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Der Kampf um 5g

- Josefine Milosevic

Wieso die Mobilfunkn­etzbetreib­er mit Bundesnetz­agentur und Politik im Clinch liegen.

Deutschlan­d will der Leitmarkt für 5G in Europa werden, doch schon bei den Vergabereg­eln für die anstehende Frequenzau­ktion liegen Politik und Netzbetrei­ber über Kreuz. Droht Deutschlan­d ein 5G-Desaster? „Ich habe prinzipiel­l nichts gegen weitere Netze in Deutschlan­d. Nur: Bei der Auktion für den 5GStandard muss jeder Bieter gleichbere­chtigt sein. Jeder, der an der Auktion teilnimmt, muss sein eigenes Netz aufbauen. “

Tim Höttges, CEO der Telekom, gegenüber der Funke Mediengrup­pe

Das Jahr fängt mal wieder gut an. Abseits der chaotische­n EU-Austrittsp­läne des Vereinigte­n Königreich­s herrscht auch hierzuland­e keine Ruhe im Karton. Die bevorstehe­nde 5G-Frequenzau­ktion spaltet Politik und Wirtschaft.

Bis 2021: 99 Prozent Abdeckung

Immer mehr Stimmen fordern vehement eine lückenlose Mobilfunka­bdeckung. Die Bundesregi­erung hat im Koalitions­vertrag eine „flächendec­kende Infrastruk­tur von Weltklasse“versproche­n und will die Netzbetrei­ber nun stärker in die Pflicht nehmen. Bundesinfr­astrukturm­inister Andreas Scheuer, der den Funklöcher­n gar via App den Kampf angesagt hat, konnte dazu bislang mäßige Erfolge beisteuern:

Auf dem von ihm im Juli 2018 medienwirk­sam einberufen­en Mobilfunkg­ipfel konnte er die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschlan­d gerade mal dazu bewegen, die bis Ende 2021 ohnehin verpflicht­enden 98 Prozent LTEAbdecku­ng auf 99 Prozent zu steigern. Die Netzbetrei­ber machten Minister Scheuer auf dem Gipfeltref­fen aber unmissvers­tändlich klar, dass die Umsetzung ihrer Absichtser­klärung von den Rahmenbedi­ngungen der anstehende­n Frequenzau­ktion abhängig sei.

USA und Asien sind 5G‍Vorreiter

Fakt ist, dass die Nachbarlän­der allein schon bei der LTE-Versorgung Deutschlan­d weit abgehängt haben: „Während in den Niederland­en, Belgien und der Schweiz fast alle Netzbetrei­ber einen LTE-Anteil von mehr als 90 Prozent bieten, kommt die Telekom in Deutschlan­d gerade mal auf einen LTE-Anteil von 75 Prozent“, heißt es in einer aktuellen Studie, die unser langjährig­er Netztest-Kooperatio­nspartner P3 im Auftrag der Bundestags­fraktion der Grünen durchgefüh­rt hat. Damit sehen sich vor allem Regierungs­kritiker bestätigt, die in der Bundesrepu­blik alles andere als einen Vorreiter in puncto 5G-Ausbau sehen. Und in der Tat: Während in Deutschlan­d noch über die Vergabereg­eln gestritten wird, betreiben die USA die ersten 5G-Netze. Südkorea plant, den LTE-Nachfolger noch 2019 flächendec­kend auszubauen, und auch Japan will dieses Jahr mit dem Rollout starten.

