Der Kampf um 5g
Wieso die Mobilfunknetzbetreiber mit Bundesnetzagentur und Politik im Clinch liegen.
Deutschland will der Leitmarkt für 5G in Europa werden, doch schon bei den Vergaberegeln für die anstehende Frequenzauktion liegen Politik und Netzbetreiber über Kreuz. Droht Deutschland ein 5G-Desaster? „Ich habe prinzipiell nichts gegen weitere Netze in Deutschland. Nur: Bei der Auktion für den 5GStandard muss jeder Bieter gleichberechtigt sein. Jeder, der an der Auktion teilnimmt, muss sein eigenes Netz aufbauen. “
Tim Höttges, CEO der Telekom, gegenüber der Funke Mediengruppe
Das Jahr fängt mal wieder gut an. Abseits der chaotischen EU-Austrittspläne des Vereinigten Königreichs herrscht auch hierzulande keine Ruhe im Karton. Die bevorstehende 5G-Frequenzauktion spaltet Politik und Wirtschaft.
Bis 2021: 99 Prozent Abdeckung
Immer mehr Stimmen fordern vehement eine lückenlose Mobilfunkabdeckung. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine „flächendeckende Infrastruktur von Weltklasse“versprochen und will die Netzbetreiber nun stärker in die Pflicht nehmen. Bundesinfrastrukturminister Andreas Scheuer, der den Funklöchern gar via App den Kampf angesagt hat, konnte dazu bislang mäßige Erfolge beisteuern:
Auf dem von ihm im Juli 2018 medienwirksam einberufenen Mobilfunkgipfel konnte er die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland gerade mal dazu bewegen, die bis Ende 2021 ohnehin verpflichtenden 98 Prozent LTEAbdeckung auf 99 Prozent zu steigern. Die Netzbetreiber machten Minister Scheuer auf dem Gipfeltreffen aber unmissverständlich klar, dass die Umsetzung ihrer Absichtserklärung von den Rahmenbedingungen der anstehenden Frequenzauktion abhängig sei.
USA und Asien sind 5GVorreiter
Fakt ist, dass die Nachbarländer allein schon bei der LTE-Versorgung Deutschland weit abgehängt haben: „Während in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz fast alle Netzbetreiber einen LTE-Anteil von mehr als 90 Prozent bieten, kommt die Telekom in Deutschland gerade mal auf einen LTE-Anteil von 75 Prozent“, heißt es in einer aktuellen Studie, die unser langjähriger Netztest-Kooperationspartner P3 im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen durchgeführt hat. Damit sehen sich vor allem Regierungskritiker bestätigt, die in der Bundesrepublik alles andere als einen Vorreiter in puncto 5G-Ausbau sehen. Und in der Tat: Während in Deutschland noch über die Vergaberegeln gestritten wird, betreiben die USA die ersten 5G-Netze. Südkorea plant, den LTE-Nachfolger noch 2019 flächendeckend auszubauen, und auch Japan will dieses Jahr mit dem Rollout starten.
Bund macht Druck
An das 5G-Netz knüpfen Politik und Industrie gleichermaßen hohe Erwartungen: Schließlich gilt der Standard, der Daten mit bis zu 10 Gbit/s übertragen kann und Latenzen unter einer Millisekunde bietet, als Schlüsseltechnologie der Gigabit-Gesellschaft. Autos und Maschinen sollen künftig in Echtzeit untereinander kommunizieren. Mit der 5G-Technik entfalten künstliche Intelligenz, E-Health und das Internet der Dinge ihre volle Leistungskraft. Bis 2022 rechnet man mit bis zu 50 Milliarden vernetzten Geräten weltweit. Die Weichen für den digitalen Quantensprung will der Bund mit der Vergabe der 5GFrequenzen stellen und setzt dabei auf den Regulierer: Die Bundesnetzagentur hat nach ihrem ersten Entwurf die Auflagen zur Ersteigerung mit einem Beschluss Ende November 2018 weiter verschärft. Laut Fahrplan sollen bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, alle Autobahnen sowie die wichtigsten Bundesstraßen und Zugstrecken mit mindestens 100 Mbit/s versorgt werden. Für die Mobilfunknetze an Autobahnen und Bundesstraßen gilt erstmalig eine Latenzvorgabe von 10 Millisekunden. In der nächsten Ausbaustufe soll dann bis Ende
„Die angedachte goldene Brücke für einen vierten Netz betreiber ist für Internet Deutschland eine Sackgasse.”“
Hannes Ametsreiter,
CEO Vodafone Deutschland
2024 die Abdeckung der restlichen Straßen und Schienenstrecken so wie der Wasserwege und Seehäfen mit mindestens 50 Mbit/s folgen (siehe Grafik unten).
Zudem wird jeder Bieter dazu verpflichtet, bis Ende 2022 1000 5GBasisstationen sowie 500 An tennen, die mindestens 100 Mbit/s liefern, in den nicht versorgten so genannten „weißen Flecken“zu errichten. Die Auswahl der Stand orte erfolgt in Abstimmung mit den Bundesländern.
