Messen mit dem Smartphone
Dass Smartphones weit mehr können als nur Telefonieren, ist klar. Dass sie sich aber als vielseitige Messinstrumente für physikalische Alltagsgröû en eignen, wird dagegen kaum wahrgenommen.
In modernen Mobiltelefonen sind zahlreiche Sensoren verbaut, die deutlich mehr messen können, als allgemein bekannt ist. Wir geben einen Überblick der Möglichkeiten.
Die Stoppuhr kennt jeder. Ein mo dernes Smartphone hat aber noch viel mehr Sensoren. Die meisten geben ihre Daten außer für inter ne Zwecke nur speziellen Apps preis.
Diese Sensoren bietet Ihr Handy
Die App Mein Gerät liefert alle Hard waredaten und zeigt die Sensoren des Smartphones an. Die meisten Daten werden in Echtzeit ausgelesen. So lässt sich die App als Thermometer, Baro meter, Kompass oder Helligkeits messer nutzen. Die App Sensors funktioniert ähnlich und zeigt die Sensordaten direkt auf dem Bild schirm an. Man muss scrollen, spart sich aber das Umschalten zwischen den Anzeigen. Die Genauigkeit beider Apps ist ähnlich gut und nur durch die Hardware bedingt.
Grafisch wesentlich anschau licher zeigt die App phyphox die Messergebnisse verschiedener Sensoren. Anhand alltagstauglicher physi kalischer Experimente werden Sensor daten visualisiert und Lichtstärke, Luft druck und Beschleunigung mit drei Achsen in Verlaufskurven dargestellt. So sieht man jede Veränderung sofort, etwa beim Gehen in einen anderen Raum, und kann sie auch noch Minuten später anhand der Kurve, die sich entlang der Zeitachse und Amplitude skaliert, nachverfolgen.
Phyphox liefert diverse Experimente zu Schall und akustischen Frequenzmessun gen. Ein Sonar misst etwa Entfernungen zu Wänden oder anderen großen, massiven Objekten über die Reflexionszeiten kurzer Schallimpulse, die über den Lautsprecher des Smartphones ausgestrahlt und mit dem Mikrofon wieder aufgenommen werden.
Phyphox bietet noch erweiterte Stopp uhren, die durch akustische Signale, Bewe gung, Annäherung oder Licht berührungs frei gestartet und gestoppt werden. Für sol che Zeitmessungen wie auch physikalische Messungen, bei denen das Smartphone un beaufsichtigt in einer Rolle einen Hang
herunterrollt oder in einem Pendel hängend die Erdbeschleunigung misst, bietet die App einen Fernzugriff. Mit einem Klick startet die App einen Webserver auf dem Smartphone und zeigt die lokale IPAdres se im WLAN an. Über diese lassen sich die Daten auf einem zweiten Gerät im Browser anzeigen, ohne das Smartphone physisch greifbar haben zu müssen. Für Outdoor messungen ohne WLAN in der Nähe kann auf dem messenden Smartphone ein Hot spot eingerichtet werden, an dem man sich mit dem zweiten Smartphone, Tablet oder Laptop anmeldet.
Längen und Lagerichtungen
Die App Lineal misst kleine Gegenstände exakt aus, indem man sie auf den Handy bildschirm legt. Die App erkennt automa tisch anhand der Hardwarespezifikationen die Größe und Auflösung des Bildschirms. Sollten die Maße nicht genau passen, ist ei ne manuelle Kalibrierung der Millimeter skala möglich.
Sollen größere Längen ermittelt werden, etwa Hauswände, lässt sich die Kamera im Smartphone zuhilfe nehmen. In Kombina tion mit dem Neigungssensor und trigono metrischen Berechnungen lassen sich Stre cken sehr genau ermitteln. Das neue Samsung Galaxy S20 liefert im Bereich ARZone (Augmented Reality) der Kame raApp neben ein paar Spielereien auch ei ne App zum Messen mit. Um die Genauig keit zu verbessern, verschaffen Sie der App einen Überblick über die Umgebung, in dem Sie das Smartphone mit laufender App ein paar Mal vor den zu messenden Objek ten hin und her schwenken.
