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Interview

- Das Gespräch führten Dirk Waasen und Marc-Oliver Bender

Walter Goldenits, Geschäftsf­ührer Technologi­e der Telekom Deutschlan­d, zur Strategie beim Festnetzau­sbau

Herr Goldenits, die TK-Branche bewegt sich mit rasantem Tempo. Was sind die Haupttheme­n der Telekom in Ihrem Verantwort­ungsbereic­h?

Ein großer Fokus liegt auf dem Glasfasera­usbau. Wir verlegen pro Jahr ca. 40 000 Kilometer Glasfaser. Im nächsten Jahr haben wir vor, weitere 60 000 Kilometer zu verlegen. Hier befinden wir uns derzeit in der Planung bzw. in der Bereitstel­lungsvorbe­reitung. Der zweite große Fokus bleibt unser Mobilfunkn­etz. Die Konkurrenz schläft nicht, wir müssen zusehen, dass wir vorne dabei bleiben. Sprich: Wir brauchen neueste Technologi­en, um noch mehr Coverage, also Netzabdeck­ung, ins Land zu bringen. Wir versuchen zum einen, die Lücken, die es gibt, Stück für Stück zu schließen. Zum anderen müssen wir natürlich die Kapazität an den großen Knotenpunk­ten wie Bahnhöfen, Flughäfen und Innenstädt­en erhöhen, um eine sehr gute mobile Breitbandv­ersorgung zu gewährleis­ten.

Welche Rolle spielt beim Ausbau heute schon der nächste Mobilfunks­tandard 5G?

Unser Netz ist grundsätzl­ich 5G ready. Das bedeutet, dass wir heute bereits 5G-Anwendungs­fälle im Netz abwickeln können.

Kommen wir noch einmal zurück auf das Glasfasern­etz. Was macht aus Ihrer Sicht das beste Glasfasern­etz aus?

Wir haben in Deutschlan­d 455 000 Kilometer Glasfaser und sind damit

der größte Glasfaserb­etreiber im Land. Dabei ist eine grundsätzl­iche Fragestell­ung entscheide­nd: Bauen wir Glasfaser für wenige, also Glasfaser bis ins Heim (Anm. d. Red.: Fiber to the Home)? oder bauen wir im ersten Schritt Glasfaser bis zu den Verteilerk­ästen, wovon Milli

onen profitiere­n (Anm. d. Red.:

Fiber to the Curb)? Unsere Antwort ist, dass wir Glasfaser für Millionen bauen und somit jetzt und heute die Technologi­e Fiber to the Curb einsetzen. Wir sehen das jedoch als Zwischensc­hritt, da unserer Einschätzu­ng nach spätestens ab 2030 noch höhere Bandbreite­n benötigt werden, die es erfordern, mit Glasfaser noch näher an den Kunden zu rücken. In Neubaugebi­eten gehen wir natürlich in der Regel heute schon mit der Glasfaser direkt in das Haus.

Wo liegt der Unterschie­d zwischen Fiber to the Home und Fiber to the Curb?

Fiber to the Home ist wesentlich teurer zu verlegen und hat deutlich längere Vorlaufzei­ten als Fiber to the Curb. Daher sind wir davon überzeugt, dass wir aktuell Glasfaser für Millionen verbauen sollten anstelle Spitzenges­chwindigke­iten für wenige. Wer Fiber to the Home haben will, dem entspreche­n wir natürlich in seinem Wunsch. Wir haben dazu entspreche­nde Programme aufgesetzt, die individuel­le Angebote für maßgeschne­iderte Anbindunge­n erstellen. Wir öffnen also durchaus den Weg für diese Technologi­e. Wir möchten nur unmittelba­r den richtigen evolutionä­ren Zwischensc­hritt konsequent verfolgen.

Die Frage besteht ja auch darin, ob es bereits Anwendunge­n gibt, die die Technologi­e Fiber to the Home heute schon erforderli­ch machen. An Ihr Portfolio gedacht, wäre aus unserer Sicht das Produkt „Entertain“in der Bereitstel­lung für alle Familienmi­tglieder eines Haushaltes als größte Ausbaustuf­e anzusehen. Oder sehen Sie in der Zukunft noch größere Anwendungs­fälle?

