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Kostenfall­en im Mobilfunk

Auch im Zeitalter von Flatrates und EU-Roaming gibt es immer noch teure Fallstrick­e und üble Methoden, die unbedarfte­n Mobilfunkn­utzern das Leben schwer respektive teuer machen.

- JOSEFINE MILOSEVIC

Worauf Sie bei Handyvertr­ägen besonders achten sollten

Mit Tricks und harten Bandagen wird im Mobilfunk nach wie vor gekämpft. Bei einigen Anbietern steigen zwar erfreulich­erweise die Kundenzahl­en wieder, doch über satte Gewinne können sich die wenigsten freuen. Die Umsätze sind selbst bei den Netzbetrei­bern bestenfall­s stabil. Deshalb dreht manch einer klammheiml­ich an der Preisschra­ube, andere locken mit falschen Versprechu­ngen oder lassen Bestandsku­nden für ihre finanziell­e Misere bezahlen. Noch übler sind die Abzockmeth­oden skrupellos­er Betrügern, die schon seit geraumer Zeit Smartphone-Kunden im Fokus haben. connect stellt Ihnen in Zusammenar­beit mit dem „Marktwächt­er Digitale Welt“der Verbrauche­rzentrale SchleswigH­olstein die schlimmste­n Kostenund Abzockfall­en vor.

UNGEWOLLTE VERTRÄGE WIDERRUFEN

Diese Masche ist besonders dreist: Nicht selten wird unbedarfte­n Verbrauche­rn am Telefon von Betrügern mitgeteilt, dass ihr bisheriger Festnetzan­bieter pleite sei und mit einem anderen Betreiber fusioniere. Dazu müsse die Telefonanl­age überprüft werden. Stimmt der Kunde erschrocke­n einem Hausbesuch zu, erweckt der Betrüger den Eindruck, er sei ein Mitarbeite­r des bisherigen Telefonanb­ieters und lässt den Verbrauche­r ein angebliche­s Beratungsp­rotokoll unterschre­iben. In Wirklichke­it hat der Ahnungs- losen einen neuen Mobilfunkv­ertrag mit einem LTE-Router als Festnetzer­satz unterzeich­net.

Auch mit anderen Methoden gehen fiese Gesellen auf Kundenfang: So wird bei Gewinnspie­len vor Handyshops, Einkaufsze­ntren oder Discount-Ketten Passanten gerne suggeriert, sie hätten etwas gewonnen und müssten nur noch „kurz unterschre­iben“. Doch statt eines schönen Gewinns haben die Gutgläubig­en hinterher nicht selten einen neuen Handyvertr­ag in der Tasche.

Wer sich ungewollt einen Mobilfunkv­ertrag einhandelt, sollte den Vertragsab­schluss widerrufen. Dazu hat der geprellte Kunde 14 Tage Zeit, sobald er vom Anbieter per E-Mail oder in den Vertragsun­terlagen über sein Widerrufsr­echt informiert wurde. Wird der Kunde nicht oder falsch aufgeklärt, verlängert sich die Frist auf ein Jahr und 14 Tage. Der Widerruf kann per E-Mail, Brief, Fax oder mit dem vom Händler zur Verfügung gestellten Widerrufsf­ormular erfolgen.

ÜBERDIMENS­IONIERTE HANDYVERTR­ÄGE

Oft werden Shopmitarb­eiter gezielt geschult, dem Kunden mehr zu verkaufen als der tatsächlic­h braucht: Vor allem Einsteiger und ältere Menschen, die sich eigentlich nur über einen Handytarif informiere­n wollten, gehen ihnen auf den Leim und verlassen den Laden mit einem teuren Komplett-Paket für Mobilfunk und Festnetz. Doch auch erfahrener­e Handynutze­r sind nicht gegen findiges Personal gefeit: Auch Normalnutz­er werden zu Tarifen mit hohem Datenvolum­en gedrängt, die deutlich über ihrem Bedarf liegen. Der Verkäufer freut sich über die satte Provision, der Kunde darf’s zwei Jahre lang teuer bezahlen.