Für Smartphones anderer Hersteller gibt es Smart Measure, die ähnlich funktioniert und in unseren Tests sogar noch bessere Er gebnisse lieferte, als die SamsungApp. Damit derartige, auf Augmented Reality basierende VermessungsApps funktionie ren, muss das Smartphone Google ARCore unterstützen.
Die App CamToPlan nutzt die gleiche Technologie zum Aufmaß innerhalb von Gebäuden. Anhand der einzeln erfassten Raumkanten lassen sich in der App Grund risse der vermessenen Räume erstellen.
Die App Kompass Wasserwaage GPS er möglicht durch Anlegen eines Smart
phones und geschickte Nutzung des Lage sensors, Tischplatten waagerecht oder Schrankwände senkrecht auszurichten. Verwenden Sie dafür das Smartphone oh ne Hülle, um exakte Anlegkanten zu haben. Auch stark gekrümmte Rückseiten und weit aus dem Gehäuse herausragende Ka meras stören die Messgenauigkeit. Die App kombiniert die Libelle der Wasser waage mit einem Kompass, um die Nei gung der Fläche direkt auf die Himmels richtung zu beziehen. Kompass und GPS funktionieren aber auch unabhängig von der horizontalen Lage des Smartphones.
Die App Kompass AR kombiniert den Kompass mit einer Landkarte; er wird di rekt im Kamerabild oder auf der Landkar te mit EchtzeitUpdates angezeigt. Ach tung: Bei allen KompassApps muss der Kompass von Zeit zu Zeit neu kalibriert werden. Schwenken Sie dazu das Smart phone ein paar Mal in Form einer Acht.
Das Seismometer nutzt den Bewegungs sensor, um Erschütterungen zu messen, während das Smartphone ruhig daliegt. Da mit lassen sich Erschütterungen, etwa durch Bauarbeiten, Detonationen oder Schwerlastverkehr, über einen Zeitraum grafisch darstellen oder als CSVDatei zur Weiterbearbeitung exportieren.
Magnetfelder und elektrische Felder
Mithilfe des Magnetometers im Smart phone erkennt die App Metalldetektor ferromagnetische Gegenstände in der Nä he. Die App eignet sich aber nicht zur Schatzsuche nach Gold oder Silber, denn diese Metalle sind nicht magnetisch.
Zwei Sensoren für hochfrequente elek tromagnetische Wechselfelder laufen im Alltag permanent auf dem Smartphone und messen die Feldstärken von WLAN und Mobilfunknetz. Wesentlich genauer er kennt WiFi Analyzer die Signalstärken und Kanäle der diversen WLANs in der Umge bung. Geht man mit dem Smartphone durchs Haus oder durch die Straße, lassen sich die optimalen Empfangsorte wie auch freie WLANs leicht ermitteln.
Die App OpenSignal kombiniert die Messung von WLAN und Mobilfunkfeld stärke. Sie zeigt die Richtung zum nächs ten Mobilfunkmast mit dem besten Emp fang und die aktuelle Downloadgeschwin digkeit. Außerdem verwaltet sie auf CrowdsourcingBasis eine umfangreiche Datenbank samt Landkarte mit WLAN und Antennenstandorten. Mithilfe der Tri angulation werden die Standorte ermittelt und ständig aktualisiert.
Eine ähnliche Technik, aber ein anderes Ziel, verfolgt die App ElectroSmart zur Messung von hochfrequenten, elektroma gnetischen Feldern (EMF) im Sinne von Elektrosmog. Neben den Zahlenwerten zur EMFExposition werden auch die Quellen, WLAN und BluetoothGeräte in der Nähe angezeigt.
