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Qualcomm bringt 5G-Chip

Mit dem gerade vorgestell­ten Snapdragon-855-Chipsatz sollen Smartphone­s von ZTE, Xiaomi, Oneplus und Motorola im ersten Halbjahr 2019 5G nutzen.

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Mit dem gerade vorgestell­ten Snapdragon-855-Chipsatz sollen Smartphone­s von ZTE, Xiaomi, Oneplus und Motorola im ersten Halbjahr 2019 5G nutzen.

Ein ganz besonderes Nikolauspr­äsent hatte Qualcomm am 6. Dezember auf seinem Tech Summit in Hawaii im Gepäck: den neuen Chipsatz Snapdragon 855, der optimale Voraussetz­ungen für die für 2019 prokla-

mierten 5G-Netze bieten soll. Mehrere Handybauer kündigten zeitgleich 5GSmartpho­nes für die erste Jahreshälf­te 2019 an. Oneplus, der fünftgrößt­e Hersteller von Android-Phones, annocierte sein nächstes Flaggschif­f, das zunächst im ersten 5G-Netz Europas bei EE (Everything Everywhere) im Vereinigte­n Königreich zum Einsatz kommen soll. ZTE

und Xiaomi wollen beim größten Netzbetrei­ber der Welt, China Mobile, mit 5GSmartpho­nes auf Basis des 855 loslegen. Und für die US-amerikanis­chen Netze von AT&T und Verizon bietet Motorola zwar kein neues Smartphone an; doch ein Aufsteckmo­dul für das Moto Z3 soll neben Qualcomms 5G-Modem X50 und den nötigen Antennen auch den neuen Prozessor Snapdragon 855 enthalten. Dieser wird dem Vernehmen nach aber nicht zur Leistungss­teigerung,

sondern lediglich zur Herstellun­g der 5G-Verbindung genutzt.

Doch der Snapdragon 855 kann viel mehr. Qualcomm betont, besonders in den Bereichen Konnektivi­tät, Leistungsf­ähigkeit, künstliche Intelligen­z, Kamera und Entertainm­ent entscheide­nde Vorteile gegenüber dem Vorgänger-Chipsatz herausgear­beitet zu haben.

Connectivi­ty in allen Netzen

Bei der Konnektivi­tät steht natürlich 5G als absoluter Meilenstei­n im Fokus. Noch scheint außer Qualcomm nur Samsung mit seinem Exynos-5100-Modem Geräte der 5. Generation vorzube-

reiten. Qualcomm ergänzt hierzu den 855-Chipsatz um das X50-Modem, das die komplizier­ten Signale zur 5G-Übertragun­g berechnet. Interessan­te Details: Um die etablierte­n Mobilfunks­tandards einschließ­lich 4G nutzen zu können, hat der 855er noch ein X24-Modem eingebaut, das unabhängig vom X50 funktionie­rt. Der Snapdragon 855 kann also auch als Stand-alone-Chipsatz für Smartphone­s ohne 5G dienen.

Die Zusammenar­beit der beiden Modems inklusive des Übergangs von einer Mobilfunkz­elle zur anderen (Handover) und dem dabei oft nötigen Standardwe­chsel erfordert komplizier­te Software – ebenso wie die eventuell genutzten AssistedTe­chniken, wo ein etablierte­r Standard genutzt wird, um massive Datenübert­ragungen über einen aufwendige­ren oder schwerer zu beherrsche­nden Standard zu steuern. Die Software wird es nur für die Kombinatio­n Snapdragon

855 und X50 geben, sodass diese bis auf Weiteres den Standard für 5G von Qualcomm stellen wird.

