Smartphone-Trends 2019
Das Smartphone-Jahr 2019 wird nicht einfach bestehende Entwicklungen fortschreiben. Es werden die Weichen für eine Zukunft gestellt, wie wir sie nur aus Science-Fiction-Filmen kennen.
Das faltbare Display wird endlich Realität, Festkörperakkus revolutionieren die Energieversorgung und 5G den ganzen Markt – lesen Sie, was 2019 wichtig wird.
Um unsere Dekade zu beschreiben, zieht Toby Walsh gerne den Vergleich mit den Anfängen der industriellen Revolution. Der Australier ist einer der führenden Experten für künstliche Intelligenz und prophezeit für unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren ähnlich dramatische Veränderungen wie beim Sprung vom Agrar- ins Industriezeitalter. Dabei blickt er optimistisch in die Zukunft. Seine Prognose: KI wird genauso viele Arbeitsplätze schaffen wie vernichten – auch die industrielle Revolution habe den Menschen über mehrere Generationen hinweg mehr Wohlstand gebracht. Man muss diesen positiven Glauben an Technologie nicht teilen, aber auch Skeptiker werden anerkennen, dass wir vor einer Zeitenwende stehen.
Neue Infrastruktur für das Netz
Künstliche Intelligenz ist dabei nur ein Baustein der Entwicklung, wenn auch ein zentraler. Intelligente Software ist jetzt schon in vielen Lebensbereichen präsent, von der simplen Goog- le-Suche bis hin zur Optimierung der Verarbeitungsprozesse in der Industrie. Mindestens genauso wichtig ist aber die Netzwerk-Infrastruktur. Denn erst, wenn sich die Daten, die von einer Vielzahl neuer Sensoren gesammelt werden, ohne großen Aufwand und in Echtzeit in der Cloud auswerten lassen, kann KI seinen Effizienzvorteil ausspielen. Der autonome Traktor, der den Acker zentimetergenau und mit einem auf jede Bodenwelle angepassten Düngergemisch bewirtschaftet, fährt nur, wenn das Netz stabil ist. 5G ist hier das Schlagwort, das 2019 in aller Munde sein wird. Der neue Netzstandard ist in vielerlei Hinsicht revolutionär, für Arndt Polifke von der GfK (Interview auf Seite 16) und andere Experten ist er die Basis für Technologien, die wir uns heute nur im Ansatz vorstellen können.
Im Hinblick auf die rasant fortschreitende Digitalisierung ist absehbar, dass das Smartpho-
ne in den nächsten Jahren noch wichtiger wird. Das Smart Home braucht eine Steuerzentrale, das Car Sharing ein Interface, um ein Auto zu finden und abzurechnen. Bezahlen werden wir auch in Deutschland zunehmend mit dem Smartphone – der gerade gestartete Dienst Apple Pay zeigt exemplarisch die Vorteile. Denn über das iPhone wechseln nicht nur Geldbeträge den Besitzer. Auch Tickets für den FC Bayern, die man mit Apple Pay bezahlt, landen direkt in der Wallet. Andere werden folgen.
Das Zentrum der Vernetzung
Die wachsende Bedeutung des Smartphones spiegelt sich auch im Kaufverhalten wieder: Immer mehr Menschen greifen zu High-End-Modellen, sind also bereit, mehr Geld auszugeben. Für die Hersteller heißt das, dass sie ihre Technologien mit noch höherem Tempo weiterentwickeln müssen. „Innovationen sind gefragter denn je und werden zudem durch die gesunde Wettbewerbssituation innerhalb des Smartphone-Markts begünstigt. Der Profiteur dieser Situation ist der Verbraucher“, erklärt Mario Winter, der bei Samsung Mobile Deutschland das Marketing verantwortet. Für ihn ist das Smartphone die „Universalfernbedienung des digitalen Lebens“, das seine Bedeutung vor allem in Verbindung mit anderen vernetzten Geräten ausspielt. Für die Zukunft sieht er sein Unternehmen gut aufgestellt und verweist auf die breite Produktpalette: „Bis 2020 werden Geräte von Samsung nicht nur IoT-
fähig, sondern auch mit KI ausgestattet sein. So wird Bixby zur Informationsplattform für Smartphones, Smart TVs, Beleuchtung, Staubsauber, Kühlschränke und Lautsprecher im Smart Home.“
Bewegung nach zehn Jahren
Aber auch das Smartphone selbst wird sich weiterentwickeln, hier könnte das Jahr 2019 sogar einen Wendepunkt markieren. Denn mit dem faltbaren Smartphone (siehe Kästen Seite 12/13) hält endlich ein neuer Formfaktor Einzug in eine Branche, in der in Sachen Design seit zehn Jahren nicht viel passiert ist. Das wird sich auch auf die Software und Funktionalität einzelner Komponenten auswirken – die Unterteilung zwischen Front- und Hauptkamera etwa fällt weg. Falt-Phones werden 2019 zwar noch ein teures Nischenprodukt sein. Der bereits angesprochene Innovationsdruck dürfte aber dafür sorgen, dass sie relativ schnell zum Massenprodukt avancieren.
Parallel dazu entwickeln sich die aktuellen Displays weiter: Die „Notch“, die markante Einkerbung auf einer Frontseite, die ansonsten fast vollständig vom Display bedeckt ist, wird bis hinunter in den Einsteigerbereich wandern. Gleichzeitig werden wir in der Oberklasse Smartphones sehen, die vorne nur noch aus Display bestehen. Für die Frontkamera und die Sensorik ist ein Loch in den oberen Bereich des Displays gestanzt. Die ersten „gelochten“Phones wurden bereits vorgestellt. >>
Computer Vision und Interface
Bei den Kameras wird es ähnlich dynamisch weitergehen wie bei den Displays. Der Trend zu mehreren Optiken ist ungebrochen. Hinzu kommt, dass die Kamera eng mit einem weiteren wichtigen Trendthema verknüpft ist: Maschinelles Sehen (Computer Vision) ermöglicht es, dass das Smartphone mittels moderner KI-Algorithmen und KI-Hardware Objekte selbstständig erkennt, segmentiert und vermisst. Mit der Smartphone-Kamera ein Kleidungsstück anzuvisieren und im nächsten Schritt im Onlineshop zu bestellen, gehört noch zu den banaleren Anwendungsszenarien. Für Richard Yu, den Chef der Smartphone-Sparte von Huawei, wird damit auch das Interface, die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, grundlegend verändert: Das Phone erkennt die Stimmungen des Besitzers und kann darauf eingehen. Das wird aber noch ein paar Jahre dauern. 2019 werden wir zunächst präzisere Übersetzungs- und Erkennungsdienste sehen, genauso wie neue kreative Möglichkeiten bei Fotos und Videos. Auch Augmented Reality wird durch Computer Vision einen Sprung erleben.
Das Smartphone ist also längst nicht zu Ende entwickelt, vielmehr drängt es mit einer neuen Dynamik nach vorne. Was faltund rollbare Displays in Kombination mit 5G und kreditkartendünnen Festkörperakkus (siehe Seite 15) schon bald ermöglichen, das macht Science Fiction zur Realität.