Sport- und Fitnessdaten
Das auf vielen Smartphones vorinstallierte Google Fit erkennt typische Bewegungs muster durch Kombination verschiedener Sensordaten. Im Nachhinein kann man den täglichen Aktivitätenverlauf verfolgen. Die App eignet sich auch dazu, Radtouren oder Laufstrecken per GPS zu tracken sowie Strecke und Geschwindigkeit zu messen. In Kombination mit einem Fitnessarmband lassen sich auch Bewegungen in anderen
Sportarten erfassen. Samsung liefert für seine Smartphones eine vergleichbare App mit: Samsung Health. Samsung Galaxy S9 und S10 enthalten dazu auf der Rückseite noch Herzfrequenzsensoren. Legt man den Finger darauf, lassen sich Pulsschlag und Stresslevel messen. Auf dem Samsung Ga laxy S20 fehlt dieser Sensor. Die App Herz frequenzMonitor ermittelt die Herzfre quenz, indem man den Finger auf die Hauptkamera legt; dabei wird die Foto LED eingeschaltet. Die Ergebnisse sind re lativ genau.
Lautstärke und Frequenzmessung
Das Smartphonemikrofon kann zur Mes sung von Schall verwendet werden. Dabei wird die Lautstärke wie auch die Frequenz gemessen. Die App Sound Analyzer Free erfasst das gesamte akustische Spektrum und stellt die Schallmessung grafisch dar. iNVH misst den Schallpegel in verschiede nen Frequenzbereichen; auch in niedrigen, die Menschen nur als Vibration empfinden. Verschiedene GitarrenTuner, zum Bei spiel Tuner gStrings, verwenden die Senso ren als Stimmgerät, wenn der Ton zu hoch oder zu tief ist.
Messen mit zusätzlicher Hardware
Wenn die Sensoren des Smartphones nicht ausreichen, helfen externe Messgeräte weiter. Immer mehr Geräte verfügen über Bluetooth oder USB, um sie mit dem Smartphone zu verbinden, Daten zu visu alisieren oder zur Weiterbearbeitung an PCs oder CloudDienste zu senden. Einige Geräte ersparen sich so eigene Displays oder Bedienelemente. AppOberflächen lassen sich wesentlich leichter anpassen und übersetzen als bedruckte Hard wareknöpfe.
Das Thermometer im Smartphone ver fügt nur über einen sehr begrenzten Tem peraturmessbereich. Auch die Genauigkeit ist oft nicht ausreichend. Bei externen Thermometern reicht das Anwendungs spektrum von Datenloggern für Tempera tur und Luftfeuchtigkeit über medizinische Thermometer zum Messen von Fieber und Basaltemperatur bis hin zu Grill und Back ofenthermometern, wo die Messung weni ger wissenschaftliche, sondern eher kulina rische Gründe hat.
Laserentfernungsmesser sind deutlich genauer als AugmentedRealityApps. Sie sind auch an schwer zugänglichen Orten einsetzbar, wo klassische Messmethoden mit Zollstock oder Maßband nicht nutzbar sind. Die Messdaten lassen sich in der App wesentlich besser grafisch visualisieren als auf dem Gerät selbst. Ein mobiles EKG Gerät ermittelt jederzeit eine persönliche Herzkurve durch Messung an verschiede nen Stellen des Körpers. Das Gerät beur teilt automatisch den Herzrhythmus und warnt bei Auffälligkeiten. Da solche Gerä te für den Privatgebrauch keinen Rat eines Kardiologen ersetzen können, speichert die App Messdaten mehrerer Tage, um sie ei nem Arzt zu präsentieren.
Die Anbindung an Apps zur Datenaus wertung wird sich bei elektronischen Messgeräten immer mehr durchsetzen, um die Daten zu visualisieren und direkt wei terzuverarbeiten, ohne sie vom Gerät ab schreiben zu müssen.