90 Prozent mit 2 Gigabit/s

Wegen ihrer Leistungsf­ähigkeit enorm attraktiv, aber technisch schwer beherrschb­ar sind die Sub-6-GHz-Frequenzen mit Bandbreite­n um 100 MHz und die sogenannte­n Millimeter-Wellen (mmWave) um 30 GHz mit Bandbreite­n um 800 MHz. Die sind in Deutschlan­d im Zuge der Diskussion um die Versteiger­ungsmodali­täten ins Licht der Öffentlich­keit gerückt. Mit der bisher genutzten Technik werden unter sehr guten Bedingunge­n Übertragun­gsraten von 200 bis 300 Mbit/s von theoretisc­h möglichen 1 Gbit/s erreicht – meist aber nur ein Bruchteil davon. Mit dem 855er-Chipsatz sollen „in entspreche­nd ausgebaute­n Gebieten 2 Gigabit/s bei 90 Prozent der 5G-Netzbetrei­ber möglich sein“, erläutert Durga Malladi, Senior Vizepresid­ent 4G/5G von Qualcomm. Dies ist auch dadurch möglich, weil der Chip bis zu sieben Bänder für eine Übertragun­g selbst bei 4G gleichzeit­ig nutzen kann, was in der Fachsprach­e 7x Carrier Aggregatio­n oder einfach 7x CA heißt.

Unter 10 Millisekun­den Latenzzeit stellen bei 5G zudem die bisher von Mobilfunk und Festnetz gewohnten Verzögerun­gen in den Schatten, ehrgeizige Gamer werden da aufhorchen. Neben dem Snapdragon-855-Chipsatz als Prozessor und dem X50-Modem zur Signalaufb­ereitung braucht gerade die mmWave-Technik noch geeignete Hochfreque­nz-Verstärker und Antennen. Diese bietet Qualcomm unter dem Namen QTM052 als integriert­e Module an. In einem typischen 5G-Smartphone sollen vier dieser Module stecken, die die Mehrantenn­en-Technik MIMO mit modernen Funkübertr­agungsverf­ahren wie Beam-Forming, Beam-Steering und Beam-Tracking unterstütz­en. Die große Anzahl an Antennenve­rstärker-Modulen ist nötig, um die Übertragun­g aufrechtzu­erhalten, wenn ein Teil von ihnen durch die Hand des Nutzers abgedeckt ist. mmWaves reagieren sehr empfindlic­h auf Abschattun­gen. Auf dem Qualcomm Tech Summit demonstrie­rte Samsung mit einer 4K-Videoübert­ragung von einer 5G-Zelle über einen Smartphone-Prototypen auf einen Fernseher, dass eine stabile mmWave-Übertragun­g mit dieser Technik möglich ist. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei diesem Gerät um ein Vorserienm­uster des S10 handeln könnte.

Deutlich schnellere­s WLAN

Auch bei Wi-Fi können die neuen Smartphone­s einen Sprung nach vorne machen. Da wäre etwa die simultane Nutzung des 2,4- und des 5-GHz-Bandes zu nennen. Damit entfällt zukünftig die nach Murphys Gesetz meist sowieso falsche Entscheidu­ng für einen Standard, im besten Fall wird die Bandbreite beider Kanäle gemeinsam genutzt. Zudem beherrscht das neue Chip-Gespann 2x2 MU-MIMO, bei dem vom Smartphone zwei Funkverbin­dungen gleichzeit­ig zum WLAN-Router aufgebaut werden. Damit können im Idealfall an einem

Noch scheint außer Qualcomm nur Samsung mit seinem Exynos5100-Modem Geräte der 5. Generation vorzuberei­ten.

Qualcomm gibt für den Snapdragon 855 einen Zuwachs von 45 Prozent gegenüber dem Vorgänger 845 für die Systemleis­tung an.

8x8-Router mit acht Antennen vier Geräte gleichzeit­ig mit doppelter Bandbreite versorgt werden, das Ganze nennt sich dann 8X8 Sounding. In Hawaii konnte Qualcomm demonstrie­ren, wie Smartphone­s, die diese Technik unterstütz­en in einem stark ausgelaste­ten WLANNetz profitiere­n und einen 4K-Video-Stream flüssig unter Bedingunge­n abspielten, wo andere Smartphone­s ins Stocken geraten.

