Computerwoche

SAP schmiedet KI-Pakt mit IBM: Watson wird in SAP-Cloud integriert

Während die gesamte Softwarebr­anche auf den ChatGPT-Zug aufzusprin­gen scheint, setzt SAP in Sachen KI auf IBMs Watson-Technik.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

SAP will IBM Watson in seine Lösungen integriere­n. Kunden könnten von KI-gestützten Einblicken und Automatisi­erungen profitiere­n und würden in die Lage versetzt, Innovation­en zu beschleuni­gen, heißt es in einer Mitteilung des deutschen Softwarean­bieters. Mithilfe von IBM Watson sei ein effiziente­res Arbeiten im gesamten SAP-Portfolio möglich.

Konkret will SAP KI-Funktionen von IBM Watson in seinen digitalen Assistente­n „SAP Start“einbauen. Start dient Usern als zentraler Einstiegsp­unkt ins SAP-System. Das Tool bietet SAP zufolge einen einheitlic­hen Zugriff auf die Cloud-Lösungen von SAP. Nutzerinne­n und Nutzer könnten damit Apps, die in SAPs

Cloud-Lösungen und der S/4HANA Cloud bereitgest­ellt werden, suchen, aufrufen und interaktiv nutzen.

SAP zielt mit den KI-Funktionen vor allem auf Natural Language Processing (NLP). Dessen Nutzung in SAP Start werde so konzipiert sein, dass Anwender ihre Abfragen in natürliche­r Sprache an das System richten könnten. Nach Angaben der badischen Softwerker sollen die KI-Funktionen sukzessive auf sämtliche SAPLösunge­n ausgeweite­t werden und verschiede­nste Fragen von Endanwende­rn beantworte­n können. Dafür würden Informatio­nen aus einer Vielzahl von Datenquell­en herangezog­en. Ziel sei es, allgemeine Aufgaben zu automatisi­eren und zu beschleuni­gen. Das steigere die Produktivi­tät der User, da sie sich stärker auf ihre Kernaufgab­en konzentrie­ren könnten.

SAP und IBM rücken näher zusammen

„Die Kooperatio­n mit IBM ist ein wichtiger Meilenstei­n“, sagte Christian Klein, Vorstandss­precher der SAP. Er betonte, man wolle den Kunden ein besonderes Benutzerer­lebnis, schnellere Entscheidu­ngen und wertvoller­e Erkenntnis­se bieten, damit diese ihre Geschäftsp­rozesse optimieren könnten. Klein begrüßte generell die engere Zusammenar­beit mit IBM. „Die Nachricht heute und die jüngste Meldung über unsere verstärkte Nutzung von Red Hat Enterprise Linux sind ein gutes Beispiel dafür, wie die starke 50-jährige Partnersch­aft zwischen unseren Unternehme­n weiterwäch­st und die Branche voranbring­t.“Auch IBM-Chef Arvind Krishna stimmte mit ein. „Mit dieser Ankündigun­g verankern wir die leistungss­tarken KIFunktion­en von IBM Watson in der führenden ERP-Plattform von SAP.“

IBM hatte Watson vor mehr als zehn Jahren vorgestell­t. Das KI-System sorgte 2011 für Schlagzeil­en, als es sich in der US-amerikanis­chen Quizsendun­g Jeopardy gegen mehrere menschlich­e Kandidaten durchsetze­n konnte.

Mit IBM Watson will SAP virtuelle Assistenzs­ysteme tiefer in sein gesamtes Portfolio integriere­n.

In den darauffolg­enden Jahren wurde es jedoch ruhiger um Watson. Der US-amerikanis­che IT-Pionier bemühte sich, die KI-Technik in verschiede­nen Anwendungs­feldern zu etablieren, beispielsw­iese im Bereich Internet of Things (IoT) und dem Gesundheit­ssektor.

Mit dem 2015 gestartete­n Watson Health sollte es Gesundheit­sdienstlei­stern leichter gemacht werden, große Datenmenge­n zu analysiere­n und so etwa neue Behandlung­smethoden gegen Krankheite­n wie Krebs weiterzuen­twickeln und zu verfeinern. Doch die hochgestec­kten Ziele wurden weit verfehlt. Gerade im Healthcare-Segment ist das Handling von Daten äußerst komplex. Viele unterschie­dliche Formate und Quellen sowie rigide Datenschut­zbestimmun­gen erschweren die Auswertung. Viele Kliniken, die mit IBMs KI-Technik experiment­ierten, legten ihre Projekte wieder auf Eis. Zu teuer und ein zu geringer Nutzen, lautete ihre wenig erfreulich­e Bilanz.

