Videodreh mit dem Smartphone
Die schönsten (Urlaubs-)Momente werden meist mit dem Smartphone gefilmt. Mit unseren Tipps erzielen Sie dabei die besten Ergebnisse.
Die schönsten Momente werden oft mit dem Mobiltelefon gefilmt. Mit unseren Profitipps erzielen Sie dabei die besten Ergebnisse.
Smartphonevideos über zeugen mit ihrer Bild qualität: FullHD und 4K sind inzwischen die Regel. Da die Geräte aus Asien kommen, sind sie für die dortigen Videonormen ausgelegt, die auch in den USA und im überwiegen den Teil von Südamerika benutzt werden.
Historisch gesehen wird die Laufgeschwindigkeit von Fern sehsystemen immer an die Netz frequenz des Stromnetzes gekop pelt. In Übersee sind das 60 Hertz; und daraus resultieren HDFrame Raten von 30p und 60p. Diese Geschwindigkeiten werden von allen Smartphones weltweit stan dardmäßig benutzt. In Europa arbeitet das Stromnetz jedoch mit 50 Hertz, daraus ergeben sich also 25p und 50p.
Wenn Sie Ihre Videos zum Up load auf USPlattformen wie Youtube nutzen, sind die fest ein gestellten USLaufgeschwindig keiten optimal. Wollen Sie jedoch 60pMaterial in ein europäisches TVProjekt mit 50p einbinden, ha ben Sie ein Problem: Pro Sekunde müssen zehn Bilder weggelassen werden – und das ruckelt.
Laufgeschwindigkeit umschalten
Mit Drittanbietersoftware können Sie den Smartphones aber auch eu ropäische Laufgeschwindigkeiten beibringen. Vom Apple iPhone stammt die dafür am häufigsten benutzte App Filmic Pro (www.fil micpro.com), deren Android Version nahezu identisch mit der MacVersion ist.
Weil die iPhones eine feste, standardisierte Hardwarebasis be nutzen und Apps ausschließlich über Apples hauseigenen App Store auf die Smartphones gelan gen, liefert Filmic Pro hier Zugriff auf fast alle Funktionen des jewei ligen Modells. In der Android
Welt sieht das anders aus: Viele Her steller kochen ihr eigenes Süppchen.
Vorsicht: Variable Frame Rate
Weit verbreitet ist bei filmenden Smartphones die variable Frame Ra te (VFR): Die Objektivblende ist da bei fest eingestellt. Die Belichtung der einzelnen Filmbilder wird durch eine unterschiedliche Laufge schwindigkeit gesteuert. Je länger die Belichtung, umso weniger Bil der pro Sekunde. Bei aufeinander folgenden Filmbildern, in denen kei ne Bewegung stattfindet, wird nur das erste gespeichert und wieder holt. Das spart Datenvolumen. Der eingebaute Videoplayer in den Smartphones kompensiert die VFR bei der Wiedergabe – auch der Windows Media Player, der Apple Quicktime Player und der VLC Player tun dies.
Viele Schnittprogramme haben damit jedoch große Probleme. Das zeigt sich meist in asynchronem Ton, bei dem die Synchronisation zudem schwankt. Mit einem ein fachen Verziehen des Tons ist das Problem also nicht zu beheben. VFREditing beherrschen derzeit beispielsweise unter Windows das sehr intuitiv bedienbare Nero Video sowie die professionellen Schnitt programme Edius Pro 9 und Adobe Premiere Pro CC, auf dem Mac klappt es mit dem beliebten iMovie und mit Apple Final Cut Pro X in der Profiliga.
Eine andere Möglichkeit ist das vorherige Umcodieren der VFR Videos mit dem kostenlosen Tool Handbrake (www.handbrake.fr) in der aktuellen Version oder mit an deren Programmen wie FFmpeg. Es funktioniert auch durch Abfilmen des laufenden Screens mit dem kos tenlosen Open Broadcaster Studio (www.obsproject.com). Die aktuel len SamsungSmartphones haben das VFRProblem offenbar nicht mehr, denn sie nehmen laut Aus kunft des Herstellers die Videos mit fixen Frame Raten auf.
Smartphonecheck und Voreinstellungen
Testen Sie Ihr AndroidSmartphone zuerst mit dem kostenlosen Filmic Pro Evaluator, um all die Funktio nen zu finden, auf die Sie Zugriff in den Filmfunktionen haben können. Das Wichtigste dabei ist die Um schaltung sämtlicher Automatiken auf manuelle Voreinstellung, denn eine pumpende Helligkeit und ein ständig wechselnder Weißwert sind in der Nachbearbeitung nicht mehr kompensierbar.