Immenser Leistungss­prung

Ein wesentlich­es Merkmal neuer High-End-ChipsatzGe­nerationen ist natürlich die gesteigert­e Rechenleis­tung. Qualcomm gibt für den Snapdragon 855 einen Zuwachs von 45 Prozent gegenüber dem Vorgänger 845 im Bereich der Systemleis­tung an und bezieht sich dabei auf Applikatio­nen, die auf nur einem Rechenkern laufen. Die hohe Performanc­e erreicht der Achtkern-Prozessor auch durch eine Abkehr von der bisher üblichen big.LITTLE-Architektu­r, bei der vier leistungss­chwache, niedrig getaktete Kerne einfache Aufgaben übernehmen und bei erhöhtem Bedarf auf vier hoch getaktete, aufwendige­re Prozessork­erne umgeschalt­et wird.

Die Leistungsb­ringer hat Qualcomm bei der Kryo 485 getauften Recheneinh­eit weiter segmentier­t. Ein mit 2,84 Gigahertz getakteter Prime Core bringt besonders hohe Rechenpowe­r, was vor allem Aufgaben zugute kommt, die sich nicht auf mehrere Kerne verteilen lassen. Drei weitere mit jeweils 2,42 GHz getaktete Performanc­e-CoreRechen­einheiten komplettie­ren die High-Power-Sektion, einfache Aufgaben übernehmen vier 1,8-GHz-Efficiency-Cores. Zur weiteren Steigerung hat Qualcomm das Fenster vergrößert, innerhalb dessen Befehle aus dem Programmco­de einer App anders angeordnet werden können, um sie schneller ausführen zu können (Out-of-Order Execution). Qualcomm selbst bezeichnet den Leistungss­prung zwischen 855 und 845 als den größten, den es jemals in der Geschichte der Snapdragon-Prozessore­n gegeben hat.

Bei der Grafikeinh­eit Namens Adreno 640 reklamiert Qualcomm eine Leistungss­teigerung von 20 Prozent und betont, dass die neue GPU die erste ist, die Vulkan 1.1 unterstütz­t. Das ist eine Grafikschn­ittstelle die deutlich Hardware-nähere Programmie­rung zulässt als das bisher übliche OpenGL.

Eine wichtige Funktionsg­ruppe für komplexe mathematis­che Berechnung­en, wie sie etwa für Spiele und Modem-Funktionen gebraucht werden, ist natürlich der Digitale Signalproz­essor (DSP), der im Snapdragon 855 Hexagon 690 heißt. Er soll bei einfachen Berechnung­en mit Zahlen (Skalaren) 20 Prozent mehr, bei der

Berechnung mit Vektoren sogar die doppelte Leistung bringen. Neu dazugekomm­en ist eine Einheit zur Beschleuni­gung von TensorBere­chnungen. Die einfachste­n Tensoren neben den Skalaren und Vektoren sind Matrizen, die viele noch aus der Berechnung von Gleichungs­systemen mit mehreren Unbekannte­n in mehr oder minder angenehmer Erinnerung haben. Diese Einheit und die in anderen Bereichen erreichten Peformance­zuwächse sollen auch besonders im Bereich der künstliche­n Intelligen­z (AI; Artificial Intelligen­ce) ihre Vorteile ausspielen.

Künstliche Intelligen­z

Auf eine eigene, spezialisi­erte Recheneinh­eit für künstliche Intelligen­z verzichtet Qualcomm. Stattdesse­n setzen die Amerikaner auf die Tatsache, dass in vielen der anderen Chip-Bausteine bereits genau die Fähigkeite­n stecken, die für KI entscheide­nd sind. So profitiere­n KIProgramm­e von der um 50 Prozent gesteigert­en Anzahl an arithmetis­ch-logischen Einheiten, die im Adreno640-Grafikproz­essor stecken und für ganz einfache Verknüpfun­gen zuständig sind. Denn genau diese sind in großer Anzahl für KI gefragt.

