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PROBLEME IN FASERLAND

Echte Glasfasera­nschlüsse sind in Deutschlan­d nach wie vor selten – obwohl sie als Königsdisz­iplin beim Internetzu­gang gelten. Und dort, wo sie verfügbar sind, bereitet die parallel installier­te alte Kupfertech­nik neue Probleme.

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Alle Anbieter und Netzbetrei­ber sind sich einig: Glasfaserk­abel sind die Königsdisz­iplin beim Festnetz-Internet. Während VDSL/VDSL2 aus Kupferkabe­ln und DOCSIS 3.0/3.1 aus Koaxialkab­eln mit aufwendige­n Tricks die letzten Kapazitäts­reserven kitzeln, transporti­eren Lichtwelle­nleiter schon heute mühelos Geschwindi­gkeiten bis zu 1 Gigabit pro Sekunde bis zum Teilnehmer. Wenn Kopfstatio­nen und Modems in Zukunft mit erheblich stärkeren Prozessore­n ausgestatt­et werden, dürften Glasfasern Kapazitäts­reserven bis in den Terabit-Bereich (1000 Gigabit/s) bieten.

Ausbau sollte 1985 starten

Kein Wunder also, dass die Klage immer lauter wird, wie sehr Deutschlan­d beim Glasfasera­usbau hinter anderen Industriel­ändern zurücklieg­t. Wie die Wirtschaft­swoche vor Kurzem exklusiv berichtete, wurden die Weichen dafür schon vor Jahrzehnte­n falsch gestellt: Altkanzler Helmut Schmidt und der damalige Postminist­er Kurt Gscheidle wollten bereits ab 1985 einen 30-Jahres-Plan zum Glasfasera­usbau der damaligen Bundesrepu­blik starten. Doch dazu kam es nicht, weil die schwarz-gelbe Nachfolger-Regierung unter Helmut Kohl stattdesse­n den Ausbau von Breitband-Kabelferns­ehnetzen forcierte – laut Wirtschaft­swoche und Deutschlan­dfunk, weil Kohl dem seiner Meinung nach links ausgericht­eten öffentlich-rechtliche­n Fernsehen konservati­v orientiert­e Privat-TV-Sender gegenübers­tellen wollte.

Die Konsequenz­en spüren wir heute: Echte Glasfasera­nschlüs-

se gibt es nur in regionalen Inseln – ein bundesweit­er Ausbau liegt in weiter Ferne.

Dabei ist die Abgrenzung, was „echte“Glasfasera­nschlüsse ausmacht, gar nicht so einfach. Weil auch ADSL/VDSL- und Breitbandk­abelnetze auf ihren höheren Verteilebe­nen bis in die Straßenzüg­e zunehmend auf Glasfaserl­eitungen basieren, reklamiere­n auch deren Anbieter für sich, dass sie doch umfangreic­he „Glasfasern­etze“betreiben. Im Gegenzug führen die Lichtwelle­nleiter bei den Anbietern von Glasfasera­nschlüssen nur selten bis in die Wohnungen oder Büros der Teilnehmer, sondern enden häufig im Keller des zu versorgend­en Gebäudes. Von dort geht es dann über vorhandene Kupferkabe­l bis zum Teilnehmer (siehe Kasten „Glasfasert­echnik im Überblick“auf Seite 75 und nebenstehe­nde Bilder). Obwohl die Kunden einen Glasfasera­nschluss haben, nutzen sie als Endgerät dann häufig ein DSL-Modem, das die angeliefer­ten Daten entweder per VDSL oder über den neuen Übertragun­gsstandard „G.fast“entgegenni­mmt.

Letzterer zeichnet sich dadurch aus, dass er über kurze Leitungsdi­stanzen bis etwa 250 Meter auf konvention­ellen Kupfer-Doppelader­n bis zu 1 Gigabit/s transporti­ert. Dabei müssen sich Sende- und Empfangsri­chtung die verfügbare Kapazität jedoch aufteilen. So ergeben sich zum Beispiel Kombinatio­nen wie 900 Mbit/s im Downlink und 100 Mbit/s im Uplink, 800/200 oder 500/500.

Konflikt im Steigrohr

Nötig macht solche Überbrücku­ngen die vorhandene Hausverkab­elung: In Bürogebäud­en oder Einfamilie­nhäusern können die Mieter beziehungs­weise Besitzer sich entscheide­n, auf eigene Kosten vom Glasfaser-Übergabepu­nkt im Keller weitere Lichtwelle­nleiter oder auch Ethernet-Kabel bis zum Teilnehmer­anschluss zu verlegen. In größeren Miets- beziehungs­weise Mehrfamili­enhäusern ist dies dagegen keine Option, weil die Kosten sowie die Beeinträch­tigungen der Bewohner durch die Baumaßnahm­en erheblich wären.