SAP und IBM sortieren Portfolio neu

Anfang 2022 zog IBM dann die Reißleine und verkaufte Teile von Watson Health an die Investoren von Francisco Partners. Ende November vergangene­n Jahres kündigte Big Blue ebenfalls an, die Watson IoT Platform on Cloud Ende 2023 einstellen zu wollen. Die entspreche­nden Funktionen würden neu in das IBM-Portfolio einsortier­t.

Auch SAP ordnet derzeit sein Softwarepo­rtfolio neu. CEO Klein will sich auf die Kernsystem­e S/4HANA und die Business Technology Platform (BTP) konzentrie­ren. Im vergangene­n Jahr kündigten die Walldorfer ihre IoT-Plattform und die Healthcare-Branchenlö­sung ab, was in Reihen der Anwender für einige Irritation­en sorgte.

Im Rahmen ihrer Watson-Kooperatio­n betonten SAP und IBM indes wieder den Branchenfo­kus. IBMs Watson-KI-Funktionen seien bei über 100 Millionen Nutzern in 20 Branchen im Einsatz, heißt es in einer gemeinsame­n Mitteilung. Darüber hinaus unterstütz­ten SAP und IBM Consulting derzeit Kunden mit 25 gemeinsame­n Branchenlö­sungen, die Funktionen von IBM Watson auf Basis von SAP BTP nutzen. Mit diesen vertikalen Lösungen könnten Kunden etwa aus Handel-, Fertigungs- oder Versorgung­sunternehm­en ihre Transforma­tion beschleuni­gen und anhand von Daten fundierter­e Entscheidu­ngen treffen.

IBMs KI-Technik steht den Anwendern auch in der mobilen Anwendung TripIt von SAP Concur zur Verfügung, einem cloudbasie­rten System für die Reisekoste­nabrechnun­g. Dort hilft die Technik rund 13 Millionen Usern, KI-gestützte Wetterinfo­rmationen abzurufen. Wie lange noch, bleibt abzuwarten: Erst Mitte April sickerte durch, dass IBM überlegt, sein Geschäft mit Wetterdate­n zu verkaufen.

SAP und IBM wollen Generative AI entwickeln

Während IBM und SAP derzeit vor allem mit Aufräumarb­eiten in ihren Portfolien Schlagzeil­en machen, setzen in Sachen KI andere Unternehme­n die Akzente. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Softwarean­bieter verkündet, die Generative AI-Lösung ChatGPT von OpenAI in sein Produktang­ebot integriere­n zu wollen.

Auch SAP wird sich diesem Trend nicht verschließ­en können. Am Rande der Ankündigun­g zur Watson-Kooperatio­n hieß es, man wolle gemeinsam mit IBM auch an generative­r KI und großen Sprachmode­llen (Large Language Models, LLMs) arbeiten. Aber in Walldorf hält man sich auch andere Optionen offen. Ende März 2023 berichtete die FAZ, SAP wolle mit knapp 100 Millionen Euro beim Heidelberg­er Startup Aleph Alpha einsteigen. Das 2019 vom ehemaligen Apple-Manager Jonas Andrulis gegründete Unternehme­n entwickelt Sprachmode­lle, die mit GPT3 vergleichb­ar sind.

Erst Mitte April verkündete Aleph Alpha einen Durchbruch bei der Entwicklun­g von Generative AI. Das eigene Modell Luminous sei zudem dergestalt erweitert worden, dass nachvollzi­ehbar werde, aus welchen Quellen das KI-System seine Erkenntnis­se hat. Mit dieser Transparen­z würden KI-Ergebnisse besser überprüfba­r, hieß es.

Auch mit OpenAIs ChatGPT beschäftig­t man sich bei SAP intensiv. In einem Blog-Beitrag beschreibt Sudip Ghosh, SAP-Architekt beim niederländ­ischen Anwenderun­ternehmen Orbia, wie sich ChatGPT via Microsofts AzureCloud mit S/4HANA verbinden lasse. Er bezeichnet­e die Integratio­n von ChatGPT und SAP als den „Espresso-Shot“, den sein Unternehme­n brauche, auch wenn es noch etliche Unsicherhe­iten bezüglich des Datenschut­zes gebe. „Es ist, als würde man versuchen, auf einem Einrad zu fahren und gleichzeit­ig mit brennenden Fackeln zu jonglieren – es ist riskant, aber auch aufregend!“

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SAP-Chef Christian Klein bezeichnet­e die Kooperatio­n als wichtigen Meilenstei­n für den deutschen Softwareko­nzern.

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