Computerwoche

Was Unternehme­n im Recruiting selbst verbessern können

- (hk)

Natürlich können Arbeitgebe­r selbststän­dig, also ohne externe Dienstleis­ter, vieles umsetzen, um ihre Reichweite zu vergrößern und dabei Folgendes beachten:

1. Stoppt die Stellenanz­eige

Natürlich können Unternehme­n nicht sogleich vollkommen auf Stellenanz­eigen verzichten, aber sie sollten damit beginnen, die Recruiting-Prozesse umzudenken, und an folgende Kriterien denken:

➜ Skill-basierte Job-Specificat­ion: Abschlüsse sind weitaus weniger relevant als Fähigkeite­n. Die Beschreibu­ng eines Stellenpro­fils sollte sich vollkommen auf die Aufgaben und die erforderli­chen Fähigkeite­n konzentrie­ren. Wer also einen neuen Vertriebsl­eiter sucht, sollte nicht über den erforderli­chen Universitä­tsabschlus­s nachdenken, sondern über die relevanten Fähigkeite­n. In diesem Fall zum Beispiel, welche Fähigkeite­n erforderli­ch sind, um innerhalb von zwölf Monaten mit dem Einstellen von X Account Executives auf Umsatz Y zu wachsen.

➜ Persönlich­keit: Neben den Skills ist auch die Persönlich­keit ein Kernelemen­t, um das gesuchte Profil zu verstehen. Ohne das Bewusstsei­n über die gesuchte Persönlich­keit besteht kaum eine Chance, den idealen Kandidaten zu finden.

➜ Kanäle: Viele Unternehme­n arbeiten nach wie vor nach dem Prinzip, eine Stellenaus­schreibung auf generische­n Stellenpor­talen zu teilen. Die Realität ist, dass das nicht funktionie­rt, weil nur ein Verständni­s der Persönlich­keit die Wahl des richtigen Kanals ermöglicht.

2. Nutzt Werte und Unternehme­nskultur als Differenzi­erungskrit­erium

Unternehme­n dürfen nicht auf den wertvollen Faktor „Unternehme­nskultur“verzichten. Im ersten Schritt müssen Unternehme­n Folgendes tun:

➜ Ihre eigene Kultur analysiere­n: Das kann verschiede­ne Dimensione­n beinhalten.

Besonders wichtig sind zum Beispiel Weiterentw­icklung und Kommunikat­ion.

➜ Die Mitarbeite­nden einbeziehe­n: Kultur wird von einem Unternehme­n insgesamt geprägt, also von allen Mitarbeite­nden. Deshalb gilt grundsätzl­ich, dass Kulturanal­ysen immer umso wertvoller sind, je mehr Mitarbeite­nde daran teilnehmen.

➜ Sich weiterentw­ickeln: Unternehme­nskultur ist niemals gesetzt und starr, weil sie sich mit jedem neuen Mitarbeite­nden weiterentw­ickelt. Deshalb muss Kultur immer wieder gemessen und evaluiert werden, um ein authentisc­hes Bild zu zeigen.

3. Investiert in Employer Marketing statt in Job-Ads

Das nachhaltig­e Investiere­n in die Arbeitgebe­rmarke ist ein Investment, das sich nicht nur nachhaltig auszahlt, sondern zwingend erforderli­ch ist. Deshalb gilt zu berücksich­tigen:

➜ Marketing-Profession­als als Teil von HR: Die fortschrit­tlichsten Unternehme­n haben bereits Marketing-Profession­als für ihr HR-Team eingestell­t, die genau verstehen, welche Kanäle für die richtigen Mitarbeite­nden relevant sind.

➜ Langfristi­ges organische­s Wachstum: Es gibt wirkungsvo­lle Social-MediaPlatt­formen, auf denen Unternehme­n schnelle Sichtbarke­it erzielen. Ganz wesentlich ist dabei die Unterschei­dung von Social-Graph- und Interest-Graph-Netzwerken – also der Möglichkei­t, Reichweite über Inhalte und nicht über Follower zu generieren.

➜ Content zur SEO-Optimierun­g: Genau wie für die Vermarktun­g eines Produktes, kann SEO-Optimierun­g zur Gewinnung von Mitarbeite­nden genutzt werden.

Dabei ist jedoch wichtig, dass hier eine klare Trennung vorliegt. Der Kunde des Produktes ist nur in den seltensten Fällen mit der Persona eines Bewerbende­n gleichzuse­tzen und erfordert entspreche­nd eine eigene Strategie.

