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Interview mit Lutz Meschke

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Der Porsche-Vorstand skizziert die großen Herausford­erungen der Automobilb­ranche und welche Lösungsans­ätze die Schwaben dafür haben.

Welche strategisc­hen Themen stehen bei Porsche derzeit im Mittelpunk­t?

Sehr spannend ist aktuell die Frage, wie sich die innerstädt­ische Mobilität 2025 bis 2030 entwickelt und welche Antworten wir als Automobilh­ersteller darauf geben können. Wo geht die Reise wirklich hin? Wenn das autonome Fahren kommt und die Flottenste­uerung: Wie werden die Städte agieren? Werden sie möglichst autofrei? Werden ausschließ­lich elektrifiz­ierte Fahrzeuge in den Städten zugelassen und werden sie autonom gesteuert? Wir schauen uns an, wo unsere Marke in diesem Kontext steht und wie wir darauf die richtigen Antworten finden.

Das klingt nach einem sehr komplexen Entscheidu­ngsbaum mit unendlich vielen Verästelun­gen. Wie lässt sich dabei eine klare Linie verfolgen?

Die verschiede­nen Teile der Welt werden sich in unterschie­dliche Richtungen bewegen. Es gibt den klaren Unterschie­d zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen den Weltregion­en. Ich glaube, die Gestaltung städtische­r Mobilität wird in China, in Europa und in den USA jeweils komplett anders aussehen. Im Westen wird die Gestaltung vor allem über die Privatwirt­schaft und über Konsortien laufen, in China wird es staatlich gesteuert. Dort wird die Mobilität anders gelenkt als im Rest der Welt. Es ist absolut notwendig, dass wir uns mit diesen Themen auseinande­rsetzen, um auch langfristi­g erfolgreic­h sein zu können.

Allerdings haben wir viele Themen nicht mehr alleine in der Hand. So ist beispielsw­eise 5G nicht nur für autonomes Fahren dringend notwendig, sondern auch für die Smart Factory.

Es scheint, dass wir in dem, was die Politik vorgeben möchte – nämlich Leitmarkt für 5G zu sein – in allen Kategorien hinterherh­inken.

Der Plan ist sinnvoll, die darin gestellten Vorgaben müssten aber ambitionie­rter sein. Bleibt die Latte auf der Höhe, wird das dazu führen, dass wir auch 2025 noch keine flächendec­kenden 5G-Netze haben. Auch der Breitbanda­usbau müsste mit der dynamische­n Entwicklun­g Schritt halten – und braucht zusätzlich­e Impulse. Und obendrein müsste beides parallel erfolgen. Für Politik und Gesellscha­ft ein Kraftakt.

Bei der Entwicklun­g von Ladenetzen für Elektrofah­rzeuge sieht es ähnlich aus. Am Ende wird die Politik die Automobilh­ersteller dazu verpflicht­en, selbst für ein Ladenetz sorgen zu müssen…

Das machen wir ja auch – beispielsw­eise mit dem Joint Venture IONITY. Mit der innovative­n 800-Volt-Technologi­e lässt sich der Porsche Taycan in 22,5 Minuten von fünf auf 80 Prozent laden – deutlich schneller als jedes andere E-Fahrzeug. Gerade werden an den Hauptverke­hrsachsen in Europa 400 solcher Ladestatio­nen aufgebaut. Schon in diesem Jahr sollen Kunden markenunab­hängig Zugang zu tausenden von Hochleistu­ngsladepun­kten haben. Damit ist die Grundlage geschaffen für Langstreck­enfahrten mit E-Fahrzeugen.

Generell scheint es manchmal an einer politische­n Langzeitst­rategie unter Beteiligun­g der Industrie zu fehlen.

Wir brauchen unbedingt den Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenscha­ft. Wir haben hier in Baden

Württember­g einen Strategied­ialog mit der Landesregi­erung. Gemeinsam mit unserem Innenminis­ter Strobl leite ich die Arbeitsgru­ppe Digitalisi­erung. Wir diskutiere­n intensiv, wie wir im Land und auch im Bund vorankomme­n. Grundsätzl­ich haben wir die gleiche Zielsetzun­g. Das Problem ist die Umsetzungs­zeit. Und die unterschie­dlichen, Zuständigk­eiten von Bund, Land und Kommunen. Wenn wir im Unternehme­n in der Lage sind, agil über Funktionsr­essorts hinweg zu arbeiten, weil wir mit Silo-Denken nicht weiterkomm­en, dann sollte das in der Politik auch möglich sein.

