Smarte Pflege
Smart Home ist nicht nur etwas für Technikfreaks. Dank Vernetzung können ältere Menschen länger zu Hause wohnen. Assistenzsysteme helfen, den Alltag zu bewältigen und sorgen für schnelle Hilfe im Notfall.
Wie ältere Menschen dank digitaler Unterstützung länger in den eigenen vier Wänden leben können. Plus: Interview mit Gigaset.
Mit dem Thema Smart Home beschäftigen sich nicht nur technikaffine, tendenziell jüngere Menschen. Mehr und mehr adressieren die Hersteller vernetzter Heimgeräte auch eine Zielgruppe, die man auf den ersten Blick kaum damit in Verbindung bringt. Denn viele Senioren wünschen sich, so lange wie möglich und so selbstständig wie möglich in den eigenen vier Wänden zu leben. Smarte Technik kann ihnen dabei helfen. Und diese Zielgruppe ist groß: Bereits jeder fünfte Bundesbürger ist mindestens 65 Jahre alt – Tendenz rasant steigend. Etliche davon landen mangels
familiärer Betreuungsmöglichkeiten im Pflegeheim, obwohl sie es vielleicht (noch) gar nicht müssten. Jedenfalls dann nicht, wenn intelligente Technik das menschliche Pflegepersonal zumindest teilweise ersetzt. Der Fachbegriff dazu lautet Ambient Assisted Living (AAL), also umgebungsunterstütztes Leben. Dabei geht es um die Kombination klassischer Smart-Home-Technik mit Notrufsystemen und ergänzenden Dienstleistungen.
Alarm bei Nicht-Bewegung
Vieles von dem, was alten Menschen bei der Bewältigung ihres häuslichen Alltags hilft, gibt es bereits. Es muss nur entsprechend angepasst werden. Bewegungsmelder, die normalerweise Einbrecher aufspüren sollen, schlagen Alarm, wenn sie über einen definierten Zeitraum hinweg keine Bewegung registrieren – etwa weil der Bewohner im Bett liegt und nicht aufstehen kann.
Per Push-Nachricht werden Angehörige oder andere Kontaktpersonen sofort informiert, wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommt, wenn sich die allein lebende Person also anders verhält als gewohnt – ganz gleich, ob sich der Schlafrhythmus ändert, Mahlzeiten ausgelassen werden oder das Licht abends nicht wie gewohnt eingeschaltet wird.
Ein entsprechendes seniorengerechtes Paket hat beispielsweise Gigaset mit seiner Lösung „Smart Care“geschnürt (siehe auch Interview Seite 86). Das Bundle kombiniert die hauseigene Smart-HomeZentrale mit gängigen Tür- und Fenstersensoren, einem Alarmknopf und optional mit einem DECT-Telefon samt automatisiertem Notruf im Alarmfall. Die individuellen Abläufe und Alarm-Einstellungen lassen sich in einer speziellen SmartphoneApp speichern. Für die Servicekomponente wird zusätzlich zu den Hardwarekosten eine monatliche Gebühr fällig.
Smartes Heim statt Pflegeheim
Im altersgerechten Smart Home geht es allerdings nicht nur um die (Notfall-)Sicherheit. Natürlich spielt auch das Thema Komfort eine wichtige Rolle – also all das, was auch vielen jüngeren Anwendern wichtig ist. Dazu gehören die automatische Steuerung von Heizung, Licht und Jalousien sowie Staubsaug- oder Fensterputzrobotern, aber auch klassisches seniorenspezifisches Equipment wie der elektrisch verstellbare Fernsehsessel. Was alles möglich ist, wird in idealtypischen Musterwohnungen gezeigt, die es inzwischen in etlichen Regionen Deutschlands gibt. Diese verfügen meist über eine automatische Haussteuerung sowie telemedizinische Komponenten und beherbergen verschiedenste, oft unsichtbare technische Unterstützungssysteme: von Küchen mit unterfahrbaren, höhenverstellbaren und selbstöffnenden Schrankelementen über Bäder mit Dusch-WC inklusive Sensorik für Vitalwerte bis zu Fußböden mit integrierten Sturzsensoren.
Eine besondere Rolle bei der Verbreitung von AAL-Systemen spielen Sprachtechnologien. Auch wenn immer mehr Senioren wie selbstverständlich mit dem Smartphone hantieren, dürfte die App-basierte Steuerung komplexer Smart-HomeTechnik dennoch viele ältere Menschen überfordern. Um wie viel einfacher ist es dagegen, Alexa oder dem Google Assistant Befehle zu erteilen. Auch Hilferufe lassen sich über einen Sprachassistenten sehr viel leichter absetzen als über das Smartphone.
