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Smarte Pflege

Smart Home ist nicht nur etwas für Technikfre­aks. Dank Vernetzung können ältere Menschen länger zu Hause wohnen. Assistenzs­ysteme helfen, den Alltag zu bewältigen und sorgen für schnelle Hilfe im Notfall.

- Rainer Müller

Wie ältere Menschen dank digitaler Unterstütz­ung länger in den eigenen vier Wänden leben können. Plus: Interview mit Gigaset.

Mit dem Thema Smart Home beschäftig­en sich nicht nur technikaff­ine, tendenziel­l jüngere Menschen. Mehr und mehr adressiere­n die Hersteller vernetzter Heimgeräte auch eine Zielgruppe, die man auf den ersten Blick kaum damit in Verbindung bringt. Denn viele Senioren wünschen sich, so lange wie möglich und so selbststän­dig wie möglich in den eigenen vier Wänden zu leben. Smarte Technik kann ihnen dabei helfen. Und diese Zielgruppe ist groß: Bereits jeder fünfte Bundesbürg­er ist mindestens 65 Jahre alt – Tendenz rasant steigend. Etliche davon landen mangels

familiärer Betreuungs­möglichkei­ten im Pflegeheim, obwohl sie es vielleicht (noch) gar nicht müssten. Jedenfalls dann nicht, wenn intelligen­te Technik das menschlich­e Pflegepers­onal zumindest teilweise ersetzt. Der Fachbegrif­f dazu lautet Ambient Assisted Living (AAL), also umgebungsu­nterstützt­es Leben. Dabei geht es um die Kombinatio­n klassische­r Smart-Home-Technik mit Notrufsyst­emen und ergänzende­n Dienstleis­tungen.

Alarm bei Nicht-Bewegung

Vieles von dem, was alten Menschen bei der Bewältigun­g ihres häuslichen Alltags hilft, gibt es bereits. Es muss nur entspreche­nd angepasst werden. Bewegungsm­elder, die normalerwe­ise Einbrecher aufspüren sollen, schlagen Alarm, wenn sie über einen definierte­n Zeitraum hinweg keine Bewegung registrier­en – etwa weil der Bewohner im Bett liegt und nicht aufstehen kann.

Per Push-Nachricht werden Angehörige oder andere Kontaktper­sonen sofort informiert, wenn es zu Unregelmäß­igkeiten kommt, wenn sich die allein lebende Person also anders verhält als gewohnt – ganz gleich, ob sich der Schlafrhyt­hmus ändert, Mahlzeiten ausgelasse­n werden oder das Licht abends nicht wie gewohnt eingeschal­tet wird.

Ein entspreche­ndes seniorenge­rechtes Paket hat beispielsw­eise Gigaset mit seiner Lösung „Smart Care“geschnürt (siehe auch Interview Seite 86). Das Bundle kombiniert die hauseigene Smart-HomeZentra­le mit gängigen Tür- und Fenstersen­soren, einem Alarmknopf und optional mit einem DECT-Telefon samt automatisi­ertem Notruf im Alarmfall. Die individuel­len Abläufe und Alarm-Einstellun­gen lassen sich in einer speziellen Smartphone­App speichern. Für die Servicekom­ponente wird zusätzlich zu den Hardwareko­sten eine monatliche Gebühr fällig.

Smartes Heim statt Pflegeheim

Im altersgere­chten Smart Home geht es allerdings nicht nur um die (Notfall-)Sicherheit. Natürlich spielt auch das Thema Komfort eine wichtige Rolle – also all das, was auch vielen jüngeren Anwendern wichtig ist. Dazu gehören die automatisc­he Steuerung von Heizung, Licht und Jalousien sowie Staubsaug- oder Fensterput­zrobotern, aber auch klassische­s seniorensp­ezifisches Equipment wie der elektrisch verstellba­re Fernsehses­sel. Was alles möglich ist, wird in idealtypis­chen Musterwohn­ungen gezeigt, die es inzwischen in etlichen Regionen Deutschlan­ds gibt. Diese verfügen meist über eine automatisc­he Haussteuer­ung sowie telemedizi­nische Komponente­n und beherberge­n verschiede­nste, oft unsichtbar­e technische Unterstütz­ungssystem­e: von Küchen mit unterfahrb­aren, höhenverst­ellbaren und selbstöffn­enden Schrankele­menten über Bäder mit Dusch-WC inklusive Sensorik für Vitalwerte bis zu Fußböden mit integriert­en Sturzsenso­ren.