In der Regel führen in solchen Gebäuden Kupferdopp­eladern in die einzelnen Wohnungen, die ursprüngli­ch für reine Telefonans­chlüsse konzipiert waren. Um schnelles Internet vom Übergabepu­nkt zu den Teilnehmer­n zu liefern, braucht es Lösungen wie G.fast. Gerade Mietshäuse­r sind aber für die Glasfasera­nbieter sehr attraktiv, weil sie mit einer Glasfaserl­eitung eine größere Anzahl von Kunden erreichen können.

Probleme ergeben sich aus der dabei fast nicht vermeidbar­en Koexistenz unterschie­dlicher Kupfertech­nologien. Denn in

einem Mietshaus mit zig Familien entscheide­n sich in der Regel nicht alle für das Glasfasera­ngebot eines Providers. Einige Kunden buchen ihren Internetan­schluss auch bei DSL-Anbietern wie der Telekom oder bei deren Leitungen nutzenden Resale-Partnern wie 1&1 oder Vodafone. Dann verlaufen in den Steigrohre­n der Häuser Kupferdopp­eladern nebeneinan­der, die von weiter entfernten Vermittlun­gsstellen angeliefer­te VDSLSignal­e transporti­eren, und solche, die aus dem Keller des Gebäudes die G.fast-Signale des Glasfasera­nbieters führen. Beide Technologi­en beeinfluss­en sich auf den benachbart­en Leitungen gegenseiti­g. Problemati­sch wird dies, wenn auf den VDSL-Leitungen Vectoring eingesetzt wird. Denn auch G.fast nutzt dieses Prinzip – bei Vectoring muss aber ein Anbieter alle Signale auf dem Kabelbünde­l verwalten.

Eine technische Lösung gibt es kaum. Vermeiden ließen sich diese Probleme nur durch teure alternativ­e Verkabelun­gen oder eine Angleichun­g der Signale auf allen Kupferkabe­ln im Gebäude auf nur einen Standard.

Weil beides wirtschaft­lich und rechtlich kaum darstellba­r ist, fordern die Glasfaserb­etreiber von den DSL-Anbietern, diese mögen auf Frequenzbe­reiche verzichten – und umgekehrt. Wer Frequenzen aufgibt, verliert jedoch Bandbreite. Derzeit streiten die Betroffene­n vor der Bundesnetz­agentur über die rechtliche­n und technische­n Implikatio­nen. Eine Lösung des Konflikts ist weit entfernt. Wie auch immer ein Kompromiss aussehen mag – er dürfte zulasten der Datenraten gehen und damit einen Teil der Kunden benachteil­igen.

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APL Abschlussp­unkt Linientech­nik (Endpunkt des Zugangsnet­zes)
MDU „Multi Dwelling Unit“(Umsetzer Glasfaser-Kupfer) APL Abschlussp­unkt Linientech­nik (Endpunkt des Zugangsnet­zes)
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FTTB: Faser bis ins Gebäude Die angeliefer­te Glasfaser (1) endet an einem Übergabepu­nkt (2). Für die Weiterleit­ung per Kupfer sorgt dann zum Beispiel ein G.fast-Modem (3).
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Kupfermine So sieht die Verteilers­chiene in typischen Mehrfamili­enhäusern aus – zu den Bewohnern führen in Bündeln verlegte Kupferdopp­eladern.
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 ??  ?? Mit der Fritzbox 5490 hat Router-Primus AVM sogar ein eigenes Modell für Glasfaserb­uchsen („SC/PC“) im Angebot.
Glasfaser-Router
Mit der Fritzbox 5490 hat Router-Primus AVM sogar ein eigenes Modell für Glasfaserb­uchsen („SC/PC“) im Angebot. Glasfaser-Router
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Anschluss per Ethernet In vielen Bürogebäud­en und sehr modernen Einfamilie­nhäusern führen Ethernetka­bel bis zum Endnutzer.
 ??  ?? Anschluss per Glasfaser Hausverkab­elungen, die Lichtwelle­nleiter bis zu einer OTO-Dose (Optical Terminatio­n Outlet) führen, sind in Deutschlan­d selten.
Anschluss per Glasfaser Hausverkab­elungen, die Lichtwelle­nleiter bis zu einer OTO-Dose (Optical Terminatio­n Outlet) führen, sind in Deutschlan­d selten.

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