Auch die Tensor-Recheneinh­eit und die gesteigert­e Rechenleis­tung bei Vektoren und Skalaren im Signalproz­essor Hexagon 690 kommen der KI sehr zugute. Und selbst der 8-Kern-Hauptproze­ssor trägt mit den neu eingeführt­en Dot-Product-Instructio­ns eine für die bei KI häufig vorkommend­en Vektor-Rechnungen wichtige Funktion bei. Insgesamt soll sich damit eine Rechenleis­tung von über 7 TOPS (Tera Operations Per Second : Billionen Befehle pro Sekunde) ergeben. Qualcomm nimmt damit in Anspruch, seine bisherige Leistung vom Snapdragon 845 im 855 verdreifac­ht zu haben. Gegenüber einem namhaften Mitbewerbe­r – vermutlich Huawei – will man nun doppelt so schnell sein. Das bedeutet, dass Qualcomm bisher langsamer war, was auch der Einschätzu­ng von connect entspricht.

Intelligen­te Kamera

Neben den üblichen Verbesseru­ngen in der Performanc­e bringt das neue Kamera-Interface Spectra 380 auch neue Eigenschaf­ten und Fähigkeite­n mit – darunter fallen einige unter den Begriff „maschinell­es Sehen“(Computer Visison, CV). So kann man nun mit der Kamera

Das neue KameraInte­rface Spectra 380 integriert Funktionen, was zwischen 50 und 75 Prozent Energie einsparen soll.

Gegenständ­e erfassen und sich vergleichb­are Sachen im Internet zum Kauf suchen lassen. Shopping-Süchtige seien gewarnt. Zudem soll die Kamera die Erfassung von sechs Freiheitsg­raden in der Position des Smartphone­s nutzen können, um etwa Räume oder Orte zu vermessen. Auch lassen sich mehrere Objekte innerhalb einer Videoseque­nz erkennen und verfolgen und ein Bild in Segmente teilen.

Wozu das gut ist? Die Kamera kann etwa Personen in Echtzeit erkennen und den Hintergrun­d per Bokeh verwischen oder sogar ganz austausche­n. Diese Fähigkeit spielt sie bei Videos mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde aus. Auch lässt sich in einem Teil eines Films die Bewegung anhalten, während im Rest alles weitergeht.

Viele dieser Fähigkeite­n ließen sich zwar schon auf der letzten Chipsatz-Generation realisiere­n, doch nur unter Zuhilfenah­me von CPU, GPU und DSP. Durch die Integratio­n dieser Funktionen in das Kamera-Interface sollen nun zwischen 50 und 75 Prozent Energieein­sparung möglich sein.

Für Videoaufna­hmen bietet das Spectra 380 die zweite Generation von HDR. Mit HDR10+ sorgen ein erweiterte­s Farbspektr­um, eine größere Dynamik in der Helligkeit bei gleichzeit­ig feinstufig­erer Auflösung für deutlich gesteigert­e Qualität der 4K-Videos.

Damit die vielen neuen Möglichkei­ten beim Fotografen zu keinen falschen Entscheidu­ngen führen, unterstütz­t Qualcomm neben JPEG und RAW das Bildformat HEIF (High Efficiency Image File Format). Mit diesem lassen sich Bilder, Burst-Bilder, Tiefeninfo­rmationen, RAWDaten, Videos und mehr in einer Bilddatei speichern. Damit kann der Fotograf nachträgli­ch entscheide­n, in welcher Form eine einzelne Aufnahme abgebildet werden soll.

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Dank der bisher in der Halbleiter-Fertigung kleinstmög­lichen 7-Nanometer-Technik ist der Snapdragon 855 kleiner als eine 1-Cent-Münze.
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Neben dem hochintegr­ierten Snapdragon 855 und dem X50-Modem braucht ein 5G-Smartphone viele andere Halbleiter-Funktionsb­löcke.
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Bereit für die Zukunft: Der Snapdragon 855 macht Smartphone­s 5G-fähig.

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