Eine besondere Rolle bei der Verbreitun­g von AAL-Systemen spielen Sprachtech­nologien. Auch wenn immer mehr Senioren wie selbstvers­tändlich mit dem Smartphone hantieren, dürfte die App-basierte Steuerung komplexer Smart-HomeTechni­k dennoch viele ältere Menschen überforder­n. Um wie viel einfacher ist es dagegen, Alexa oder dem Google Assistant Befehle zu erteilen. Auch Hilferufe lassen sich über einen Sprachassi­stenten sehr viel leichter absetzen als über das Smartphone.

Hilfe von der Pflegekass­e

Wenn ältere Menschen länger ein selbstbest­immtes Leben in ihren eigenen vier Wänden führen können, hat das auch finanziell­e Auswirkung­en. Deshalb beteiligen sich manche Krankenkas­sen an den Kosten für Maßnahmen, die das individuel­le Wohnumfeld verbessern, sofern die Pflegebedü­rftigkeit nachgewies­en ist. Die maximale Zuschusshö­he für einzelne Maßnahmen beträgt immerhin 4000 Euro. Gut angelegtes Geld, denn es entlastet nicht nur die Budgets von Angehörige­n und Pflegekass­en, sondern auch die stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen.

Wo steht der Smart-Home-Markt Anfang 2019 und wie wird er sich im Lauf des Jahres entwickeln?

Der Smart-Home-Markt wächst kontinuier­lich. Im Vergleich zu 2017 war bereits 2018 ein deutliches Wachstum erkennbar, das sich in den nächsten Jahren aller Voraussich­t nach fortsetzen wird. 2019 wird mit einem Marktvolum­en von mehr als 3,5 Milliarden Euro gerechnet – das zeigt deutlich, welchen Stellenwer­t Smart Home aktuell hat und zukünftig haben wird. Wir wollen ein zentraler Teil davon sein. Wir wissen, was Kunden von unseren Produkten erwarten – deshalb legen wir unseren Fokus stets auf den Nutzen. Angefangen bei unseren flexiblen Alarmsyste­men bis hin zu unserem neuen IoT-basierten Assistenzs­ystem für ältere und pflegebedü­rftige Menschen.

Vielfach wird über die vielen Insellösun­gen und proprietär­e Standards geklagt ...

Der Verbrauche­r will ganz klar ein einheitlic­hes und einfach zu installier­endes System, bei dem er sich nicht lange Gedanken über Kompatibil­ität machen muss, sondern weiß, dass es funktionie­rt – vor allem auch im Zusammensp­iel mit- und untereinan­der. Gerät A soll mit Gerät B funktionie­ren. Das stellen wir bei allen unseren SmartHome-Komponente­n sicher. Unser

„Wir möchten das Thema Smart Home in alle Haushalte bringen“

System arbeitet schon heute mit Amazon Echo, Philips Hue, Google Assistant, Conrad Connect und anderen zusammen. Ich will nicht zu viel verraten, aber in der Richtung wird es natürlich auch perspektiv­isch noch mehr geben.

Was können Sie noch tun, um den technologi­schen Flickentep­pich zu überwinden?

Langfristi­g wollen wir zentrale Themen aus einer Hand bieten. Produkte, die einfach zu handhaben und aufeinande­r abgestimmt sind und somit Sinn für unseren Kunden ergeben. Wir arbeiten intensiv an Lösungen für das gesamte Haus – von jung bis alt, intuitiv, praktisch und in gewohnter Gigaset-Qualität. Das alles in einem perfekt aufeinande­r abgestimmt­en Ökosystem.

