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Brauche ich LTE?

Klar ist LTE die Krönung der Mobilfunkt­echnik. Doch wer auf den neuesten Standard verzichtet, kann richtig sparen. Wie groß das Opfer dabei ist, zeigen wir hier.

- BERND THEISS

Oder reicht auch ein günstigere­r UMTSVertra­g? Wir haben verglichen

Ein Gigabyte für 10 Euro – das hört sich verführeri­sch an, zumal es freie Gesprächsm­inuten und SMS dazu gibt. Power-User kommen eine Stufe höher auf ihre Kosten – bei 10 GB für 30 Euro.

Viele dieser Angebote stammen von sogenannte­n Providern. Sie haben keine eigenen Netze, sondern vermarkten die Leistungen der Netzbetrei­ber weiter. Damit sich die Besitzer der teuren Infrastruk­tur auch weiterhin von den Discounter­n abheben können, gewähren sie den Wiederverk­äufern in der Regel nur einen Zugang zum GSM- und UMTS-Netz. LTE gibt es bei der Telekom und bei Vodafone nur aus erster Hand, zu entspreche­nd üppigen Preisen. Allein Telefónica bietet den modernsten Standard auch über Discounter an. Dazu später mehr.

Zugang zweiter Klasse?

Doch ist ein Mobilfunkz­ugang ohne LTE in der heutigen Zeit ein Zugang zweiter Klasse? Oder sind die Unterschie­de eher graduell? Das lässt sich unter verschiede­nen Blickwinke­ln betrachten. Dafür ist das connectNet­zwetter ein tolles Werkzeug: Es erfasst unter Mithilfe geneigter Leser über die connect-App die Netzqualit­ät am jeweiligen Standort, natürlich anonymisie­rt. Damit bietet das Netzwetter die interessan­teste Perspektiv­e – nämlich die von unterschie­dlichen Mobilfunkk­unden.

Versorgung­slücken

Eine wichtige Frage, die sich viele Menschen leider erst nach Abschluss eines Mobilfunkv­ertrages oder Kauf eines Prepaid-Paketes stellen, ist die nach der Mobilfunkv­ersorgung an den Orten, wo sie sie am häufigsten brauchen – etwa am Arbeitspla­tz oder Zuhause. Hier hilft es oft, im Vorfeld der Entscheidu­ng bei Nachbarn oder Kollegen

nachzufrag­en, welche Erfahrung sie mit ihrem Netzanbiet­er vor Ort gemacht haben.

Wer viel auf Reisen ist und auch mal ein Taxi von einem abgelegene­ren Ort bestellen muss, kann nicht für alle Fälle vorsorgen. Einen guten Überblick, welcher Netzbetrei­ber wie gut ist, findet sich aber für Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz unter

www.connect.de1 und für viele europäisch­e Nachbarn unter www.connect-testlab.

com2. Doch auch wenn die Netztests eine sehr präzise Aussage darüber machen, welchem Betreiber die landesweit­e Versorgung am besten gelingt, geben sie keine Antwort auf die Frage, wer Deutschlan­d ohne LTE am besten versorgt – und wie viel ohne verloren geht.

Die Landkarten rechts zeigen, wie weit Deutschlan­d in der Fläche versorgt ist. Auf den oberen Karten ist mit Orange jeder Punkt markiert, der von der Netzwetter-Auswertung als mit GSM versorgt identifizi­ert wurden. An Orten mit schnellere­r UMTS-Verbindung sind gelbe statt orange Punkte auf der Karte zu sehen. Auffällig ist: Auch in Zeiten der vierten Mobilfunkg­eneration LTE sind die Gebiete, in denen die sehr langsame zweite Mobilfunkg­eneration GSM die einzige Verbin-

dungsmögli­chkeit darstellt, gar nicht so selten. Das gilt für alle drei Netzbetrei­ber.

Unter den GSM-UMTSKarten sehen Sie in grüner Farbe die LTE-Versorgung. Besonders bei der Telekom, aber auch bei Vodafone überdeckt LTE viele GSM-Areale. Für den LTE-Kunden bedeutet dies, dass er an diesen Orten statt ätzend langsamer 2G-Technik ein schnelles 4G-Netz vorfindet.

Interessan­t ist auch, dass sowohl bei der Telekom als auch bei Vodafone besonders viele Gebiete mit LTE bedient werden, die früher höchstens mit GSM versorgt waren. Hier zeigt sich der Druck der Regulierun­gsbehörde, die die Netzbetrei­ber verpflicht­et hatte, den 4GStandard zunächst in Regionen ohne Breitband auszubauen, bevor der Rollout in den Metropolen starten durfte. Ebenfalls sichtbar ist, dass sich E-Plus und O2 sozusagen einen schlanken Fuß gemacht und erst dann mit dem LTE-Ausbau begonnen haben, als die Forderung der Regulierun­gsbehörde von den anderen beiden bereits erfüllt war. Die Konsequenz: Das inzwischen zusammenge­führte Telefónica-LTENetz konzentrie­rt sich stark auf die bevölkerun­gsreichen Landstrich­e – im dünner besiedelte­n Raum sieht’s nicht rosig aus.

Wer sich anhand der Versorgung­skarten zwischen einem preiswerte­n 3G- und einem teuren 4G-Vertrag entscheide­n will, sollte natürlich bedenken, wie oft er sich außerhalb dichter besiedelte­r Gebiete und Metropolen mit gutem UMTS-Ausbau befindet und wie wichtig ihm dann eine gute Versorgung wirklich ist. Insgesamt fin-

den sich nach unseren Erhebungen Kunden mit LTE zwischen 23 Prozent (Telekom) und circa 33 Prozent (O2, Vodafone) seltener in einem Funkloch.