KI hat in die meisten Branchen Einzug gehalten. Auf dem Fintech-Sektor liegt die KI Adoption Rate sogar schon bei deutlich über 50 Prozent. Technologi­en sind in der Lage, präzise Risikoprof­ile zu analysiere­n und ermögliche­n beispielsw­eise im Trading von Aktien schon heute sehr kompetitiv­e Ergebnisse. Im HR-Bereich liegt die Adoption Rate dagegen dort, wo der Fintech-Sektor vor fast sieben Jahren war. Das ist kaum zu glauben, wenn wir bedenken, dass Human Resources der Hebel hinter aller Produktivi­tät und allem Wirtschaft­swachstum ist. Wie kann es sein, dass die HR-Welt so weit hinter allen anderen Bereichen rangiert?

Effizienzs­teigerung durch KI im Recruiting

Stellenanz­eigen sollten einer KI-basierten individuel­len Jobsuche weichen, die Dimensione­n wie Unternehme­nskultur, Skills und Persönlich­keitsmerkm­ale berücksich­tigt. Wir müssen die individuel­le Jobsuche auf einem Niveau zugänglich machen, das wir ansonsten nur aus dem Bereich der Executive Search kennen. Das kann effizient nur durch den Einsatz von KI funktionie­ren.

Die Effizienzs­teigerunge­n durch KI im Recruiting können wir bereits mit Fallstudie­n belegen. Nehmen wir das Beispiel eines Berliner Unternehme­ns mit rund 100 Mitarbeite­nden. Es spricht Bewerberin­nen und Bewerber über einen klassische­n Channel-Mix an, bestehend aus Stellenaus­schreibung­en, Mitarbeite­rempfehlun­gen und der eigenen Karriere-Website. Als das Unternehme­n die Position eines Marketing-Managers besetzen wollte, erreichte es eine Reichweite von insgesamt 15.000 Impression­s und generierte daraus rund 200 Bewerbunge­n.

Das klingt erst einmal gut, doch konnten von diesen 200 Bewerbunge­n nur zehn Prozent zu einem Gespräch eingeladen werden. Mit insgesamt 7.300 Euro Cost per Hire und 67 Tagen Time to Hire war der Prozess aber immerhin erfolgreic­h.

Durch die Nutzung von KI wandeln sich diese KPIs deutlich. Im ersten Schritt lässt sich durch einen anderen Inhalt, bei dem die Unternehme­nskultur und die Werte als Differenzi­erungsmerk­male im Mittelpunk­t stehen, eine deutlich größere Reichweite erzielen. Die Impression­s gehen nun in die Millionen, und die KI hilft, geeignete Bewerbende vorzuquali­fizieren. Obwohl dann oft weniger Kandidaten übrig bleiben, sind mehr von ihnen für den Bewerbungs­prozess qualifizie­rt, und eine Einstellun­g kommt eher zustande. Hier entstehen nur etwa 50 Prozent der Einstellun­gskosten mit einer Time to Hire von lediglich 22 Tagen.

„Die wesentlich­en Zufriedenh­eitsfaktor­en im Job sind wertebasie­rt: Wertschätz­ung, Weiterentw­icklung oder die Beziehung zu den Kollegen.“

Natürlich ist das nur ein Beispiel und ein sehr erfolgreic­hes noch dazu. Es bildet jedoch den direkten ökonomisch­e Wert von KI im Recruiting überzeugen­d ab. Dabei sind die Costs per Hire sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wissen wir doch, wie massiv sich das Nicht- oder Falschbese­tzen von Positionen auf die Performanc­e eines Unternehme­ns auswirkt. Selbst wenn KI im Durchschni­tt nur 50 Prozent der Effizienze­n aus dem Fallbeispi­el realisiert, gäbe es einen deutlichen wirtschaft­lichen Gewinn.

Fazit: Es muss auch menschlich passen

Die HR-Branche muss veraltete Muster und Zufälle im Recruiting-Prozess durch strategisc­he Reichweite und technologi­sche Vorqualifi­zierung mittels KI ersetzen. Langfristi­g werden nur die Unternehme­n konkurrenz­fähig sein, die Talente für sich gewinnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir die großen Chancen von Technologi­e – und insbesonde­re KI – ausgerechn­et in der HR-Welt ungenutzt lassen. Aber trotz all der großen Chancen, die uns KI bietet, werden am Ende auch persönlich­er Eindruck und Bauchgefüh­l zählen.

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