Brauche ich LTE?
Klar ist LTE die Krönung der Mobilfunktechnik. Doch wer auf den neuesten Standard verzichtet, kann richtig sparen. Wie groß das Opfer dabei ist, zeigen wir hier.
Oder reicht auch ein günstigerer UMTSVertrag? Wir haben verglichen
Ein Gigabyte für 10 Euro – das hört sich verführerisch an, zumal es freie Gesprächsminuten und SMS dazu gibt. Power-User kommen eine Stufe höher auf ihre Kosten – bei 10 GB für 30 Euro.
Viele dieser Angebote stammen von sogenannten Providern. Sie haben keine eigenen Netze, sondern vermarkten die Leistungen der Netzbetreiber weiter. Damit sich die Besitzer der teuren Infrastruktur auch weiterhin von den Discountern abheben können, gewähren sie den Wiederverkäufern in der Regel nur einen Zugang zum GSM- und UMTS-Netz. LTE gibt es bei der Telekom und bei Vodafone nur aus erster Hand, zu entsprechend üppigen Preisen. Allein Telefónica bietet den modernsten Standard auch über Discounter an. Dazu später mehr.
Zugang zweiter Klasse?
Doch ist ein Mobilfunkzugang ohne LTE in der heutigen Zeit ein Zugang zweiter Klasse? Oder sind die Unterschiede eher graduell? Das lässt sich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Dafür ist das connectNetzwetter ein tolles Werkzeug: Es erfasst unter Mithilfe geneigter Leser über die connect-App die Netzqualität am jeweiligen Standort, natürlich anonymisiert. Damit bietet das Netzwetter die interessanteste Perspektive – nämlich die von unterschiedlichen Mobilfunkkunden.
Versorgungslücken
Eine wichtige Frage, die sich viele Menschen leider erst nach Abschluss eines Mobilfunkvertrages oder Kauf eines Prepaid-Paketes stellen, ist die nach der Mobilfunkversorgung an den Orten, wo sie sie am häufigsten brauchen – etwa am Arbeitsplatz oder Zuhause. Hier hilft es oft, im Vorfeld der Entscheidung bei Nachbarn oder Kollegen
nachzufragen, welche Erfahrung sie mit ihrem Netzanbieter vor Ort gemacht haben.
Wer viel auf Reisen ist und auch mal ein Taxi von einem abgelegeneren Ort bestellen muss, kann nicht für alle Fälle vorsorgen. Einen guten Überblick, welcher Netzbetreiber wie gut ist, findet sich aber für Deutschland, Österreich und die Schweiz unter
www.connect.de1 und für viele europäische Nachbarn unter www.connect-testlab.
com2. Doch auch wenn die Netztests eine sehr präzise Aussage darüber machen, welchem Betreiber die landesweite Versorgung am besten gelingt, geben sie keine Antwort auf die Frage, wer Deutschland ohne LTE am besten versorgt – und wie viel ohne verloren geht.
Die Landkarten rechts zeigen, wie weit Deutschland in der Fläche versorgt ist. Auf den oberen Karten ist mit Orange jeder Punkt markiert, der von der Netzwetter-Auswertung als mit GSM versorgt identifiziert wurden. An Orten mit schnellerer UMTS-Verbindung sind gelbe statt orange Punkte auf der Karte zu sehen. Auffällig ist: Auch in Zeiten der vierten Mobilfunkgeneration LTE sind die Gebiete, in denen die sehr langsame zweite Mobilfunkgeneration GSM die einzige Verbin-
dungsmöglichkeit darstellt, gar nicht so selten. Das gilt für alle drei Netzbetreiber.
Unter den GSM-UMTSKarten sehen Sie in grüner Farbe die LTE-Versorgung. Besonders bei der Telekom, aber auch bei Vodafone überdeckt LTE viele GSM-Areale. Für den LTE-Kunden bedeutet dies, dass er an diesen Orten statt ätzend langsamer 2G-Technik ein schnelles 4G-Netz vorfindet.