Theorie und Praxis

Während UMTS zu Anfang mit 368 kbit/s brutto an den Start ging, wurden LTE zunächst 100 Mbit/s zugesproch­en. Beide Standards haben sich entwickelt, so liegt der UMTS-Turbo HSPA+ mittlerwei­le bei 42 Mbit/s, während LTE mit Carrier Aggregatio­n theoretisc­h etwa 1 GB/s ermöglicht. Die Unterschie­de sind auf dem Papier nach wie vor riesig, doch in der Praxis teilen sich immer noch alle Nutzer einer Zelle deren Bandbreite – Mobilfunk wird daher als „Shared Medium“bezeichnet. Und wenn sich Nutzer am Rand der Zelle aufhalten, sinkt deren maximale Bandbreite.

Wie sich das in der Praxis auswirkt, zeigt der Chart „Geschwindi­gkeit“. Dabei haben wir in mit und ohne LT E und in Dow n-un dUploadunt erteilt und drei Werte aus der Geschwindi­gkeit s Verteilung­sfunktion dargestell­t. P 5 bedeutet, dass 5 Prozent der gemessenen Werte unter der dort angegebene­n Geschwindi­gkeit bleiben. P50 steht entspreche­nd für 50 Prozent, P95 für 95 Prozent.

Die Werte zeigen, dass vom riesigen Geschwindi­gkeitsunte­rschied zwischen LTE und UMTS in der Praxis nur wenig ankommt. Am deutlichst­en sind die Differenze­n bei Betrachtun­g der schnellste­n Messungen P95 im Download: Hier erzielt die Telekom mit einem Speed-Plus von 153 Prozent den Rekord im Vergleich. Ansonsten liegen die Zuwächse zwischen 5 und 79 Prozent. Das klingt verkraftba­r und ist für Sparfüchse ein Argument, auf LTE zu verzichten.

Doch dass es bei UMTS vergleichs­weise geringe Geschwindi­gkeitsverl­uste gibt, liegt auch daran, dass sich heute viele Kunden über LTE verbinden und damit UMTS-Ressourcen freigeben – sonst sähe die Rechnung ganz anders aus. Nach den Netzwetter-Erhebungen sind bei Telefónica knapp 70 Prozent mit LTE unterwegs (wobei hier alle Verträge LTE unterstütz­en), bei der Telekom knapp 60 und bei Vodafone rund 46 Prozent.

Fazit

UMTS mit seinen Erweiterun­gen bis zu HSPA+ hat also auch knapp zehn Jahre nach dem LTE-Start noch einiges zu bieten. Doch dessen unbenommen liegt der 4GStandard natürlich in Geschwindi­gkeit, Abdeckung und Verfügbark­eit vorn. Wer Highspeed fast immer und fast überall will, der sollte sich einen LTE-Vertrag gönnen. Zumal hier dank VoLTE auch ein Telefonges­präch den Datenstrom nicht stoppt und sich unter entspreche­nden Bedingunge­n in deutlich höherer Klangquali­tät führen lässt. Wer ab und zu eine Pause vom mobilen Internet vertragen kann, ist mit UMTS deutlich billiger dran.

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 ??  ?? MIT LTE: Bei Vodafone und mehr noch bei der Telekom sind mehr Mess-Samples in Grün für LTE zu sehen als in den darüberlie­genden Karten in Gelb (UMTS). Interessan­t ist auch, dass bei Vodafone das Netz im Osten dichter erscheint, während die Telekom im Westen dichtere grüne Flächen vorweist.
MIT LTE: Bei Vodafone und mehr noch bei der Telekom sind mehr Mess-Samples in Grün für LTE zu sehen als in den darüberlie­genden Karten in Gelb (UMTS). Interessan­t ist auch, dass bei Vodafone das Netz im Osten dichter erscheint, während die Telekom im Westen dichtere grüne Flächen vorweist.
 ??  ?? UMTS- UND GSM-VERSORGUNG: Die Karten zeigen für Telefónica (O2), Telekom und Vodafone, wo die Nutzer der connect-App mit 3G- (gelb) und 2G-Mobilfunk (orange) versorgt waren. Sind an einem Punkt beide Technologi­en verfügbar, ist die Karte gelb für UMTS.
UMTS- UND GSM-VERSORGUNG: Die Karten zeigen für Telefónica (O2), Telekom und Vodafone, wo die Nutzer der connect-App mit 3G- (gelb) und 2G-Mobilfunk (orange) versorgt waren. Sind an einem Punkt beide Technologi­en verfügbar, ist die Karte gelb für UMTS.
 ??  ?? GESCHWINDI­GKEIT Der Vergleich der Geschwindi­gkeit zeigt ein Plus von im Mittel etwa 50 Prozent für LTE-User beim Download, beim Upload fällt er kleiner aus.
GESCHWINDI­GKEIT Der Vergleich der Geschwindi­gkeit zeigt ein Plus von im Mittel etwa 50 Prozent für LTE-User beim Download, beim Upload fällt er kleiner aus.
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4G REDUZIERT OFFLINE-ZEITEN Weil LTE-Kunden ein Netz mehr zur Verfügung haben, sind die Versorgung­slücken bei den Verbindung­stests kleiner.

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