Geben Sie diese Werte besser vor jeder Aufnahme per Hand ein. Eben falls nervend: Die AudioAussteue rungsautomatik. Die händische Festeinstellung des Tonpegels ver bessert zum Beispiel bei Interviews den Ton spürbar, weil der Lautstär kepegel während der Sprechpausen nicht hochgezogen wird. Das macht den nachträglichen Einsatz von Ent störungsfiltern einfacher. Auch der Bildstabilisator sollte sich abschal ten lassen, denn ein kleines Stativ bringt die besser beruhigten Videos. Sollten Sie auch die Schärfe manu ell eingeben können, verhindert das bei statischen Aufnahmen ein stän diges Fokuspumpen zwischen Vor der und Hintergrund.
Nach der Analyse mit dem Filmic Pro Evaluator wissen Sie, worauf Sie sich bei Filmaufnahmen mit Ihrem Smartphone einlassen müs sen. Neben Filmic Pro gibt es übri gens auch noch andere Apps mit ähnlichen Funktionen im Google Play Store, beispielsweise Cinema VF5 und ProCamera.
Pimp My Hardware
Die Aufnahmemöglichkeiten bei Smartphones sind so konzipiert,
dass sich damit ganz einfach Schnappschüsse machen lassen. Ein Druck auf den Auslöser, der Rest funktioniert vollautomatisch. Ein Clip im Club mit der neuen Erobe rung, schnell gefilmt und auf eine Plattform hochgestellt – kein Pro blem. Damit verbunden sind jedoch ein paar Handicaps, mit denen man entweder leben muss oder bei denen man sich rechtzeitig um einen Work around kümmern sollte.
Linsenwechsel
Da ist zum Beispiel die fest einge baute Optik mit einem leichten Weit winkel. Sie bringt zwar möglichst viel Umfeld mit aufs Bild, geht man jedoch näher ans Motiv ran, verzerrt sie die Linien und Formen. Dieser Weitwinkeleffekt ist äußerst un günstig für Großaufnahmen von Gesichtern, beispielsweise bei E CastingAufnahmen: Hier bekom men Schauspieler einen Probetext von der CastingAgentur zugemailt, nehmen ihn mit ihrem Smartphone auf und schicken das Video zurück.
Vorteilhafter ist hier ein kleines Teleobjektiv, das zwar den Abstand zum Smartphone vergrößert, aber die Gesichter weitgehend neutral aufnimmt. Die Anschaffung eines günstigen Sets an Objektivvorsätzen mit Telelinse, einem kleinen Zoom sowie einem Makroobjektiv für De tailaufnahmen ergibt Sinn. Im Inter net finden sich viele Anbieter mit unterschiedlichen Produkten (bei spielsweise Amazon, Ebay, Rollei oder Pearl). Achten Sie beim Kauf unbedingt darauf, dass das Objektiv sich an Ihrem Smartphonemodell verwenden lässt. Eine stabile und solide Befestigung der Linse am Mobiltelefon ist wichtig.
Der gute Ton
Praktisch für Schnappschüsse, aber ebenfalls ungünstig bei Filmauf nahmen, ist das in den Smartphones eingebaute Mikrofon: Die Kugel charakteristik nimmt rundum ein fach alles auf und damit leider auch alle Störgeräusche. Ein kleines An steckmikrofon, der gefilmten Per son ans Jackett geheftet, nimmt die Stimme direkt auf und erfasst weni ger Lärm im Hintergrund.
Zur weiteren Soundoptimierung empfiehlt sich ein Mikrofon mit Richtcharakteristik (Niere oder so gar Superniere), das sozusagen wie ein kleines AudioTeleobjektiv wirkt: Es drängt Geräusche, die außerhalb der Richtwirkung erzeugt werden, in den Hintergrund. Hier gibt es jede Menge Anbieter, wobei eine gute Klangqualität in den meisten Fällen mit höheren Kosten einhergeht, die sich jedoch auszahlen.
Sparen Sie nicht am falschen Ende: Ein gutes Mikrofon werden Sie immer noch verwenden, auch wenn Sie mit dem Smartphone in zwischen schon zwei Generationen weiter sind. Zu den bekanntesten Herstellern für Mikrofone gehören unter anderem Audio Technica, Bey erdynamic, Rode, Sennheiser und Shure.
Analoge Bildstabilisierung
Trotz aller Softwaretricks benöti gen Sie für wirklich wackelfreie Videos auch eine Klemme, die das Smartphone sicher festhält und ihm ein Schraubgewinde für Fotostative verpasst. In Kombination mit einem handlichen Stativ erhalten Sie da mit optimal stabilisierte Videoauf nahmen. Hochwertigere Stative ha ben für Schwenkaufnahmen sogar einen Schwenkkopf mit eingebau ter Fluiddämpfung. Schwenks ge raten damit butterweich, die hohen Kosten für solch einen Hydrokopf rentieren sich aber nur bei häufigem Einsatz.