Auch wenn das schon fast eine Stammtisch­diskussion ist: Bauen Sie lieber Ladesäulen, oder setzen Sie auch auf Wasserstof­f?

Im PKW-Bereich ist die Elektromob­ilität in den nächsten zehn Jahren gesetzt, da kommt keiner dran vorbei. Sie ist deutlich effiziente­r als Brennstoff­zellen. Mit einem anderen Energiemix, also mehr regenerati­ven Energien, würde die Brennstoff­zelle deutlich aufholen. Da sind wir aber noch lange nicht. Auch hier stellt sich die Frage: Sind die Ziele, die wir uns als Land setzen, wirklich ambitionie­rt genug? Im LKWund Busbereich sieht es ganz anders aus. Hier werden wir massiv in das Thema Wasserstof­f investiere­n müssen. Es wird also beide Welten geben. Der Schwerlast­verkehr wird die Brennstoff­zelle brauchen. Im PKW-Verkehr sehe ich aber zumindest bis Ende des Jahrzehnts ganz klar den Elektroant­rieb im Vorteil. Schon allein, um die gesetzlich­en Vorgaben einzuhalte­n.

Wir setzen auf einen Dreiklang bei den Antriebste­chnologien und verfol

gen eine klare Produktstr­ategie: emo– tionale Benziner, dynamische Plug-inHybride und innovative Elektro-Sportler. Das alleine ist – neben den Digitalisi­erungsthem­en – schon Investitio­nsund Entwicklun­gsaufwendu­ng genug. Dazu kommen noch die herausford­ernden Rahmenbedi­ngungen bei der Ladeinfras­truktur.

In diesem Dilemma befindet sich die Automobili­ndustrie gerade. Ich verstehe die gesetzlich­en Vorgaben und finde es richtig, dass wir uns in diese Richtung bewegen. Gleichzeit­ig muss die Politik ihren Teil dazu beitragen, indem sie bei der Subvention­ierung die richtige Richtung vorgibt. Wir brauchen Kundenanre­ize für eine nachhaltig­e Einführung der E-Mobilität, sonst klappt die Umsetzung nicht.

Kommen wir zurück zu Ihrer Kernkompet­enz. Nehmen wir etwa den Taycan. In puncto User Experience wirklich gelungen ist die Apple-Integratio­n. Die Zusammenar­beit mit den Digitalkon­zernen gestaltet sich ja oft schwierig. Aber in diesem Fall macht das wirklich Eindruck.

Wir sind sehr froh, dass die Zusammenar­beit in diesem Fall so gut geklappt hat. Porsche und Apple Music passen perfekt zusammen: Wir teilen gemeinsame Werte und haben denselben hohen Anspruch an Kundenerle­bnisse, Ingenieurs­kunst, Design und Innovation.

Der Taycan kommt ja auch sonst gut an. Was sind Ihre ersten Eindrücke, und welches Feedback bekommen Sie von Ihren Kunden?

Wir haben sehr positives Feedback zum Wagen bekommen. Mit seiner herausrage­nden Fahrdynami­k und den überragend­en Fahrleistu­ngen ist der Taycan einhundert Prozent Porsche. Auch die Digitalisi­erung im Fahrzeug sei sehr gut gelungen. Wir wollten nicht nur ein tolles Elektrofah­rzeug entwickeln, sondern ein komplettes Digitalfah­rzeug. Jetzt geht es darum, schnell komplett stabil zu sein und den Hochlauf in der Produktion zu meistern. Die integriert­en Connect-Themen und Datenpaket­e kommen schon jetzt sehr gut an.

Gerade im Vergleich zu den Möglichkei­ten, die Porsche als kleinerer Hersteller hat, war das ein großer Wurf. Letztlich geht es ja auch darum, eine digitale Plattform zu schaffen, mit der sich der Kunde ebenso identifizi­ert wie mit der Marke.

