KOMMENTAR
Halten wir fest: Das iPhone ist ein tolles Smartphone, es wird fraglos eines der besten auf dem Markt sein, wenn es im November in den Handel kommt. Bei genauerem Hinschauen kann ich allerdings nur ein Alleinstellungsmerkmal entdecken: Die Aufrüstung der Frontkamera zu einer Sensor-Phalanx, die nicht nur die Entsperrung per Gesichtserkennung, sondern darüber hinaus auch nette Spielereien wie die Analyse der Gesichtsmuskelbewegungen und deren Spiegelung in einem animierten Emoji erlaubt. Bei der Gesichtserkennung muss sich noch zeigen, ob sie genauso zuverlässig ist wie ein Fingerabdruck. Alle anderen neuen Funktionen findet man bereits bei der Konkurrenz, sei es ein randloses OLED-Display, drahtloses Aufladen, Augmented Reality oder ein duales Kamerasystem. Selbst beim neuen Chipsatz A11 ist Apple nicht der Erste – Huawei hat Anfang September den Kirin 970 präsentiert, der ebenfalls auf eine Architektur setzt, die für maschinelles Lernen optimiert ist. Sicher, bei Apple ging es nie darum, der Erste zu sein, sondern bestehende Technologien zu perfektionieren und so intuitiv zugänglich zu machen, dass sie alltagstauglich werden. Das könnte mit der Gesichtserkennung gelingen. Ein Erfolg des iPhone X ist aber nicht vorprogrammiert, denn der hohe Preis könnte sogar Apple-Fans abschrecken. Die Variante mit 64 GB Speicher kostet 1150 Euro, die mit 256 GB nochmal 170 Euro mehr – kein Smartphone war bisher so teuer, von exotischen Luxusmodellen einmal abgeshen. Hinzu kommt, dass man bei Apple keine Micro-SD-Karte einschieben kann, wenn es knapp wird. Samsung verlangt für das Galaxy Note 8 (64 GB + MicroSD) zwar ebenfalls eine stolze UVP von 1000 Euro, aber der reale Preis dürfte sich nach einigen Monaten bei 800 bis 900 Euro einpendeln, während das iPhone X preisstabil bleiben wird. Auch LGs V30 und Huaweis Mate 10, die in einigen Wochen erhältlich sein werden, spielen technisch auf einer Höhe mit dem iPhone X. Sie bieten aber eine Speichererweiterung und werden grob geschätzt 400 Euro billiger sein, wenn sie im Handel sind. Preislich konkurrieren die Superphones von Samsung, Huawei und LG eher mit den ebenfalls neu vorgestellten iPhones 8, und hier dürfte es selbst einem Apple-Fan schwer fallen, Argumente zu finden, die für den Kauf sprechen. Problematisch ist hier vor allem das Design mit den breiten Rändern um das Display, das schon bei den Vorjahresmodellen altbacken wirkte. Neben den schnittigen Modellen von Samsung und LG, die vorne nur noch aus Display bestehen, sehen iPhone 8 und 8 Plus aus, wie aus der Zeit gefallen. Aber auch sie werden sich verkaufen, schon allein deshalb, weil es genügend Nutzer innerhalb des Apple-Ökosystems gibt, die nur auf die Produktpräsentation gewartet haben, um ihren Gerätepark zu erneuern. Für Apple geht es aber nicht nur darum, Bestandskunden in seinem Ökosystem zu halten – viel wichtiger ist es, neue Kunden zu begeistern. Das könnte mit dieser iPhone-Generation schwer werden.