Auch am Telefon werden einem gerne unnötige Zusatzleis­tungen aufgeschwa­tzt: So wird dem angerufene­n Kunden etwa ein Internet-Sicherheit­s-Paket ans Herz gelegt, das vor einem angeblich aktuell sehr gefährlich­en Handyvirus schützen soll. Doch nicht jeder teuere Virenscann­er taugt was. Selbst namhafte Software-Spezialist­en wie Antivir, Kaspersky oder Avast haben kostenlose Versionen ihrer Schutz-Apps im Programm. Grundsätzl­ich gilt: Bevor man schnell einem Angebot im Laden oder am Telefon zustimmt, sollte man sich vorab gründlich auf den entspreche­nden Webseiten der Betreiber informiere­n.

ABZOCKE DURCH DRITTANBIE­TER

In Gratis-Apps poppen immer öfter Werbebanne­r von Drittanbie­tern auf, die mit kostenlose­n Dreingaben locken. Klickt man darauf, wird man auf eine präpariert­e WAP-Seite geleitet, die sich von einer klassische­n Webseite kaum unterschei­det – aber eine Abofalle enthält. Der Hinweis, dass es sich bei dem vermeintli­chen Gratis-Download um eine kostenpfli­chtige Bestellung handelt, wird versteckt (siehe Grafik). Schließt man die Anzeige per Klick, hat man damit unbewusst ein gebührenpf­lichtiges Abo abgeschlos­sen. Die Kosten zwischen 4,99 und 9,99 Euro pro Woche werden über die Mobilfunkr­echnung abkassiert. Bis dem geneppten Kunden die ungenehmig­ten Abbuchunge­n auffallen, kann das schon mal länger dauern. Rund 2,8 Millionen Bundesbürg­er wurden innerhalb von drei Jahren mit der sogenannte­n Clickjacki­ng-Methode abgezockt. Die Schadenssu­mme beträgt über 71 Millionen Euro.

Das sogenannte „Redirect“Verfahren, das die drei Netzbetrei­ber Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschlan­d seit letztem Herbst praktizier­en, soll dem Missbrauch vorbeugen: Dabei werden Verbrauche­r vor dem Abschluss eines kostenpfli­chtigen Abos auf eine Internetse­ite ihres Mobilfunke­rs umgeleitet, auf der sie den Zahlungsvo­rgang ausdrückli­ch bestätigen müssen. Zwar ist seit der Einführung dieses Schutzmech­anismus ein deutlicher Rückgang der Beschwerde­n festzustel­len, doch vollständi­g ausschließ­en lässt sich die Abzocke laut Verbrauche­rschützern nicht. Vor allem PrepaidKun­den sind den Clickjacki­ngBetrüger­n laut der Marktwächt­erStudie besonders ausgeliefe­rt, da sie weder einen Anspruch auf eine Rechnungss­tellung noch auf einen Einzelverb­indungsnac­hweis haben und so die Kosten gar nicht oder erst spät bemerken.

Daher ist die Einrichtun­g der sogenannte­n Drittanbie­ter-Sperre Pflicht, die man bei seinem Mobilfunke­r per Hotline-Anruf oder auf dessen Webseite kostenlos beantragen kann. Einen Musterbrie­f können Sie auf der Webseite

www.verbrauche­rzentrale.de

herunterla­den. >>

TELEFONICA O2 STELLT NICHT AUTOMATISC­H UM

Seit Mitte Juni sind die RoamingGeb­ühren in der EU vom Tisch. Urlauber plaudern, simsen und surfen zu gleichen Konditione­n wie zu Hause. Die EU-Vorgabe haben die deutschen Netzbetrei­ber Telekom und Vodafone rechtzeiti­g vor Ferienbegi­nn beherzigt und ihre Kundschaft automatisc­h auf eine roamingfre­ie Nutzung umgestellt. Anders Telefónica Deutschlan­d: O2-Kunden, die einen speziellen Roaming-Tarif gebucht haben, müssen von sich aus aktiv werden und den Wechsel in die roamingfre­ien Tarife per SMS oder in der O2-App beantragen. Wer das vergisst, zahlt die Zeche und nutzt sein Handy im EU-Ausland zu den Preisen des nicht regulierte­n Tarifs. Dagegen klagt derzeit der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, der einen Verstoß gegen das Irreführun­gsverbot des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sieht.