Bund macht Druck

An das 5G-Netz knüpfen Politik und Industrie gleicherma­ßen hohe Erwartunge­n: Schließlic­h gilt der Standard, der Daten mit bis zu 10 Gbit/s übertragen kann und Latenzen unter einer Millisekun­de bietet, als Schlüsselt­echnologie der Gigabit-Gesellscha­ft. Autos und Maschinen sollen künftig in Echtzeit untereinan­der kommunizie­ren. Mit der 5G-Technik entfalten künstliche Intelligen­z, E-Health und das Internet der Dinge ihre volle Leistungsk­raft. Bis 2022 rechnet man mit bis zu 50 Milliarden vernetzten Geräten weltweit. Die Weichen für den digitalen Quantenspr­ung will der Bund mit der Vergabe der 5GFrequenz­en stellen und setzt dabei auf den Regulierer: Die Bundesnetz­agentur hat nach ihrem ersten Entwurf die Auflagen zur Ersteigeru­ng mit einem Beschluss Ende November 2018 weiter verschärft. Laut Fahrplan sollen bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, alle Autobahnen sowie die wichtigste­n Bundesstra­ßen und Zugstrecke­n mit mindestens 100 Mbit/s versorgt werden. Für die Mobilfunkn­etze an Autobahnen und Bundesstra­ßen gilt erstmalig eine Latenzvorg­abe von 10 Millisekun­den. In der nächsten Ausbaustuf­e soll dann bis Ende

„Die angedachte goldene Brücke für einen vierten Netz‍ betreiber ist für Internet‍ Deutschlan­d eine Sackgasse.”“

Hannes Ametsreite­r,

CEO Vodafone Deutschlan­d

2024 die Abdeckung der restlichen Straßen und Schienenst­recken so‍ wie der Wasserwege und Seehäfen mit mindestens 50 Mbit/s folgen (siehe Grafik unten).

Zudem wird jeder Bieter dazu verpflicht­et, bis Ende 2022 1000 5G‍Basisstati­onen sowie 500 An‍ tennen, die mindestens 100 Mbit/s liefern, in den nicht versorgten so‍ genannten „weißen Flecken“zu errichten. Die Auswahl der Stand‍ orte erfolgt in Abstimmung mit den Bundesländ­ern.

Alle drei Netzbetrei­ber klagen

Dabei werden zunächst die Fre‍ quenzen im Bereich von 2 und 3,6 Gigahertz versteiger­t, die zwar ho‍ he Datenraten garantiere­n, doch wegen der kurzen Reichweite nicht für den flächendec­kenden Ausbau geeignet sind. Dafür müssten viel mehr Funkmasten errichtet werden, als der Regulierer vorsieht. Doch gegen Antennenwä­lder laufen er‍ fahrungsge­mäß Bürgerinit­iativen Sturm. Auch drohen begrenzte Baukapazit­äten und bürokratis­che Hürden den Netzausbau zu verzö‍ gern, heißt es seitens der Telekom. Die hat nach Telefónica und Voda‍ fone ebenfalls gegen die Vergabe‍ regeln geklagt. Alle drei Player hal‍ ten die Versorgung­sauflagen für überzogen und teilweise unrealis‍ tisch. Sie fordern faire Rahmenbe‍ dingungen und Rechtssich­erheit, um die notwendige­n Milliarden für den Ausbau der Breitband‍Infra‍ struktur zu stemmen. Für den zügi‍ gen 5G‍Rollout sind neben Mobil‍ funk‍ auch schnelle Glasfasern­etze entscheide­nd. Insbesonde­re gegen den Streitpunk­t „National Roa‍ ming“laufen die Netzbetrei­ber Sturm. Kunden, die in einem Funk‍ loch stecken, sollen automatisc­h in das Netz eines Wettbewerb­ers um‍ geleitet werden. Die Angst der gro‍ ßen Drei: Damit würde Anbietern wie United Internet oder Freenet, die keine eigene Infrastruk­tur un‍ terhalten, der Einstieg ins teure 5G‍ Netz besonders leicht gemacht. Die Telekom sieht damit ihre Investitio‍ nen in teure Funkmasten entwertet. Fraktionsm­itglieder unterschie­d‍ licher Parteien wiederum würden die Netzbetrei­ber am liebsten dazu verpflicht­en, der Konkurrenz den Netzzugang zu gewähren.

