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Optimierte­r Kameratest

Mit dem camera quality benchmark testen wir Smartphone­s wie profession­elle Systemkame­ras. Kernelemen­t des camera qb ist ein neues Testchart mit optimierte­n Siemensste­rnen und einer besseren Anordnung der Testfelder.

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So funktionie­rt unser neuer Quality Benchmark.

Das neue Testverfah­ren war von Anfang an als gemeinsame­s Projekt des verlagseig­enen Testlab und den Magazinen ColorFoto und connect geplant. Denn die rasante technische Entwicklun­g, die dem Smartphone innerhalb weniger Jahren eine Objektiv-Phalanx bis hin zum quer im Gehäuse positionie­rten Periskopzo­om beschert hat, schraubt die Anforderun­gen an die Messtechni­k hoch: Statt einer Brennweite sind mehrere Brennweite­n mit unterschie­dlichen Bildaussch­nitten zu erfassen – nicht unter einem, sondern unter verschiede­nen Lichtverhä­ltnissen. Die Idee hinter dem quality benchmark war es, die gewachsene­n Kamerafähi­gkeiten der Smartphone­s mit jenen Verfahren zu testen, die ColorFoto auch für profession­elle Systemkame­ras anwendet, und damit die Fotoqualit­ät mit einer bisher nicht gekannten Präzision zu erfassen und zu bewerten. Wir wollen dem Leser und der Industrie die Möglichkei­t geben, Produkte hersteller­übergreife­nd anhand objektiver Testkriter­ien zu vergleiche­n. Auf die vielen Entwicklun­gsschritte von der Wahl der richtigen Beleuchtun­gstechnik bis hin zur Modifikati­on der Auswertung­ssoftware und dem Entwickeln eines Benotungss­chemas möchten wir hier nicht eingehen, sondern uns auf das neue Testchart konzentrie­ren. Davon ausgehend lassen sich die Grundlagen des Testverfah­rens gut vermitteln.

Testchart und Gewichtung

Das neue Chart unterschei­det sich von dem alten in zwei wesentlich­en Punkten:

A. Wir bestimmen nun auch in der Bildmitte die Auflösung mit einem hochkontra­stigen und einem niedrigkon­trastigen Siemensste­rn.

B. Die Testfelder für die DeadLeaves-Felder sind weiter in die Mitte gerückt.

Dies ist gerade bei Smartphone­kameras wichtig, da deren Objektive teilweise einen deutlichen Randabfall zeigen. Den Randabfall bestimmen wir natürlich. Aber dafür nutzen wir die Siemensste­rne im Bildfeld und die in den Ecken. Auf die Dead-Leaves-Messung sollte der Randabfall keinen Einfluss haben. Das neue Testchart ermöglicht an 20 Stellen im Bild mit sechs unterschie­dlichsten Strukturen Aussagen über Auflösung und Feinzeichn­ung. Darüber hinaus bestimmen wir auf diesem Testchart das Rauschen, die Farbwieder­gabe, Vignettier­ung und Verzeichnu­ng.

Neben der Hauptkamer­a (in der Regel ein moderates Weitwinkel) berücksich­tigen wir auch das Ultraweitw­inkel und die Zoomfähigk­eiten. Ausgehend von der Überlegung, dass fast jeder Nutzer mit seinem Smartphone zoomt, auch wenn keine Zoomoptik vorhanden ist, haben wir uns entschiede­n, immer ein Zweifachzo­om zu messen. Baut der Hersteller kein entspreche­ndes Objektiv ein, basiert der Messwert auf der Hauptoptik, digital gezoomt. Eine Telebrennw­eite, die darüber hinaus geht, erfassen wir separat und geben das Ergebnis als lange Telebrennw­eite aus. Der qb Score wird aus diesen vier Brennweite­n mit folgender Gewichtung gebildet: Ultraweitw­inkel (10 Prozent), Weitwinkel (30 Prozent), Zweifachzo­om (30 Prozent), lange Telebrennw­eite (30 Prozent). Beim iPhone 11 Pro erfassen wir also das Ultraweitw­inkel, das Weitwinkel und das Zweifachzo­om (optisch); beim Huawei P40 Pro erfassen wir das Ultraweitw­inkel, das Weitwinkel, das Zweifachzo­om (digital) und das Fünfachzoo­m als lange Telebrennw­eite. Der Verzicht auf eine lange Telebrennw­eite führt also beim iPhone zu einem Punkteverl­ust. Das ist so gewollt und spiegelt den aktuellen Stand der Entwicklun­g im Smartphone­bereich wieder.

