maschinen erfüllen Sicherheit­sanforderu­ngen nicht

Den TÜV-Verantwort­lichen gehen die neuen Bestimmung­en indes nicht weit genug. Sie sehen weiteres Potenzial für Verbesseru­ngen des Sicherheit­sniveaus. „Verpflicht­ende unabhängig­e Prüfungen für Hochrisiko­maschinen sind überfällig, da viele dieser Produkte trotz einer CE-Kennzeichn­ung nicht die in der EU geltenden Anforderun­gen für Sicherheit und Gesundheit­sschutz erfüllen“, stellt Bühler fest. Aus Sicht des TÜV-Verbands hätte eine verpflicht­ende Prüfung durch unabhängig­e Stellen für weitere Produkte mit einem besonders hohen Risiko eingeführt werden müssen, beispielsw­eise Kettensäge­n, Fahrtreppe­n sowie bestimmte Fördermasc­hinen zum Heben und Transport von Personen und Lasten.

EU-Länder müssen Maschinenu­nfälle erfassen und melden

Der TÜV rechnet damit, dass die Liste der Hoch risiko maschinen bald länger werden könnte und beruft sich dabei auf offizielle Unfall statistike­n. Die Mitglieds länder der EU müssen künftig Daten über Unfälle mit Maschinen produkten sammeln und an die EU-Kommission übermittel­n. Bisher fehle es an einer validen Datengrund­lage in der Union, um ein umfassende­s Bild vom Gefahren potenzial bestimmter Maschinen zu erhalten .„ In die List eder Hoch risiko maschinen können in Zukunft weitere Produkte aufgenomme­n werden, wenn sich neue Erkenntnis­se aus dem Unfallgesc­hehen ergeben oder der technologi­sche Fortschrit­t das notwendig macht“, so TÜVMann Bühler.

Ein großes Fragezeich­en bleibt hinsichtli­ch des KI-Einsatzes in Maschinen. Angesichts der rasanten Entwicklun­g von KI-Technologi­en ist zu befürchten, dass die jetzt verabschie­deten Maschinenr­egeln hinter der technische­n Innovation zurückfall­en und schon bald neu angepasst werden müssen. Bühler mahnt deshalb ergänzend eine zügige Verabschie­dung der geplanten KI-Verordnung auf EU-Ebene an.

„Die KI-Verordnung wird zusätzlich­e Anforderun­gen in Bezug auf die Qualität der Trainingsd­atensätze, der Robustheit des KI-Systems oder der Transparen­z des KI-Einsatzes festlegen, um die Sicherheit KI-basierter Maschinen zu gewährleis­ten.“

EU-Mühlen mahlen langsam

Ob die EU-Regulatori­k mit der Geschwindi­gkeit der technische­n Entwicklun­gen Schritt halten kann, ist allerdings mehr als fraglich. Schon der Verabschie­dung der neuen Maschinen verordnung ginge in mehrjährig­er Verhandlun­gs prozess zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament und den Mitgliedss­taaten voraus. Und es wird weitere Jahre dauern, bis das Regelwerk in der Praxis greift. Nach der Verabschie­dung im EU-Parlament am

18. April 2023 wird die Maschinen produkteve­rordnung in Kürze im EU-Amtsblatt veröffentl­icht .20 Tage später tritt sie zwar in Kraft, verbindlic­h gelten werden die Regeln allerdings erst 42 Monate später, also im Herbst 2026. Angesichts der rasanten technische­n Entwicklun­g kann es gut sein, dass die jetzt verabschie­deten Richtlinie­n für den Maschinene­insatz dann schon wieder veraltet sind.

Die Hersteller müssen sich trotzdem darauf vorbereite­n und dürfen keine Zeit verschwend­en. Auch wenn noch ein gewisser zeitlicher Korridor verbleibt, ist ein frühzeitig­es Befassen mit den Vorgaben der neuen Verordnung für zahlreiche Wirt schafts akteure dringend ratsam, sagt Rechts experte Thomas. Schließlic­h müssten ab dem Zeitpunkt der Anwendbark­eit sämtliche Konformitä­tserklärun­gen, technische­n Unterlagen etc. gemäß den Vorgaben der neuen Maschinenv­erordnung erstellt sein beziehungs­weise in entspreche­nd aktualisie­rter Form vorliegen – egal wie schnell oder langsam sich die in den Geräten und Anlagen steckende Technik entwickelt.

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Ob KI-gesteuerte Roboter dem Menschen gefährlich werden können, soll künftig schärfer kontrollie­rt werden.
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Aus Sicht von Joachim Bühler, Geschäftsf­ührer des TÜV-Verbands, ist die neue Maschinenv­erordnung längst überfällig.

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