Interessant ist auch, dass sowohl bei der Telekom als auch bei Vodafone besonders viele Gebiete mit LTE bedient werden, die früher höchstens mit GSM versorgt waren. Hier zeigt sich der Druck der Regulierungsbehörde, die die Netzbetreiber verpflichtet hatte, den 4GStandard zunächst in Regionen ohne Breitband auszubauen, bevor der Rollout in den Metropolen starten durfte. Ebenfalls sichtbar ist, dass sich E-Plus und O2 sozusagen einen schlanken Fuß gemacht und erst dann mit dem LTE-Ausbau begonnen haben, als die Forderung der Regulierungsbehörde von den anderen beiden bereits erfüllt war. Die Konsequenz: Das inzwischen zusammengeführte Telefónica-LTENetz konzentriert sich stark auf die bevölkerungsreichen Landstriche – im dünner besiedelten Raum sieht’s nicht rosig aus.
Wer sich anhand der Versorgungskarten zwischen einem preiswerten 3G- und einem teuren 4G-Vertrag entscheiden will, sollte natürlich bedenken, wie oft er sich außerhalb dichter besiedelter Gebiete und Metropolen mit gutem UMTS-Ausbau befindet und wie wichtig ihm dann eine gute Versorgung wirklich ist. Insgesamt fin-
den sich nach unseren Erhebungen Kunden mit LTE zwischen 23 Prozent (Telekom) und circa 33 Prozent (O2, Vodafone) seltener in einem Funkloch.
Theorie und Praxis
Während UMTS zu Anfang mit 368 kbit/s brutto an den Start ging, wurden LTE zunächst 100 Mbit/s zugesprochen. Beide Standards haben sich entwickelt, so liegt der UMTS-Turbo HSPA+ mittlerweile bei 42 Mbit/s, während LTE mit Carrier Aggregation theoretisch etwa 1 GB/s ermöglicht. Die Unterschiede sind auf dem Papier nach wie vor riesig, doch in der Praxis teilen sich immer noch alle Nutzer einer Zelle deren Bandbreite – Mobilfunk wird daher als „Shared Medium“bezeichnet. Und wenn sich Nutzer am Rand der Zelle aufhalten, sinkt deren maximale Bandbreite.
Wie sich das in der Praxis auswirkt, zeigt der Chart „Geschwindigkeit“. Dabei haben wir in mit und ohne LT E und in Dow n-un dUploadunt erteilt und drei Werte aus der Geschwindigkeit s Verteilungsfunktion dargestellt. P 5 bedeutet, dass 5 Prozent der gemessenen Werte unter der dort angegebenen Geschwindigkeit bleiben. P50 steht entsprechend für 50 Prozent, P95 für 95 Prozent.
Die Werte zeigen, dass vom riesigen Geschwindigkeitsunterschied zwischen LTE und UMTS in der Praxis nur wenig ankommt. Am deutlichsten sind die Differenzen bei Betrachtung der schnellsten Messungen P95 im Download: Hier erzielt die Telekom mit einem Speed-Plus von 153 Prozent den Rekord im Vergleich. Ansonsten liegen die Zuwächse zwischen 5 und 79 Prozent. Das klingt verkraftbar und ist für Sparfüchse ein Argument, auf LTE zu verzichten.
Doch dass es bei UMTS vergleichsweise geringe Geschwindigkeitsverluste gibt, liegt auch daran, dass sich heute viele Kunden über LTE verbinden und damit UMTS-Ressourcen freigeben – sonst sähe die Rechnung ganz anders aus. Nach den Netzwetter-Erhebungen sind bei Telefónica knapp 70 Prozent mit LTE unterwegs (wobei hier alle Verträge LTE unterstützen), bei der Telekom knapp 60 und bei Vodafone rund 46 Prozent.
Fazit
UMTS mit seinen Erweiterungen bis zu HSPA+ hat also auch knapp zehn Jahre nach dem LTE-Start noch einiges zu bieten. Doch dessen unbenommen liegt der 4GStandard natürlich in Geschwindigkeit, Abdeckung und Verfügbarkeit vorn. Wer Highspeed fast immer und fast überall will, der sollte sich einen LTE-Vertrag gönnen. Zumal hier dank VoLTE auch ein Telefongespräch den Datenstrom nicht stoppt und sich unter entsprechenden Bedingungen in deutlich höherer Klangqualität führen lässt. Wer ab und zu eine Pause vom mobilen Internet vertragen kann, ist mit UMTS deutlich billiger dran.