Hilfe von der Pflegekasse
Wenn ältere Menschen länger ein selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen vier Wänden führen können, hat das auch finanzielle Auswirkungen. Deshalb beteiligen sich manche Krankenkassen an den Kosten für Maßnahmen, die das individuelle Wohnumfeld verbessern, sofern die Pflegebedürftigkeit nachgewiesen ist. Die maximale Zuschusshöhe für einzelne Maßnahmen beträgt immerhin 4000 Euro. Gut angelegtes Geld, denn es entlastet nicht nur die Budgets von Angehörigen und Pflegekassen, sondern auch die stationären Pflegeeinrichtungen.
Wo steht der Smart-Home-Markt Anfang 2019 und wie wird er sich im Lauf des Jahres entwickeln?
Der Smart-Home-Markt wächst kontinuierlich. Im Vergleich zu 2017 war bereits 2018 ein deutliches Wachstum erkennbar, das sich in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach fortsetzen wird. 2019 wird mit einem Marktvolumen von mehr als 3,5 Milliarden Euro gerechnet – das zeigt deutlich, welchen Stellenwert Smart Home aktuell hat und zukünftig haben wird. Wir wollen ein zentraler Teil davon sein. Wir wissen, was Kunden von unseren Produkten erwarten – deshalb legen wir unseren Fokus stets auf den Nutzen. Angefangen bei unseren flexiblen Alarmsystemen bis hin zu unserem neuen IoT-basierten Assistenzsystem für ältere und pflegebedürftige Menschen.
Vielfach wird über die vielen Insellösungen und proprietäre Standards geklagt ...
Der Verbraucher will ganz klar ein einheitliches und einfach zu installierendes System, bei dem er sich nicht lange Gedanken über Kompatibilität machen muss, sondern weiß, dass es funktioniert – vor allem auch im Zusammenspiel mit- und untereinander. Gerät A soll mit Gerät B funktionieren. Das stellen wir bei allen unseren SmartHome-Komponenten sicher. Unser
„Wir möchten das Thema Smart Home in alle Haushalte bringen“
System arbeitet schon heute mit Amazon Echo, Philips Hue, Google Assistant, Conrad Connect und anderen zusammen. Ich will nicht zu viel verraten, aber in der Richtung wird es natürlich auch perspektivisch noch mehr geben.
Was können Sie noch tun, um den technologischen Flickenteppich zu überwinden?
Langfristig wollen wir zentrale Themen aus einer Hand bieten. Produkte, die einfach zu handhaben und aufeinander abgestimmt sind und somit Sinn für unseren Kunden ergeben. Wir arbeiten intensiv an Lösungen für das gesamte Haus – von jung bis alt, intuitiv, praktisch und in gewohnter Gigaset-Qualität. Das alles in einem perfekt aufeinander abgestimmten Ökosystem.
Wir sind nicht daran interessiert, Features auf den Markt zu bringen, die nur ein kleiner Nutzerkreis versteht und verwenden kann, sondern daran, das Thema Smart Home in alle Haushalte zu bringen – indem wir einfache Lösungen anbieten, die jeder nutzen kann und nutzen möchte, weil er sie an seine eigenen Bedürfnisse anpassen kann.
Wo sehen Sie die größten Wachstumstreiber?
In diesem Jahr ganz klar das Thema Sprachsteuerung als zusätzliches Komfort-Feature. Das kommt jetzt in der breiten Masse an. Für uns ein spannendes Thema, kommen wir doch ganz klar aus dem Thema „Sprache“. Komponenten unseres Systems lassen sich jetzt schon über digitale Assistenten steuern.
Insgesamt sehen wir vor allem in den Bereichen Wachstumstreiber, die nicht nur Spielerei sind, sondern echten Mehrwert bieten. So wie unser Senioren-Assistenzsystem Gigaset Smart Care: Das Thema Pflege spielt eine immer größere Rolle, nicht nur in der politischen Diskussion. Was ist mit all jenen, die sich um ihre alleine lebenden Angehörigen sorgen? Oder mit denen, die auch im Alter selbstbestimmt durchs Leben gehen wollen? Mit der Weiterentwicklung unseres Smart-Home-Systems leisten wir in seiner neuen Konfiguration einen Beitrag zu den Herausforderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt und stoßen gleichzeitig großes Wachstumspotenzial für das Unternehmen an.
Wie wird dieses Angebot von der – an sich wenig technikaffinen – Zielgruppe angenommen?
Auf den ersten Blick sind Senioren vielleicht weniger technikaffin, aber wir sind überzeugt, dass sie sich sehr wohl mit Themen, die ihr Leben vereinfachen können auseinandersetzen. Deshalb kommunizieren wir rein nutzenorientiert: Smart
„Das Thema Sprachsteuerung als Komfort-Feature kommt jetzt in der breiten Masse an.“
Care ermöglicht älteren Menschen, länger alleine zu Hause wohnen zu bleiben. Und gleichzeitig haben sorgende Angehörige die Gewissheit, dass es ihren Familienmitgliedern gut geht.