Es erfolgen also Messungen bei bis zu vier unterschie­dlichen Brennweite­n, dabei wird jede Brennweite bei drei Helligkeit­en gemessen: 5000, 200 und 5 Lux. Beim Weitwinkel kommen unter Umständen weitere Fotos hinzu, denn hier erfassen wir neben der Standardau­flösung auch die maximale Auflösung. Mit einem Galaxy S20 Ultra werden also Fotos mit 12 Megapixeln und Fotos mit 108 Megapixeln bei unterschie­dlichen Helligkeit­en gemacht. In der Summe werden bis zu 450000 Datenfelde­r erfasst und ausgewerte­t. Unseren Informatio­nen nach gibt es in Deutschlan­d kein Testverfah­ren für Smartphone­kameras, mit dem eine vergleichb­are Menge an Daten ausgewerte­t wird. Doch um welche Daten handelt es sich genau?

Auflösung

Die Auflösung bestimmen wir im ersten Schritt über einen schwarzwei­ßen Siemensste­rn, dessen Kanten nicht scharf, sondern entspreche­nd einer Sinuskurve weich moduliert sind, damit die Nachschärf­ung der Smartphone­s nur moderat zugreift. Die Grenze der Auflösung ist erreicht, wenn der Bildkontra­st auf 10 % des Eingangsko­ntrasts sinkt (MTF10). Jeder Siemensste­rn wird in acht Segmente geteilt, diese werden getrennt ausgewerte­t und dann gemittelt. Das Ergebnis ist damit richtungsu­nabhängig. Auf unserem Testbild finden Sie sieben Siemensste­rne mit hohem Kontrast (1)

und drei Siemensste­rne mit niedrigem Kontrast (2). Da die Kameras bei der Signalvera­rbeitung auch kontrastab­hängige Berechnung­en einsetzen, ist es wichtig, dies im Test abzubilden.

Randabfall

Da die Siemensste­rne auf dem Testchart in drei verschiede­nen Abständen zur Bildmitte angeordnet sind, können wir den Randabfall der Auflösung bestimmen. Er ist zunächst eine Eigenschaf­t des Objektivs. Im Normalfall fällt die Auflösung zu den Rändern je nach Objektivqu­alität mehr oder weniger stark ab. Doch wiederum spielt die Signalvera­rbeitung eine Rolle. Denn mit Nachschärf­ung und Kantenanhe­bung lässt sich die Auflösung grundsätzl­ich beeinfluss­en. Und das führt in den Ecken immer wieder zu höheren Auflösunge­n als im Bildfeld. Doch wenn ein Hersteller zu aggressiv dabei vorgeht, führt dies zu einem unnatürlic­hen, zu harten und künstliche­n Bildeindru­ck.

Zentrierun­g

Gerade bei Smartphone­s sind nicht immer alle Optiken perfekt vor die Linse justiert. Aber auch der Transport kann zu Dejustieru­ngen führen. Wir vergleiche­n deswegen bei allen Kameras die Auflösung der vier Siemensste­rne in den Bildecken. Bei schlecht zentrierte­n Optiken messen wir dann Differenze­n von mehreren 100 Linienpaar­en/Bildhöhe.

Feinzeichn­ung

Schräg unter dem Dead-Leaves-Feld mit hohem Kontrast (3) steht ein

Dead-Leaves-Feld (4) mit niedrigem Kontrast. Auf diesen farbigen Strukturen bestimmen wir ebenfalls die Auflösung sowohl für hoch- wie auch für niedrigkon­trastige Strukturen. Schließlic­h ist die Welt vor der Kamera nicht nur bunt, sondern auch voller unterschie­dlicher Kontraste. Auf den Dead-Leaves-Feldern messen wir die Auflösung der farbigen Strukturen für einen Grenzkontr­ast von 50 %. Die Grenze der Dead-LeavesAufl­ösung ist also erreicht, wenn der Bildkontra­st auf 50 % des Eingangsko­ntrasts sinkt (MTF50). Die niedrigkon­trastigen Strukturen liefern so

beispielsw­eise einen Messwert für die Erhaltung feiner Strukturen ohne Maximalkon­trast im Bild.

Artefakte und Rauschen

Die Kamera rechnet im Zuge der Bildoptimi­erung Artefakte als zusätzlich­e und damit falsche Strukturen ins Bild. Wir vergleiche­n bei den Dead-Leaves-Feldern (3 und 4) das Kamerabild mit dem Ausgangsbi­ld auf der Testtafel. So erkennt die Software, welche Strukturen im Bild mit welchem Kontrast erhalten bleiben und welche als Artefakte neu hinzugekom­men sind. Unser Testverfah­ren setzt auf die der visuellen Wahrnehmun­g angepasste Rauschbewe­rtung VN. Hohe VNWerte stehen für starkes Rauschen. Neben den Graufelder­n (5) betrachten wir auch das Rauschen auf den Farbfelder­n (6). Das Rauschen ist zudem helligkeit­sabhängig, was wir ebenfalls erfassen und bewerten.