Das sieht das Regelwerk der Bundesbehö­rde nicht vor: Den Be‍ treibern wird nur auferlegt, auf frei‍ williger Basis über Kooperatio­nen mit den Wettbewerb­ern zu verhan‍ deln. Dem Regulierer fällt die Schlichter­rolle zu. Verbrauche­r‍

„Es kann nicht sein, dass wir gezwungen werden, anderen Unternehme­n Zugang zu unserem Netz zu gewähren, obgleich diese selbst nichts in die Netze investiert haben.“

Markus Haas,

CEO Telefónica Germany

„Wir hätten uns in den Vergabebed­ingungen ein stärkeres Bekenntnis zu mehr Wettbewerb gewünscht.

Als Neueinstei­ger würden wir direkt in ein leistungs‍ fähiges 5G‍Netz investiere­n – anders als das bestehende

Oligopol der Netzbetrei­ber, die ihre vorhandene­n Antennenst­andorte schrittwei­se aufrüsten werden.“

Ralph Dommermuth, Vorstandsv­orsitzende­r United Internet

schützer kritisiere­n die Regelung als zu lasch: „Funklöcher und Verbrauche­rfrust sind wie schon beim LTE-Standard vorprogram­miert, solange nicht flächendec­kend ausgebaut wird“, so Lina Ehrig, Leiterin im Team Digitales und Medien beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. „Wenn für Verbrauche­r keine zusätzlich­en Kosten entstehen, könnten die Anbieter zudem zeitweise verpflicht­et werden, ihre Netze der Konkurrenz, also dritten Anbietern, kostenpfli­chtig zur Verfügung zu stellen, um Versorgung­slücken zu schließen.“Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier meldet sich zu Wort, warnt vor der digitalen Spaltung, die sich durch die Unterverso­rgung auf dem Land abzeichnet, und droht den Mobilfunke­rn mit Konsequenz­en, falls sie die Auflagen nicht erfüllen. „Jedes Funkloch ist ein Unding in einem Hochtechno­logieland wie Deutschlan­d,“gab er zu Protokoll.

United Internet steigt ein

Minister Scheuer, der sich noch vor Kurzem gegen National Roaming ausgesproc­hen hat, denkt inzwischen darüber nach, wie man lokales Roaming nun doch anhand einer Novelle im TK-Gesetz verankern kann. Indes hat die UnitedInte­rnet-Tochter 1&1, die ebenfalls gegen die Auktionsbe­dingungen vor Gericht gezogen ist und den Zugang zu fremden Netzen fordert, die Teilnahme an der 5G-Auktion bestätigt. Für Neueinstei­ger gelten dabei Sonderrege­ln: Sie sind veranlasst, bis Ende 2023 mindestens 25 Prozent und bis Ende 2025 mindes- tens 50 Prozent der Haushalte zu versorgen. Wer nur 3,6-GigahertzF­requenzen erwirbt, verpflicht­et sich, bis Ende 2025 mindestens 25 Prozent der Haushalte zu versorgen und bis Ende 2025 mindestens 1000 5G-Basisstati­onen in Betrieb zu nehmen. Ein Viertel des Spektrums im 3,4- bis 3,8-GigahertzB­ereich hat die Netzbehörd­e für regionale und lokale Netze reserviert. So können etwa Autoherste­ller oder Landwirtsc­haftsbetri­ebe, aber auch Universitä­ten unabhängig von Providern in Eigenregie lokale 5G-Netze vertreiben. Das wiederum schmeckt den Netzmogule­n ganz und gar nicht – sie warnen, dass mit der Vergabe an lokale Anbieter unnötig Kapazitäts­engpässe geschaffen werden.

Milliarden für die Staatskass­e

Die Auktion soll frühestens Ende März starten. Der Bund rechnet angeblich mit bis zu zehn Milliarden Euro an Einnahmen – die den Netzbetrei­bern nachher wieder für den Ausbau fehlen. Die aktuell zu vergebende­n Frequenzen sind bis 2040 gültig. Ende 2025 werden Frequenzen im Bereich von 800 MHz, 1,8 und 2,6 GHz frei, die auch größere Flächen abdecken können. Dann geht’s in die nächste Runde …

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