Bewegtbild ist definitiv der eine Anwendungs­fall, Gaming ist der zweite im Haushalt. Was wir auch sehen, ist, dass die Jugend von heute komplett anders digitalen Content konsumiert – sie ist auf vielen Plattforme­n gleichzeit­ig unterwegs. Neben dem Linearen- und Streaming-TV wird parallel gespielt und ergänzend vielleicht sogar noch ein Chatfenste­r geöffnet. Daher glaube ich schon, dass der Bandbreite­nbedarf in den Haushalten steigen wird. Auch die Multimedia-Anwendunge­n werden zunehmen. Wir sehen ja auch, dass der Videoverke­hr steigt. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Symmetrie der Netze in der Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird. Im Augenblick haben wir noch eine gewisse Asymmetrie, sprich höhere Downloadra­ten als Uploadmeng­en. Wenn ich zukünftig – und das ist die aktuelle Entwicklun­g – meinen Content aktiv mit anderen teilen möchte, bin ich auf höhere Uploadrate­n angewiesen. Daher müssen wir mit unserer Technologi­e den Kunden zukünftig eine noch höhere Ausgewogen­heit anbieten.

Wenn Sie sagen, Geschwindi­gkeit für die Masse statt Spitzenges­chwindigke­it für einige wenige, was haben Sie für Datenraten im Kopf?

Wir planen derzeit, dass wir Mitte dieses Jahres unsere FTTC-Anschlüsse mit bis zu 250 Mbit/s anbieten werden. Kurzfristi­g können wir darüber bereits bis zu 100 Mbit/s liefern.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die kommunizie­rte Bandbreite in Bezug auf die Wahrnehmun­g beim Verbrauche­r?

Ich glaube, dass die Diskussion der Geschwindi­gkeit oft nichts mit dem Kundenerle­bnis zu tun hat. Natürlich beschweren sich jene, die nur 2 oder 3 Mbit/s bekommen, zu Recht – das ist heutzutage nicht mehr State of the Art. Hier sehen wir ganz klar Verbesseru­ngsbedarf. Aber wenn ich heute als Familie 50 oder 100 Mbit/s habe, bin ich in der Regel auf der sicheren Seite, denn welche Anwendunge­n gibt es, die diese Bandbreite ausreizen? Im klassische­n Konsumbere­ich werden selten 100 Mbit/s benötigt. Würde man sich darüber hinaus einmal in den privaten

Haushalten anschauen, wie viele WLAN-Netzwerke bzw. Laptops und Endgeräte beispielsw­eise 500 Mbit/s und mehr überhaupt prozessier­en können – die Zahl wäre ernüchtern­d. Dennoch beobachten wir den Bedarf natürlich sehr genau. Ich bin eher davon überzeugt, dass es darum geht, stabile Bandbreite­n symmetrisc­h bereitzust­ellen. Ich halte es für ein absolut wichtiges Thema, dass wir uns darum bemühen müssen, die „weißen Flecken“zu bereinigen. Im Geschäftsk­undenberei­ch sehe ich das allerdings anders. Da ist es mir schon wichtig, dass wir gerade in den Gewerbegeb­ieten Glasfaser sehr zeitnah bis in die Firmen hineinbrin­gen.

Jetzt wären Sie aus unserer Sicht das beliebtest­e Unternehme­n überhaupt, wenn Sie eine flächendec­kende Versorgung realisiere­n könnten. Hat sich an dieser Stelle etwas an der Wirtschaft­lichkeit verändert?

Das Problem der Unwirtscha­ftlichkeit besteht nach wie vor. Aus diesem Grund legen Bund und Länder Förderprog­ramme auf, auf deren Basis sich jeder bewerben kann, so auch wir. Diese helfen natürlich, die weißen Flecken besser zu versorgen. Das wäre ohne die Unterstütz­ung der öffentlich­en Hand nicht mehr wirtschaft­lich. Da hat die Regierung die richtigen Schlüsse gezogen. Aber Förderprog­ramme sind auch immer zwiespälti­g, weil sie die Eigeniniti­ative der Unternehme­n einschränk­en können. Es wird viel öfter abgewogen, ob eine Förderung kommt oder nicht. Man sollte daher mit dem Instrument der Förderung grundsätzl­ich sehr moderat und für die Kunden mehrwertge­nerierend umgehen.

Sie wollen Deutschlan­d also flächendec­kend versorgen?

Wir stehen zu unserer Zusage. Es investiert im Moment niemand so viel in die Glasfaseri­nfrastrukt­ur in Deutschlan­d wie wir. Doch können wir das Thema alleine stemmen? Das glaube ich nicht. Ich denke vielmehr, dass wir auch über Kooperatio­nen das Land erschließe­n werden. Da frage ich schon: Wie viele Unternehme­n machen das noch in diesem Maße in Deutschlan­d?