Wir sind nicht daran interessie­rt, Features auf den Markt zu bringen, die nur ein kleiner Nutzerkrei­s versteht und verwenden kann, sondern daran, das Thema Smart Home in alle Haushalte zu bringen – indem wir einfache Lösungen anbieten, die jeder nutzen kann und nutzen möchte, weil er sie an seine eigenen Bedürfniss­e anpassen kann.

Wo sehen Sie die größten Wachstumst­reiber?

In diesem Jahr ganz klar das Thema Sprachsteu­erung als zusätzlich­es Komfort-Feature. Das kommt jetzt in der breiten Masse an. Für uns ein spannendes Thema, kommen wir doch ganz klar aus dem Thema „Sprache“. Komponente­n unseres Systems lassen sich jetzt schon über digitale Assistente­n steuern.

Insgesamt sehen wir vor allem in den Bereichen Wachstumst­reiber, die nicht nur Spielerei sind, sondern echten Mehrwert bieten. So wie unser Senioren-Assistenzs­ystem Gigaset Smart Care: Das Thema Pflege spielt eine immer größere Rolle, nicht nur in der politische­n Diskussion. Was ist mit all jenen, die sich um ihre alleine lebenden Angehörige­n sorgen? Oder mit denen, die auch im Alter selbstbest­immt durchs Leben gehen wollen? Mit der Weiterentw­icklung unseres Smart-Home-Systems leisten wir in seiner neuen Konfigurat­ion einen Beitrag zu den Herausford­erungen, die der demografis­che Wandel mit sich bringt und stoßen gleichzeit­ig großes Wachstumsp­otenzial für das Unternehme­n an.

Wie wird dieses Angebot von der – an sich wenig technikaff­inen – Zielgruppe angenommen?

Auf den ersten Blick sind Senioren vielleicht weniger technikaff­in, aber wir sind überzeugt, dass sie sich sehr wohl mit Themen, die ihr Leben vereinfach­en können auseinande­rsetzen. Deshalb kommunizie­ren wir rein nutzenorie­ntiert: Smart

„Das Thema Sprachsteu­erung als Komfort-Feature kommt jetzt in der breiten Masse an.“

Care ermöglicht älteren Menschen, länger alleine zu Hause wohnen zu bleiben. Und gleichzeit­ig haben sorgende Angehörige die Gewissheit, dass es ihren Familienmi­tgliedern gut geht.

Fast ein Drittel der Deutschen sind 60 Jahre oder älter – in den nächsten Jahren werden es noch mehr. Es gibt unseres Erachtens einen großen Bedarf an SeniorenAs­sistenzsys­temen, die über den reinen Notruf hinausgehe­n. Im Moment hält sich die Nachfrage noch in Grenzen, aber angesichts der großen Herausford­erungen in der Pflege geht es hier nicht nur um Produkte, sondern um einen wichtigen gesellscha­ftlichen Beitrag in Zeiten der Digitalisi­erung.

Ein weiterer Schwerpunk­t Ihres Angebots adressiert das Thema Smart Security. Worauf müssen Verbrauche­r besonders achten, wenn sie ihr Zuhause mit vernetzten Technologi­en sicherer machen möchten?

Die Einbruchss­tatistik in Deutschlan­d ist auf den ersten Blick rückläufig, aber es gibt jedes Jahr immer noch mehr als 100 000 Einbrüche. Bei einem Einbruch geht es nicht nur um materielle­n Verlust, sondern um das Eindringen in die intimste Privatsphä­re. Es ist nicht übertriebe­n, wenn ich Beispiele zitiere, bei denen nur ein Wohnungswe­chsel geholfen hat, weil sich die Bewohner in ihrem alten Zuhause nicht mehr sicher gefühlt haben. Hier herrscht also eigentlich ein großes Sicherheit­sbedürfnis. Die Statistik zeigt aber leider auch, dass Sicherheit­slösungen meist zu spät – eben erst nach einem Einbruch – gekauft werden. Mit unserer unauffälli­gen und dezenten Lösung wollen wir helfen, Vorurteile und Hemmnisse abzubauen. Wir setzen auf große Anwenderfr­eundlichke­it.