Fast ein Drittel der Deutschen sind 60 Jahre oder älter – in den nächsten Jahren werden es noch mehr. Es gibt unseres Erachtens einen großen Bedarf an SeniorenAssistenzsystemen, die über den reinen Notruf hinausgehen. Im Moment hält sich die Nachfrage noch in Grenzen, aber angesichts der großen Herausforderungen in der Pflege geht es hier nicht nur um Produkte, sondern um einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag in Zeiten der Digitalisierung.
Ein weiterer Schwerpunkt Ihres Angebots adressiert das Thema Smart Security. Worauf müssen Verbraucher besonders achten, wenn sie ihr Zuhause mit vernetzten Technologien sicherer machen möchten?
Die Einbruchsstatistik in Deutschland ist auf den ersten Blick rückläufig, aber es gibt jedes Jahr immer noch mehr als 100 000 Einbrüche. Bei einem Einbruch geht es nicht nur um materiellen Verlust, sondern um das Eindringen in die intimste Privatsphäre. Es ist nicht übertrieben, wenn ich Beispiele zitiere, bei denen nur ein Wohnungswechsel geholfen hat, weil sich die Bewohner in ihrem alten Zuhause nicht mehr sicher gefühlt haben. Hier herrscht also eigentlich ein großes Sicherheitsbedürfnis. Die Statistik zeigt aber leider auch, dass Sicherheitslösungen meist zu spät – eben erst nach einem Einbruch – gekauft werden. Mit unserer unauffälligen und dezenten Lösung wollen wir helfen, Vorurteile und Hemmnisse abzubauen. Wir setzen auf große Anwenderfreundlichkeit.
Unsere Systeme sind einfach zu installieren und einzurichten. Die kleinen Sensoren für Fenster und Türen arbeiten mit der DECTULE-Technologie, die wir seit Jahrzehnten auch bei unseren Schnurlostelefonen nutzen. Sie sind batteriebetrieben und lassen sich einfach aufkleben – und unsere Sensoren sind die einzigen auf dem Markt, die auch ein gekipptes Fenster erkennen. Wir denken aber noch viel weiter und bieten mit Partnern Services wie den Smart Security Guard an. Es ist schön, wenn ich auf meinem Smartphone über einen möglichen Einbruchsversuch informiert werde. Doch was nützt das, wenn ich gerade mit der Familie im Urlaub oder auf Dienstreise bin? Die Nutzer unserer Alarmsysteme können auf Wunsch via App den Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes nach Hause schicken – möglich macht das die Zusammenarbeit mit der AXA-Versicherungsgruppe.
Wie gewährleisten Sie, dass Ihre Produkte selbst sicher sind?
Der Datenschutz steht bei uns an erster Stelle. Wir schützen Kunden vor Hackerangriffen. So erfolgt die Verbindung zwischen Sensoren und Basisstation über die Funktechnologie DECT-ULE. Diese bietet einen extrem hohen Schutz vor Hackerangriffen. Außerdem ist die Technologie sehr störungsfrei und energiesparend. Die Daten werden mittels eines 128-Bit-Schlüssels (AES) sicher übertragen.
Die Gigaset-Basisstation stellt eine sichere Verbindung zur Cloud her. Diese ist das Herzstück unseres Smart-Home-Systems. Hier laufen alle relevanten Informationen zusammen und werden sicher an die App und somit an das Smartphone weitergegeben. Die Cloud ist durch alle gängigen Sicherheitstools geschützt.
Durch ständige Weiterentwicklung und Updates sind die Sicherheitsmaßnahmen immer auf dem neuesten Stand der Technik. Gigaset nutzt nur die Daten, die für den Dienst notwendig sind. Sensordaten werden unabhängig von Ihren persönlichen Daten gespeichert. Zudem wird die Gigaset Cloud auf streng gesicherten deutschen Servern vom Standort Frankfurt am Main aus betrieben.
Wie positioniert sich Gigaset insgesamt im fragmentierten SmartHome-Markt? Und wie wollen Sie Ihre Sichtbarkeit erhöhen?
Wir verstehen uns als Marke für die ganze Familie: Gigaset begleitet den Kunden von Jung bis Alt mit hoher Qualität, einfacher Anwendung, fairem Preis-LeistungsVerhältnis und mit einem echten Mehrwert. Das gilt auch für unsere Smart-Home-Produkte, die zusammen mit unseren Smartphones und Festnetztelefonen ihren vollen Funktionsumfang erst auszuspielen beginnen. Unser Ansatz liegt auf einem in sich logischen und verbundenen Eco-System mit Schnittstellen zu Partnern und Anwendungen, die einen Mehrwert für unseren Kunden und seine Bedürfnisse bieten.
Welchen Stellenwert nimmt der Smart-Home-Bereich innerhalb des Unternehmens ein?
Für Gigaset ist Smart Home ein essentieller und wichtiger Wachstumsbereich. Mit unseren Festnetztelefonen sind wir bereits Marktführer in Europa. Und im SmartHome-Bereich geht die Entwicklung kontinuierlich voran. In diesem Jahr werden wir eine Reihe weiterer Produkte auf den Markt bringen, um das ganzheitliche Erlebnis zu stärken.