Oneplus 5
Sie wollen viel, geben alles und schießen auch mal über das Ziel hinaus: Forcierte Leistungsspitzen brachten Oneplus in die Kritik. Dabei haben die Chinesen das gar nicht nötig.
Der junge chinesische Hersteller fordert die etablierte Spitzenklasse – kann sein neues Modell überzeugen?
Tetraphobie, so lautet der Fachbegriff für eine abergläubische Furcht vor der Zahl 4, die besonders in China großen Einfluss hat. Suchen Sie im Fahrstuhl also nicht nach der 4. Etage und wundern Sie sich nicht, wenn auf die 39. direkt die 50. folgt – oder bei Smartphones des chinesischen Herstellers Oneplus nach den Modellen One, 2, 3 und 3t nun das Oneplus 5.
Den Fans weltweit ist dieser Umstand bekannt. Hier hat man für vieles Verständnis, für aus unserer Sicht schrullige Namenskonventionen sowieso – nicht aber für die als unsauber empfundene Leistungssteigerung des ehrbaren Qualcomm-Chips Snapdragon 835, die das Oneplus 5 in Leis- tungstests gegenüber anderen Topgeräten überlegen erscheinen lässt. Konkret bringt Oneplus unabhängig von Beanspruchung und Leistung der vier stärkeren Prozessorkerne, die mit bis zu 2,45 GHz takten, auch die vier schwächeren auf ihr Maximum von 1,9 GHz. Dabei sieht die Arbeitsteilung zwischen unterschiedlich getakteten Prozessorkernen eigentlich vor, dass die stärkeren die rechenintensiven Arbeiten verrichten, während die schwächeren, ressourcenschonenderen sich den weniger leistungsfordernden Jobs widmen.
Oneplus pusht die schwächeren Kerne nach eigener Aussage nicht der überlegenen Benchmark-Ergebnisse wegen, sondern ganz allgemein bei Spielen und auch, um Apps schneller starten zu lassen.
Der fade Beigeschmack bleibt. In der Praxis freilich ist der Qualcomm-SoC auch ohne Manipulation einer der aktuell schnellsten am Markt – im Spiel geht das Oneplus 5 ab wie Schmidts Katze. Ohne übermäßig zu überhitzen, was zusätzlich gefällt.
Problemlos laufen viele Apps – allein und im Parallelbetrieb – auch deshalb rund, weil sich die 8 GB Arbeitsspeicher im Testgerät komfortabler verwalten lassen als 4 GB, wie sie bei guten Smartphones aktuell üblich sind. Selbst 6 GB haben derzeit nur wenige. Unter ihnen die günstigere Variante des Oneplus 5, die mit 64 gegenüber 128 Gigabyte auch einen kleineren UFS-2.1-Datenspeicher besitzt. Nach wie vor sind beide nicht erweiterbar. Ebenso steht Induktionsladen noch auf der Wunschliste, als Ergänzung zur Schnellladefunktion Dashcharge.
Technisch hochgradig aktuell
„Who needs a headphone-jack anyway? That’s why bluetooth exists, right?“Mit diesem Seitenhieb nach Cubertino verunsicherte Senior Designer Diego Heinz während der Online-Präsentation des Oneplus 5 die Internetgemeinde. Passend dazu präsentierte er ein manipuliertes Produktfoto ohne Audioausgang, löste aber umgehend auf: „Just kidding, of course the Oneplus 5 has a headphone-jack“. Mit Bluetooth 5.0 ist es allerdings auch bereit für kompatible Headsets, die in Entfernungen bis 200 Meter die Verbindung halten sollen. Das Oneplus 5 besitzt – wie viele – einen USB-CAnschluss und unterstützt darüberhinaus – wie kaum ein anderes Smartphone – auch den schnellen Übertragungsstandard USB 3.0. Nach Aktivierung der OTG-Funk-
tion können entsprechende Sticks etwa sieben Mal so schnell bespielt werden wie über einen USB-C-Anschluss mit USB 2.0.
Bedienhilfen und eigenes OS
Der Fingerabdrucksensor reagiert zuverlässig und schnell. Allerdings lässt ihm Oneplus nicht zusätzliche Bediengesten zukommen wie beispielsweise Huawei. Dennoch sind die Bedienhilfen, die das von Oneplus entwickelte Android-Derivat Oxygen OS mitbringt, zahlreich, wie die Screenshots unten in Ausschnitten zeigen. Neu in Version 4.5 von Oxygen OS, das auf Android 7.1 basiert, sind eine App-Sperre, ein Seiten-Screenshot für lange Appoder Browser-Seiten, ein automatischer Nachtmodus, der sich am Sonnenauf-und Untergang orientiert, und ein monochromer Lesemodus. Die Display-Kalibrierung nach dem DCI-P3-Farbraum, die sich mit entsprechendem Wissen auch auf dem Oneplus 3t nachrüsten lässt, ist auf dem 5 nun eine feste Option. Im Test war die Farbwiedergabe damit angenehm und natürlich.
Das Display öffnet allerdings auch ein weiteres Kapitel der Verschrobenheiten. Zum einen offenbart sich beim Scrollen der sogenannte Jelly-Effekt: Optisch federn die Seiten beim Rauf- oder Runterschieben schwach nach, als würden sie an einem Gummiband gezogen – das muss man mögen. Zum anderen ist es für Videoaufnahmen üblicherweise egal, ob man das Smartphone nach links oder rechts ins Querformat bringt. Würde man mit dem Oneplus 5 ein Kammerkonzert filmen und es hierfür nach links drehen, säße die erste Geige im Bild links, zu hören wäre sie aber von rechts. Nur wenn man das Oneplus 5 nach rechts ins Querformat dreht, was nach eigener Erfahrung weniger üblich ist, klappt’s auch mit dem Orchester.