Android P
Dass Technologie nicht nur Probleme löst, sondern auch neue schafft, diese Tatsache ist endlich auch im Silicon Valley angekommen. Mit der neuen Android-Version P möchte Google uns Pausen vom Smartphone verschaffen.
Das Mega-Update bringt jede Menge Verbesserungen aufs Smartphone – und will für mehr Selbstkontrolle sorgen.
Mit dem Facebook-Datenskandal um Cambridge Analytica und Mark Zuckerbergs reumütigem Auftritt vor dem US-Kongress ist auch dem letzten Technik-Enthusiasten im Silicon Valley klar geworden, dass die neue digitale Welt nicht nur positive Seiten hat, sondern mit vielerlei Risiken verbunden ist, die vorher niemand bedacht hatte. Und seit die Tatsache ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist, dass die Kombination aus Smartphone und Social Media süchtig und anfällig für Meinungsmanipulation machen kann, haben die Tech-Firmen ein ImageProblem.
Neues digitales Wohlbefinden
Auf seiner jährlichen Entwicklerkonferenz I/O, die Anfang Mai im kalifornischen Mountain View stattfand, hat Google gezeigt, dass es die Botschaft verstanden hat. Das Unternehmen stellte das digitale Wohlbefinden („digital wellbeing“) in den Vordergrund und kreierte passend dazu einen neuen Marketing-Begriff: „JOMO“ist eine bewusste Abgrenzung zu „FOMO“(„Fear of missing out“), also der Angst, etwas zu verpassen. Man solle stattdessen Freude dabei empfinden, eben eine „Joy of missing out“. Damit das gelingt, enthält die auf der I/O erstmals prä- sentierte Android-Version P diverse Funktionen und Kontrollmöglichkeiten, die uns zu einem bewussteren Umgang mit dem Smartphone bewegen sollen. Das zentrale Element ist ein neues Dashboard, das Daten zum Nutzungsverhalten grafisch aufbereitet, also die vor dem Display verbrachte Zeit, die Nutzungsdauer bestimmter Apps, die Anzahl von Benachrichtigungen und vieles mehr. Auch der neue AppTimer spielt eine wichtige Rolle. Damit kann man einer App eine Zeitbeschränkung zuweisen. Wird das Limit überschritten, poppt eine entsprechende Warnmeldung auf und als mahnender Zeigefinger wird das App-Icon ausgegraut dargestellt. Der neue „Gute Nacht“-Modus will ebenfalls die mit dem Smartphone verbrachte Zeit reduzieren. Er wird automatisch zu festgelegten Zeiten aktiviert und schaltet das Display in eine Graustufendarstellung um. Das soll verhindern, dass man sich nachts noch lange Zeit im Bett mit dem Smartphone beschäftigt. Passend dazu wurde der „Bitte nicht stören“-Modus verfeinert. Er blockiert auch visuelle Unterbrechungen wie Benachrichtigungen und kann einfach aktiviert werden, indem man das Phone mit dem Display nach unten hinlegt.
Android wird noch schlauer
Eine weitere Hauptrolle spielten wie schon im letzten Jahr künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Für Android P hat Google mit dem Alphabet-Schwesterunternehmen Deep Mind eine Technologie entwickelt, um die Akkulaufzeit zu optimieren. Der „adaptive Akku“analysiert das Verhalten des SmartphoneBesitzers und lernt, welche Apps und Dienste er am häufigsten nutzt. Diese Apps bekommen ausreichend Leistungsreserven zugeteilt, während bei allen wenig bis gar nicht genutzten Apps die Ressourcen stark limitiert werden. Maschinelles Lernen setzt Android P auch für die neue „automatische Helligkeit“ein: Das System analysiert, wann man welche Displayhelligkeit einstellt und passt die Beleuchtung mit der Zeit automatisch an.
Auch die Bedienung ändert sich unter Android P. Eine Gestensteuerung mit einigen zentralen Wischgesten ersetzt weitgehend die altbekannte Navigationsleiste am unteren Rand. Der runde Home-Button schrumpft auf einen schmalen Balken zusammen. Durch ein Tippen darauf kommt der Nutzer auf den Android-Startbildschirm. Bewegt er den Balken nach oben, wird der App Drawer geöffnet. Durch ein Ziehen nach links oder rechts wird die Multitasking-Ansicht eingeblendet, sodass man zwischen den zuletzt genutzten Apps hin- und herspringen kann. Als Konsequenz wird in Android P der viereckige „App wechseln“-Button rechts nicht mehr angezeigt. Der linksseitige „Zurück“-Button verschwindet zwar nicht ganz, er wird aber nur noch kontextabhängig eingeblendet. Überarbeitet wurden zudem andere Bedienelemente wie etwa die Lautstärkeregelung und das Schnellzugriffsmenü. Gut zu wissen: Wer in puncto Steuerung lieber auf das bewährte System setzen will, kann die die neue Gestensteuerung in den Einstellungen deaktivieren.
Die Beta ist schon im Umlauf
Ein Novum ist die breite Verfügbarkeit der Beta-Version. Sie kann jetzt schon installiert und ausprobiert werden, bevor sie im Herbst freigegeben wird – und zwar nicht nur auf Googles Pixel-Serie, sondern auch auf anderen Smartphones, die Bestandteil von Googles Android-OneProgramm sind. Für Deutschland sind das unter anderem das Nokia 7 Plus, das Oneplus 6 und das Sony Xperia XZ2. Als Produktivsystem taugt Android P aber noch nicht.