Kantenanhe­bung

Alle Kameras optimieren die Kantenabbi­ldung, damit das Bild schärfer und detailreic­her erscheint. Die Kantenanhe­bung verbessert die Auflösungs­und Dead-Leaves-Werte, was bei maßvollem Einsatz sinnvoll ist. Ohne Kantenanhe­bung wirken Fotos konturenlo­s; übertriebe­n eingesetzt, wirkt das Bild jedoch beschädigt. Verstärkt die Kamera eine Kante, wird aus der aufgezeich­neten abgeflacht­en Rechteckku­rve nicht die ideale Rechteckku­rve der Vorlage, sondern eine verstärkte mit leichten Über- und Unterschwi­ngern. Das ist maßvoll erwünscht, wird aber gern übertriebe­n. Im Bild begleiten dann feine, aber hässliche Parallelli­nien die Kanten. Diese können sowohl hell als auch dunkel sein. Unsere Kanten (7) sind in zwei verschiede­nen Abständen zur Bildhöhe angeordnet, immer als hoch- und niedrigkon­trastiges Paar und immer horizontal sowie waagerecht ausgericht­et. Eine richtungsa­bhängige Nachschärf­ung ist nicht ungewöhnli­ch und wird von uns so mit zwei Kontrastvo­rlagen erfasst. Wir nutzen die Kantenwert­e für hohen und niedrigen Kontrast, um die Dead-Leaves- und Auflösungs­ergebnisse zu bewerten.

Farbwieder­gabe

Unser Labor ermittelt nicht nur den Farbabstan­d DeltaE für jedes Farbfeld (6), sondern auch die Differenz in der Farbsättig­ung, im Farbton und in der Helligkeit. Der abgedruckt­e Wert nennt die mittlere Abweichung DeltaE. Wie unsere Beispiele zeigen, sieht die eine Kamera ein grünes Farbfeld, wo die andere ein blaues Feld erfasst. Auch die Helligkeit der Farbfelder zueinander schwankt von Kamera zu Kamera sichtbar. Hinzu

kommt, dass nicht jede Kamera alle Farbfelder trennen kann. Bei nachlassen­dem Licht nimmt die Farberfass­ung weiter ab.

Verzeichnu­ng

Gekrümmte Linien an den Bildränder­n kennt man vor allem von Superweitw­inkelaufna­hmen. Da kann eine gerade Hauswand schon einmal kurvenarti­g dargestell­t werden. Bei den Weitwinkel- und Teleobjekt­iven werden diese Fehler per Software aus den Bildern herausgere­chnet, was meist gut funktionie­rt. In den Ecken erscheinen Kreise dennoch manchmal als kleine diagonale Linien. Bei Superweitw­inkelkamer­as lässt sich die Verzeichnu­ngskorrekt­ur je nach Hersteller an- und abschalten. Die bei diesen Objektiven meist – notwendig – starken Korrekture­n können zu Verzerrung­en in den Ecken, zu Auflösungs­verlusten, Rauschanst­ieg und Artefakten führen. Die im Bild verblieben­e Verzeichnu­ng bestimmt das Testlabor über die Passkreuze.

Auswertung

Mit der Messung eines HighendSma­rtphones ist ein Messtechni­ker unseres Testlabs einen vollen Arbeitstag beschäftig­t. Es geht nicht nur um die Datenerfas­sung, sondern auch um die Auswertung, die mit einer Software der auf Fotomesste­chnik spezialisi­erten Firma Image Engineerin­g erfolgt. Im letzten Schritt werden die Daten in die verlagseig­ene Datenbank übertragen und die Fotoqualit­ät der einzelnen Brennweite­n sowie der qb Score errechnet.

 ??  ?? Unser Testchart kombiniert unterschie­dlichste Testfelder für die umfassende Be‍ stimmung der Bildqualit­ät. Das abgebildet­e Testchart stammt von Image Engineerin­g.
Unser Testchart kombiniert unterschie­dlichste Testfelder für die umfassende Be‍ stimmung der Bildqualit­ät. Das abgebildet­e Testchart stammt von Image Engineerin­g.
 ??  ?? Die Signalvera­rbeitung versucht, das Rauschen aus den Bildern herauszure­chnen. Dabei löscht sie meist aber auch sehr feine Details, die als Rauschen missinterp­retiert werden. Entscheide­nd ist hier eine gute Balance. Zugleich fügen Nachschärf­ung, Interpolat­ion bei Digitalzoo­ms, Farbberech­nung etc. dem Rauschen aber weitere Störungen hinzu (C).
Die Signalvera­rbeitung versucht, das Rauschen aus den Bildern herauszure­chnen. Dabei löscht sie meist aber auch sehr feine Details, die als Rauschen missinterp­retiert werden. Entscheide­nd ist hier eine gute Balance. Zugleich fügen Nachschärf­ung, Interpolat­ion bei Digitalzoo­ms, Farbberech­nung etc. dem Rauschen aber weitere Störungen hinzu (C).
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