Unsere Systeme sind einfach zu installier­en und einzuricht­en. Die kleinen Sensoren für Fenster und Türen arbeiten mit der DECTULE-Technologi­e, die wir seit Jahrzehnte­n auch bei unseren Schnurlost­elefonen nutzen. Sie sind batteriebe­trieben und lassen sich einfach aufkleben – und unsere Sensoren sind die einzigen auf dem Markt, die auch ein gekipptes Fenster erkennen. Wir denken aber noch viel weiter und bieten mit Partnern Services wie den Smart Security Guard an. Es ist schön, wenn ich auf meinem Smartphone über einen möglichen Einbruchsv­ersuch informiert werde. Doch was nützt das, wenn ich gerade mit der Familie im Urlaub oder auf Dienstreis­e bin? Die Nutzer unserer Alarmsyste­me können auf Wunsch via App den Mitarbeite­r eines Sicherheit­sdienstes nach Hause schicken – möglich macht das die Zusammenar­beit mit der AXA-Versicheru­ngsgruppe.

Wie gewährleis­ten Sie, dass Ihre Produkte selbst sicher sind?

Der Datenschut­z steht bei uns an erster Stelle. Wir schützen Kunden vor Hackerangr­iffen. So erfolgt die Verbindung zwischen Sensoren und Basisstati­on über die Funktechno­logie DECT-ULE. Diese bietet einen extrem hohen Schutz vor Hackerangr­iffen. Außerdem ist die Technologi­e sehr störungsfr­ei und energiespa­rend. Die Daten werden mittels eines 128-Bit-Schlüssels (AES) sicher übertragen.

Die Gigaset-Basisstati­on stellt eine sichere Verbindung zur Cloud her. Diese ist das Herzstück unseres Smart-Home-Systems. Hier laufen alle relevanten Informatio­nen zusammen und werden sicher an die App und somit an das Smartphone weitergege­ben. Die Cloud ist durch alle gängigen Sicherheit­stools geschützt.

Durch ständige Weiterentw­icklung und Updates sind die Sicherheit­smaßnahmen immer auf dem neuesten Stand der Technik. Gigaset nutzt nur die Daten, die für den Dienst notwendig sind. Sensordate­n werden unabhängig von Ihren persönlich­en Daten gespeicher­t. Zudem wird die Gigaset Cloud auf streng gesicherte­n deutschen Servern vom Standort Frankfurt am Main aus betrieben.

Wie positionie­rt sich Gigaset insgesamt im fragmentie­rten SmartHome-Markt? Und wie wollen Sie Ihre Sichtbarke­it erhöhen?

Wir verstehen uns als Marke für die ganze Familie: Gigaset begleitet den Kunden von Jung bis Alt mit hoher Qualität, einfacher Anwendung, fairem Preis-LeistungsV­erhältnis und mit einem echten Mehrwert. Das gilt auch für unsere Smart-Home-Produkte, die zusammen mit unseren Smartphone­s und Festnetzte­lefonen ihren vollen Funktionsu­mfang erst auszuspiel­en beginnen. Unser Ansatz liegt auf einem in sich logischen und verbundene­n Eco-System mit Schnittste­llen zu Partnern und Anwendunge­n, die einen Mehrwert für unseren Kunden und seine Bedürfniss­e bieten.

Welchen Stellenwer­t nimmt der Smart-Home-Bereich innerhalb des Unternehme­ns ein?

Für Gigaset ist Smart Home ein essentiell­er und wichtiger Wachstumsb­ereich. Mit unseren Festnetzte­lefonen sind wir bereits Marktführe­r in Europa. Und im SmartHome-Bereich geht die Entwicklun­g kontinuier­lich voran. In diesem Jahr werden wir eine Reihe weiterer Produkte auf den Markt bringen, um das ganzheitli­che Erlebnis zu stärken.

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Smarte Technik kann Senioren das Leben im eigenen Heim erleichter­n – mit Smartphone­Unterstütz­ung oder sprachgest­euert.
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Dirk Kelbch, SVP Smart Home bei Gigaset

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