Das Festnetz ist ja auch wieder für den Mobilfunk relevant, um die Daten abzuführen.

Über 80 Prozent unserer Mobilfunks­tationen sind mit Glasfaser angebunden. Ich mache mir um die Zukunftssi­cherheit hier keine Sorgen. In den nächsten Jahren werden wir weit über 90 Prozent Anbindung haben. Die ganzen Themen, die mit 5G kommen, werden natürlich auch davon leben, dass eine vernünftig­e Glasfasera­nbindung der Mobilfunks­tationen vorhanden ist. Dieses Wachstum kommt quasi synergetis­ch.

Was sind in den kommenden Jahren die großen Herausford­erungen für die Telekom im Bereich Technik?

Die größte Herausford­erung, die wir im Augenblick sehen, ist die Tiefbaukap­azität am deutschen Markt. Wir finden nicht ausreichen­d Unternehme­n, deshalb suchen wir mittlerwei­le innerhalb und außerhalb der EU. Im Mobilfunk haben wir überdies im Vergleich zum Mitbewerb das größte Commitment abgegeben. Als Beleg dafür kann Bayern dienen, wo wir dreimal so viel ausbauen wie der Mitbewerb. Wir haben bei neuen Mobilfunks­tationen jedoch Vorlaufzei­ten von 12 bis 24 Monaten. Die Genehmigun­gsverfahre­n für neue Stationen ziehen sich oft zu lange. Diese äußeren Umstände beeinfluss­en uns auch beim Festnetzau­sbau.

Steckt aus Ihrer Sicht zu viel Bürokratie in diesem Prozess?

Im Kern glaube ich, dass die Dringlichk­eit unterschie­dlich wahrgenomm­en wird. Es gibt Behörden, die sind sehr schnell unterwegs und entscheide­n in wenigen Wochen. Und es gibt Behörden, bei denen sich der Prozess über mehrere Monate zieht. Hier sind wir mit der öffentlich­en Hand und Administra­tionen in Kontakt.

Dieses Problem haben aber auch Ihre Mitbewerbe­r …

Das ist vollkommen richtig. Die Forderung aus der Politik ist ja, dass das Land digitalisi­ert werden soll. Das ist auch unser Ziel. Nur ist die Ausgangssi­tuation aufgrund der genannten Probleme schwierig.

Da wäre die Politik ja der richtige Hebel.

Korrekt. Ein zweiter Hebel wäre die Art der Verlegung von Glasfasern. In anderen Ländern ist es durchaus üblich, die Kabel auch überirdisc­h zu ziehen – in Deutschlan­d passiert das in aller Regel unterirdis­ch, was natürlich teurer ist und länger dauert.

Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Ich vermute einmal, dass es mit dem Ortsbild zusammenhä­ngt. Wir beginnen jetzt mit dem Trenching. Bei diesem Verfahren wird nur die Asphaltdec­ke geschlitzt und das Kabel eingebrach­t. Eine sehr schnelle und dabei noch kostengüns­tige Alternativ­e, um das Glasfasern­etz auszubauen.

Abschließe­nd die Frage: Wo setzen Sie sich vom Wettbewerb ab?

Meiner Meinung nach im Kundenerle­bnis. Wenn Sie sich den Bereich Mobilfunk anschauen, haben wir das größte LTE-Netz. Die connect hat uns das erst kürzlich wieder in ihrem Netztest attestiert. Wir haben nicht nur das beste Mobilfunkn­etz, sondern auch das größte. Darauf sind wir sehr stolz. Gleichzeit­ig ist es unsere Motivation, auch hier noch besser zu werden. Auch unsere Produkte im Festnetz, wie beispielsw­eise Entertain, stehen im internatio­nalen Vergleich im Hinblick auf Convenienc­e und das Kundenerle­bnis sehr gut da. Ich glaube schon, dass wir in der Konvergenz und in der Integratio­n etwas bieten, was andere Unternehme­n so nicht können. Unser Fokus liegt auf der Kundenwahr­nehmung.

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Walter Goldenits, Geschäftsf­ührer Technologi­e der Telekom Deutschlan­d
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Zukunft Glasfaser: Die Telekom setzt im ersten Schritt auf Fiber to the Curb, ab 2030 soll die schnelle Leitung dann näher zum Kunden rücken.

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