Professioneller Look
Für wenig Geld gibt es sogenannte KameraRigs, eine Art Rahmen mit diversen Bohrungen, an den Sie das Mikrofon und anderes Zubehör an schrauben können. Das Smartphone wird damit allerdings ein wenig un handlicher. Aber auf dem Stativ sieht das dann alles sehr professionell aus. Unter Umständen sogar professio nell genug, um einen Streifenwagen zum Anhalten zu bringen, dessen Fahrer Sie nach einer offiziellen Drehgenehmigung fragt. In Groß städten ist das nämlich infolge häu figer Dreharbeiten zu einer guten Einnahmequelle des Amts für öf fentliche Ordnung geworden.
Nutzen Sie stattdessen lieber den Hauptvorteil Ihres Smartphones: Dank seiner handlichen und zu gleich unscheinbaren Bauweise ist es die optimale Filmkamera für
unauffällige UndercoverAufnah men mit wirklich guter Bildqualität.
Für helle Köpfe
Ein weiteres hilfreiches Zubehör ist ein kleines Kamerakopflicht, das zum Beispiel auf dem Rig befestigt werden kann. Damit setzen Sie bei Großaufnahmen die Gesichter ins richtige Licht. Je nach vorhandener Umgebungsbeleuchtung sollte die Farbtemperatur zwischen Tages und Kunstlicht einstellbar sein.
Die LEDTechnik ist inzwischen sehr verbreitet, weil LEDs sehr wenig Strom verbrauchen. Einen Nachteil haben sie jedoch: Während Glühbirnen und Halogenlampen ein kontinuierliches Farbspektrum ab strahlen und alle Lichtfarben gleich mäßig wiedergeben, zeigen LEDs immer noch konstruktionsbedingt starke Einbrüche im Lichtspektrum, meist bei den roten Farbtönen.
Das wird im Video durch eine leichte Farbveränderung und etwas blassere Rottöne sichtbar und tritt hauptsächlich bei Großaufnahmen deutlicher auf. Für LEDLampen im Haushalt beschreibt der CRIWert mit der Einheit Ra die Abweichung. Eine Lampe mit einem CRIWert von 100 Ra zeigt keinerlei Farbver fälschungen. LEDs liegen derzeit im Bestfall bei 97 Ra, bei BilligLEDs ist ein RaWert von 80 üblich.
Damit ist auch gleich der Unter schied zwischen billig und teuer ein deutig erkennbar: ProfiLED Scheinwerfer arbeiten mit mehreren unterschiedlich gefärbten LEDs und versuchen damit, den Einbruch im Farbspektrum zu kompensieren – billige LEDs machen das nicht. Da Ihre Filmlampe am Ende mehrere Smartphonegenerationen überleben wird, gilt wie beim Mikrofon: Lang fristig gesehen ist auch hier Spar samkeit nicht angezeigt.
Editing – mobil
Videoschnittprogramme für das Smartphone gibt es eine ganze Men ge, viele sind kostenlos. Sie alle er möglichen eine rudimentäre Schnitt bearbeitung mit ein paar Effekten. Beim Samsung Note 10 Plus ist so gar ein Videoeditor bereits an Bord. Praktisch unter den Kaufprodukten ist der CyberLink PowerDirector 2019. Er unterstützt zudem den ein fachen Upload zu Facebook und Youtube. Beachten Sie beim Kauf bitte eventuelle Hardwareanforde rungen der Schnittprogramme an das Smartphone.
Wesentlich komfortabler ist aller dings der Videoschnitt auf dem PC, denn auf einem großen Monitor sind Details besser erkennbar als auf dem Display eines Smartphones. Das Arbeiten ist angenehmer und die Funktionsvielfalt der Program me deutlich größer.
Zusammenfassung
Smartphones liefern sehr gute Video qualität. Mit Filmic Pro oder einer ähnlichen Applikation fügen Sie dem Telefon die Einstellmöglichkeiten einer Filmkamera hinzu. Die Video funktionen eignen sich unter ande rem für gefilmte Schnappschüsse, als Videonotizbuch oder für die Videotelefonie. Dank der unschein baren Größe eignen sich Smartpho nes für VersteckteKameraAufnah men, die sich in begrenztem Umfang auch professionell einsetzen lassen.
Nutzen Sie manuelle Einstellmög lichkeiten in der Kamera vor der Aufnahme, um nachträgliche Bild manipulationen möglichst zu ver meiden. Die starke Komprimierung des Aufnahmematerials ist ungüns tig für ein nachträgliches Grading.
Für Internetplattformen lassen sich mit Smartphones sogar dokumenta rische Kurzbeiträge drehen. Für sze nische Aufnahmen mit Drehbuch und Schauspielern ist eine handels übliche, robustere HDKamera je doch geeigneter – und, rechnet man das Zubehör zusammen, oft auch günstiger. Sie ermöglicht zudem den flotteren Wechsel der Datenträger, verhindert damit lange Drehpausen und hat keine VFR.