Alle drei Netzbetreiber klagen
Dabei werden zunächst die Fre quenzen im Bereich von 2 und 3,6 Gigahertz versteigert, die zwar ho he Datenraten garantieren, doch wegen der kurzen Reichweite nicht für den flächendeckenden Ausbau geeignet sind. Dafür müssten viel mehr Funkmasten errichtet werden, als der Regulierer vorsieht. Doch gegen Antennenwälder laufen er fahrungsgemäß Bürgerinitiativen Sturm. Auch drohen begrenzte Baukapazitäten und bürokratische Hürden den Netzausbau zu verzö gern, heißt es seitens der Telekom. Die hat nach Telefónica und Voda fone ebenfalls gegen die Vergabe regeln geklagt. Alle drei Player hal ten die Versorgungsauflagen für überzogen und teilweise unrealis tisch. Sie fordern faire Rahmenbe dingungen und Rechtssicherheit, um die notwendigen Milliarden für den Ausbau der BreitbandInfra struktur zu stemmen. Für den zügi gen 5GRollout sind neben Mobil funk auch schnelle Glasfasernetze entscheidend. Insbesondere gegen den Streitpunkt „National Roa ming“laufen die Netzbetreiber Sturm. Kunden, die in einem Funk loch stecken, sollen automatisch in das Netz eines Wettbewerbers um geleitet werden. Die Angst der gro ßen Drei: Damit würde Anbietern wie United Internet oder Freenet, die keine eigene Infrastruktur un terhalten, der Einstieg ins teure 5G Netz besonders leicht gemacht. Die Telekom sieht damit ihre Investitio nen in teure Funkmasten entwertet. Fraktionsmitglieder unterschied licher Parteien wiederum würden die Netzbetreiber am liebsten dazu verpflichten, der Konkurrenz den Netzzugang zu gewähren.
Das sieht das Regelwerk der Bundesbehörde nicht vor: Den Be treibern wird nur auferlegt, auf frei williger Basis über Kooperationen mit den Wettbewerbern zu verhan deln. Dem Regulierer fällt die Schlichterrolle zu. Verbraucher
„Es kann nicht sein, dass wir gezwungen werden, anderen Unternehmen Zugang zu unserem Netz zu gewähren, obgleich diese selbst nichts in die Netze investiert haben.“
Markus Haas,
CEO Telefónica Germany
„Wir hätten uns in den Vergabebedingungen ein stärkeres Bekenntnis zu mehr Wettbewerb gewünscht.
Als Neueinsteiger würden wir direkt in ein leistungs fähiges 5GNetz investieren – anders als das bestehende
Oligopol der Netzbetreiber, die ihre vorhandenen Antennenstandorte schrittweise aufrüsten werden.“
Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender United Internet
schützer kritisieren die Regelung als zu lasch: „Funklöcher und Verbraucherfrust sind wie schon beim LTE-Standard vorprogrammiert, solange nicht flächendeckend ausgebaut wird“, so Lina Ehrig, Leiterin im Team Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Wenn für Verbraucher keine zusätzlichen Kosten entstehen, könnten die Anbieter zudem zeitweise verpflichtet werden, ihre Netze der Konkurrenz, also dritten Anbietern, kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen, um Versorgungslücken zu schließen.“Auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier meldet sich zu Wort, warnt vor der digitalen Spaltung, die sich durch die Unterversorgung auf dem Land abzeichnet, und droht den Mobilfunkern mit Konsequenzen, falls sie die Auflagen nicht erfüllen. „Jedes Funkloch ist ein Unding in einem Hochtechnologieland wie Deutschland,“gab er zu Protokoll.
United Internet steigt ein
Minister Scheuer, der sich noch vor Kurzem gegen National Roaming ausgesprochen hat, denkt inzwischen darüber nach, wie man lokales Roaming nun doch anhand einer Novelle im TK-Gesetz verankern kann. Indes hat die UnitedInternet-Tochter 1&1, die ebenfalls gegen die Auktionsbedingungen vor Gericht gezogen ist und den Zugang zu fremden Netzen fordert, die Teilnahme an der 5G-Auktion bestätigt. Für Neueinsteiger gelten dabei Sonderregeln: Sie sind veranlasst, bis Ende 2023 mindestens 25 Prozent und bis Ende 2025 mindes- tens 50 Prozent der Haushalte zu versorgen. Wer nur 3,6-GigahertzFrequenzen erwirbt, verpflichtet sich, bis Ende 2025 mindestens 25 Prozent der Haushalte zu versorgen und bis Ende 2025 mindestens 1000 5G-Basisstationen in Betrieb zu nehmen. Ein Viertel des Spektrums im 3,4- bis 3,8-GigahertzBereich hat die Netzbehörde für regionale und lokale Netze reserviert. So können etwa Autohersteller oder Landwirtschaftsbetriebe, aber auch Universitäten unabhängig von Providern in Eigenregie lokale 5G-Netze vertreiben. Das wiederum schmeckt den Netzmogulen ganz und gar nicht – sie warnen, dass mit der Vergabe an lokale Anbieter unnötig Kapazitätsengpässe geschaffen werden.
Milliarden für die Staatskasse
Die Auktion soll frühestens Ende März starten. Der Bund rechnet angeblich mit bis zu zehn Milliarden Euro an Einnahmen – die den Netzbetreibern nachher wieder für den Ausbau fehlen. Die aktuell zu vergebenden Frequenzen sind bis 2040 gültig. Ende 2025 werden Frequenzen im Bereich von 800 MHz, 1,8 und 2,6 GHz frei, die auch größere Flächen abdecken können. Dann geht’s in die nächste Runde …