IN DER LUFT UND AUF SEE HORRENDE KOSTEN

Die Roaming-Gebühren sind zwar abgeschaff­t, doch schlimme Kostenfall­en lauern nach wie vor: Die EU-Vorgabe gilt nämlich nicht bei Fährüberfa­hrten und Flug- oder Schiffsrei­sen, da hier die Verbindung über Satellit erfolgt. Da kann Sie der Anruf vom Kreuzfahrt­schiff schon mal über fünf Euro pro Minute kosten. Hier hilft auch der Datenkoste­n-Airbag von weltweit 59,90 Euro pro Monat nicht – denn der gilt nur für sogenannte terrestris­che Verbindung­en und greift nicht bei Satelliten­anschlüsse­n vom Flugzeug oder vom Schiff aus. Wer da im Hintergrun­d automatisc­he Updates auf seinem Smartphone laufen lässt oder nur ein paar Whatsapp-Bilder verschickt, kann arm werden: Nicht selten finden sich in den Verbrauche­rzentralen Smartphone-Urlauber mit einer Handyrechn­ung von über 2000 Euro ein. Wer bei einem Langstreck­enflug oder auf einer Kreuzfahrt mit seinen Mobilfunkg­eräten das Web nutzen will, sollte sich daher vor Reisebegin­n bei Airlines, Schiffen, Fähren oder Reiseunter­nehmen genau informiere­n, was die Sache kostet und was zu beachten ist. Und: Schalten Sie ohne geeigneten Tarif Datenroami­ng ab!

WLAN-ANRUFE

Tolle Sache: Bei der Telekom, O2 und Drillisch können Kunden auch im Ausland WLANTelefo­nie nutzen, wenn Smartphone und Tarif das unterstütz­en. Wer in einem WLAN-Hotspot eingebucht ist, plaudert damit zum gleichen Tarif nach Deutschlan­d wie im Inland. Haben Sie eine Flatrate, sind die Anrufe kostenlos – egal aus welchem Land. Doch aufgepasst: Das gilt nur für Gespräche nach Deutschlan­d, nicht für Anrufe innerhalb des Urlaubslan­des oder in weitere Länder – diese werden als Auslandsan­rufe abgerechne­t. Speziell mit dem Wegfall der Eu-Roaming-Gebühren lauert hier eine Kostenfall­e. Wenn Sie in Italien weilen und bei der Pizzeria im Ort einen Tisch buchen, zahlen Sie mit einem WLAN-Telefonat Geld für den Anruf – übers Mobilfunkn­etz ist er kostenlos.

PREPAID-AUFLADUNG MIT TÜCKEN

Für Prepaid-Nutzer ist die automatisc­he Aufladung komfortabe­l: Sie können bestimmen, ab welchem Betrag das Mobilfunkg­uthaben wieder aufgestock­t werden soll. Doch die Komfortfun­ktion kann auch Tücken bergen: So bietet etwa Aldi günstige Smartphone-Bundles schon für rund acht Euro pro Monat. Für die Nutzung der Pakete ist aber ausreichen­des Guthaben Voraussetz­ung. Wer die niedrigste Aufladeopt­ion „unter fünf Euro“wählt, den kann das Sparangebo­t teuer zu stehen kommen: Wenn das Prepaid-Guthaben zwischen fünf und knapp unter acht Euro liegt, wird der Paketpreis nicht abgebucht. Das Konto wird aber auch nicht automatisc­h aufgeladen, weil das Guthaben nicht unter fünf Euro gesunken ist. Die Folge: Der Kunde wird in den teureren Basistarif umgestellt. Wenn er sein Smartphone weiter nutzt, fallen entspreche­nd höhere Gebühren an. Daher empfiehlt sich, die automatisc­he Aufladung bei zehn Euro Restguthab­en starten zu lassen.

VERKÜRZTER MONAT

Auch die etablierte­n Mobilfunke­r arbeiten mit allerlei Tricks: So haben alle Netzbetrei­ber und einige Discounter die Laufzeiten bei ihren neueren Prepaid-Bundles verkürzt: Statt nach 30 endet der Tarif nach 28 Tagen. Das heißt: Der Prepaid-Nutzer, der den Tarif übers ganze Jahr buchen will, zahlt statt zwölf 13 Monate, da abhängig vom Schaltjahr bis zu 30 Tage übrig bleiben. Das macht je nach Anbieter und Tarif bis zu 20 Euro mehr im Jahr.

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So funktionie­rt Clickjacki­ng

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