Netzwetter
Wie die Roaming-Freigabe der EU die Mobilfunknutzung beeinflusst
Gerade im Urlaub ist ein Smartphone Gold wert. Wenn es etwa darum geht, per Google Maps das Restaurant zu finden, das Freunde als Geheimtipp empfohlen hatten. Oder wenn man Bilder hochladen möchte, um zu zeigen, wie gut es einem geht. Doch das konnte bisher schnell ein tiefes Loch in die Reisekasse reißen. Seit dem 15. Juni sind hohe Roaming-Kosten in Europa bis auf wenige Ausnahmen Vergangenheit. Ob die Kunden der neuen EU-Verordnung trauen und nun häufiger zum Smartphone greifen? Das zeigt die Netzwetter-Analyse.
Anpassung der Verbindungen
Auffällig war vor dem 15. Juni auf jeden Fall der geringere LTE-Anteil, den deutsche Besucher im EU-Ausland gegenüber der inländischen Bevölkerung hatten. Das beweist eindrücklich, das für die Balearen (Mallorca, Menorca, Ibiza) erstellte Balkendiagramm der geänderten Verbindungsverteilung, die im Fachjargon „Radio Access Technology Share“oder schlicht RAT-Share genannt wird. Im Diagramm sind LTE-Verbindungen in Dunkelblau dargestellt. Vor dem 15. Juni lag der LTE-Anteil der einheimischen HandyNutzer bei über 82 Prozent, während die Kunden deutscher Netzbetreiber auf im Mittel 62 Prozent kamen. Dieser 20-Prozent-Graben ist seit dem 15. Juni auf 2 Prozent zusammengeschrumpft. Die spanischen Netzbetreiber scheinen ihre LTE-Netze zunehmend für Besucher geöffnet zu haben.
Auch bei der Geschwindigkeit ist die deutsch-balearische Annäherung zu beobachten. Bisher waren die deutschen Inselbesucher bei 3G im Schnitt schneller als die einheimische Bevölkerung unterwegs, diese hatte dafür beim für Datentransfer populäreren 4GStandard deutlich die Nase vorn. Der 15. Juni brachte hier eine
weitgehende Angleichung, im Mittel ist der mobile Internetzugang für Deutsche und Spanier auf den Balearen jetzt etwa gleich schnell. Interessant: Unter den Inhabern einer deutschen SIM-Karte kommen Vodafone-Kunden seit dem Stichtag am besten weg. Sie sind außer in den schnellsten 10 Prozent der 4G-Messungen immer schneller als der spanische Durchschnitt. Da scheinen die Roten mit Vodafone Spanien auf den Balearen den stärksten Roaming-Partner als bevorzugten Netzbetreiber zu besitzen.
Dass die deutsche TelefónicaTochter in vielen Disziplinen minimal schlechter abschneidet als die Telekom, könnte auch daran liegen, dass die Muttergesellschaft Telefónica Spanien als größter Netzbetreiber am meisten Kunden zu versorgen hat. Mobilfunk muss als Shared Medium seine Ressourcen immer auf alle Teilnehmer aufteilen, da kann eine im Datenhunger oder an Personen wachsende Kundschaft schon mal Speed kosten.
Klares Wachstum
Und der Datenhunger beim Roaming wächst durch die EU-Richtlinie: In einem Zeitfenster von rund zwei Wochen um den 15. Juni hat sich die tägliche Nutzung des Datenroamings fast verdoppelt, wie die Grafik auf dieser Seite oben zeigt. Nur bei Vodafone scheint der Sprung etwas kleiner, mutmaßlich weil viele VodafoneVerträge unabhängig vom Stichtag bereits kostenloses EU-Roaming enthielten. Nicht als Diagramm abgebildet sind hier die Zeitanteile der WLAN-Internetnutzung. Die zeigten sich von der Mobilfunkfreigabe unbeeindruckt und blieben auf konstant hohem Niveau oberhalb der Mobilfunknutzung.
Starke Partner
In alten GSM-Zeiten schien es bei Auslandsbesuchen eher zufällig, in welchem Netz sich das Handy einbuchte. Doch mittlerweile sind die meisten Mobilnetzbetreiber in vielen Ländern aktiv. Da bietet es sich an, die Kunden auch im Ausland bei der eigenen Marke zu halten, dann bleibt der Umsatz im Haus. Wie gut das in einzelnen Ländern gelingt, zeigt unser Blasen-Diagramm rechts. Dabei sieht man, wie stark Vodafone in vielen Ländern aufgestellt ist. In Griechenland, Italien und Portugal gelingt es den Roten, rund 95 Prozent der Zugereisten im eigenen Netz zu halten, in Österreich und Kroatien sind die Anteile mit den zusammengehörenden starken Partnern A1 und Vipnet ähnlich hoch. Telefónica und Telekom lassen ihre Kunden etwas flexibler zwischen den Netzen wandern, was aber nicht als Qualitätsurteil für oder gegen sie gewertet werden kann.