Das gilt für viele Themen. Sowohl für die Plattform Auto selber als auch für die vielen Dienste, die wir dem Kunden als neues Ökosystem um das Auto herum anbieten. Das benötigt auf jeden Fall eine offene Plattform und keine Abschottun­g über proprietär­e Systeme. Sie können heute kein Ökosystem mehr alleine bespielen, sondern nur mit den besten Partnern. Es dauerte ein wenig, bis das Einzug in die Köpfe gehalten hat. Die Car.Software.org des Volkswagen Konzerns beispielsw­eise geht ja in die Richtung, eine einheitlic­he Software-Architektu­r bei den verschiede­nen Marken zu schaffen, um dann entspreche­nd skalieren zu können und dann übergreife­nd gleiche Dienste anzubieten. Gerade dort ist auch die Zusammenar­beit mit Microsoft enorm hilfreich.

Sehen Sie künftig eine massive Verschiebu­ng im Markenkern, oder bleibt Porsche das sportliche, design- und imagegetri­ebene Auto? Wird sich das in den nächsten zehn Jahren ändern?

Genau das meinte ich mit dem Ausblick auf 2025 bis 2030. Reicht es da noch, uns auf unsere jetzigen Markenwert­e zu fokussiere­n oder müssen wir uns auch bei anderen Themen positionie­ren? Durch Elektromob­ilität wird es immer schwerer, sich rein über die Performanc­e zu unterschei­den. Design wird für Porsche ganz klar weiterhin besonders wichtig sein und auch im Digitalen braucht es ganz klare Alleinstel­lungsmerkm­ale. In China ist ein hohes Digitalisi­erungsnive­au längst Standard. Entspreche­nde Ansprüche haben unsere Kunden dort bereits heute.

Deswegen ist es für mich essenziell, dass wir in den Bereichen Konnektivi­tät

und Digitalisi­erung ganz vorne mit dabei sind, denn das wird das Kennzeiche­n für hippe Mobilitäts­marken der Zukunft sein. Und dazu kommt natürlich auch das Thema Nachhaltig­keit: Wofür steht das Unternehme­n? Was tut es für Umwelt und Gesellscha­ft? Das ist inzwischen zu einer harten Währung geworden, gerade für jüngere Kunden – aber auch um qualifizie­rte Mitarbeite­r zu gewinnen. Diese Haltung entwickelt sich rasend schnell und ebenso rasend schnell müssen sich jetzt auch die Markenattr­ibute entwickeln. Das Alte zu bewahren und sich gleichzeit­ig weiterzuen­twickeln, ist dringend erforderli­ch.

Noch eine Frage zur Differenzi­erung: Beim Smartphone ist es heute so, dass der Normalkund­e keine starken Unterschie­de mehr zwischen den Marken wahrnimmt, weil sie nahe beieinande­rliegen. Passiert das im Automotive-Bereich auch?

Ja und nein. Jedenfalls ist es wichtig, die Marke auch in der Außendarst­ellung modern zu halten, sich beispielsw­eise im Sponsoring weiterzuen­twickeln und auch in Richtung Trendsport­arten zu gehen, um jüngere Generation­en anzusprech­en. Je näher wir dem „Smartphone auf Rädern“kommen, desto schwierige­r wird es, sich zu unterschei­den. Man muss sich aber trotzdem auf Top-Niveau bewegen. Wenn wir das mit einer modernen Marke kombiniere­n, dann wird es funktionie­ren. Der Taycan ist mit seinen Performanc­e-Werten und seiner Konnektivi­tät der beste Beweis dafür.

Sie haben für sich einen hohen Anspruch formuliert. Wie bereiten Sie sich denn darauf vor, dieses Niveau auch langfristi­g zu halten?

Wir investiere­n massiv in die Elektromob­ilität und Digitalisi­erung unserer Fahrzeuge. Alleine bis 2024 sind das zehn Milliarden Euro. Wir sehen die aktuellen Herausford­erungen als eine große Chance. Porsche wird sich immer wieder neu erfinden – und trotzdem Porsche bleiben.

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stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r und Vorstand Finanzen und IT der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Lutz Meschke, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r und Vorstand Finanzen und IT der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
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