5G: Der Stand der Technik
Alle drei etablierten deutschen Netzbetreiber haben mittlerweile gestartet – und sind mit dem Ausbau der neuen Mobilfunkgeneration unterschiedlich weit. 1&1 läuft sich für 2021 warm.
Die drei etablierten Netzbetreiber in Deutschland haben mittlerweile 5G gestartet und sind beim Ausbau unterschiedlich weit. 1&1, der vierte im Bunde, läuft sich noch warm.
Technologien entwickeln sich in der Regel evolutionär. Auch wenn es die Marketingabteilungen gern behaupten, sind riesige Entwicklungssprünge eher die Ausnahme. Das gilt auch für 5G.
Die neue Mobilfunktechnologie ist seit 2020 definitiv „da“. Aber das heute verfügbare 5G bietet noch längst nicht alles, was auch connect im Vorfeld immer wieder angekündigt hatte: Ultrakurze Latenzen bis hinab zu einer Millisekunde, Mobile Edge Computing, Ultra Reliability (Zuverlässigkeit bis zu 99,9999%, wobei die Anzahl der Neunen hinter dem Komma entscheidend ist) oder „Network Slices“für Maschinenkommunikation, die IoT-Sensoren mit Batterielaufzeiten von mehreren Jahren ermöglichen – all das sind Eigenschaften, die die 5G-Netze in Zukunft noch bekommen sollen, heute aber noch nicht haben.
Schrittweise ausbauen ist normal
Das ist jedoch ganz normal, wie ein Blick zehn Jahre zurück zeigt: Die ersten 4G-Mobilfunkzellen, die hierzulande 2010 installiert wurden, lieferten Datenraten von maximal 150 Mbit/s. Sechs Jahre später wurde dann mit „LTE Advanced Pro“die Gigabit-Marke geknackt. Ähnliches wiederholt sich nun bei 5G – wobei es diesmal weniger die Datenraten sind, denen noch eine Evolution bevorsteht. Sondern eben die anderen, soeben aufgezählten Eigenschaften.
2020 wurde bereits viel erreicht
Dennoch haben die Netzbetreiber in den vergangenen Monaten große Schritte gemacht, um 5G auszurollen. Die Nase klar vorn hat derzeit die Deutsche Telekom, die zum Jahreswechsel 2020/2021 bereits rund 55 Millionen Nutzer in Deutschland (genauer gesagt: deren Haushalte) mit ihrem aktuellen 5G-Angebot erreicht. Dafür nutzen die Bonner in Städten die durch die UMTS-Abschaltung schrittweise frei werdenden Frequenzen um 2,1 GHz („Band 1“) und ergänzen sie um punktuelle Versorgung im neuen „5G-Frequenzbereich“um 3,6 GHz („Band 78“, im Industrie-Slang auch als „C-Band“oder „Highband“bezeichnet). Für die 5G-Versorgung in der Fläche kommt noch 5G per DSS (dazu gleich mehr) auf 900 MHz hinzu. Später ist auch ein Ausbau auf 700 MHz („Band 28“) geplant.
Vodafone meldete zum Jahresende 2020, rund 16 Millionen Menschen in Deutschland mit 5G zu erreichen – laut den Düsseldorfern nicht nur in Großstädten, sondern auch in Hunderten kleineren Gemeinden. Für die
Flächenversorgung nutzt Vodafone den Frequenzbereich 700 MHz und ermöglicht im sogenannten „Midband“um 1,8 GHz („Band 3“) die schnellere Versorgung über etwas größere Strecken. In beiden Frequenzbändern kommt ebenfalls DSS zum Einsatz. Vodafone-TechnikChef Gerhard Mack erklärt die Ausbaustrategie: „Die höchsten Bandbreiten bringen nichts, wenn sie nicht bei den Menschen in den Häusern ankommen. Beim Ausbau von 5G gilt es, sämtliche Dimensionen zu beachten: Bandbreite, Reichweite und Latenzzeit.“Ergänzt wird das Angebot deshalb im 5G-„Highband“(bei Vodafone um 3,5 GHz, „Band 78“) durch punktuelle Highspeed-Versorgung. Auch die Düsseldorfer wollen zudem das durch die UMTS-Abschaltung frei werdende 2,1-GHzBand künftig für die kombinierte 5G- und LTE-Versorgung nutzen.
Telefónica hatte sein 5G-Netz symbolträchtig am Tag der Deutschen Einheit gestartet. Seit dem 3. Oktober 2020 stieg die 5G-Versorgung im O2-Netz bereits von anfangs fünf auf nun „mindestens 15“Städte – siehe auch Seite 45 unten. „Schon in zwei Jahren werden wir gut die Hälfte und spätestens 2025 dann ganz Deutschland mit 5G versorgen“, verspricht TelefónicaDeutschland-CEO Markus Haas. Zum Start des Ausbaus konzentrierte sich Telefónica auf das 5G-„Highband“3,6 GHz, bietet dort aber anfangs nur eine Maximalgeschwindigkeit von 300 Mbit/s an. 2021 soll das 5G-Angebot um die frei werdenden UMTS-Frequenzen bei 2,1 GHz ausgeweitet werden – auch hier mit der Brückentechnologie DSS und zudem mit höheren Datenraten.
1&1 Drillisch rüstet sich dafür, 2021 als vierter 5G-Anbieter in Deutschland zu starten. Bei der 5GFrequenzauktion 2019 ersteigerte das Unternehmen Frequenzen in den Bereichen 3,6 GHz und 2,1 GHz – wobei Letztere bis Ende 2025 noch Telefónica zugesprochen sind, und von 1&1 erst ab 2026 genutzt werden können. Für seinen eigenen 5GMarktstart, der im Lauf von 2021 erwartet wird, will 1&1 deshalb zusätzlich zum eigenen Spektrum auch Frequenzen im Bereich 2,6 GHz („Band 7“) von Telefónica mieten. Zudem drängt 1&1 auf „National Roaming“für 5G – also die Möglichkeit, für eine Übergangszeit die Netze der Mitbewerber mit zu nutzen. Da die sich dagegen bislang eher sperren, fordern die Montabaurer nun von der Bundesnetzagentur in ihrem Sinne ausgeweitete Vorgaben.
Schon jetzt können 1&1-Kunden erste Angebote auf Basis des O2-Netzes erhalten (siehe auch Kasten „5GTarife“auf Seite 45). Da der Newcomer im Gegensatz zu den etablierten Anbietern keine bereits existierende Mobilfunk-Infrastruktur aufrüsten muss, setzt 1&1-Chef Ralph Dommermuth von Anfang an auf ein hochmodernes, voll virtualisiertes Kernnetz: „Unser Ziel ist es, ein leistungsfähiges 5G-Netz zu bauen, das
sich von bisherigen Netzen unterscheidet.“Das 5G-Netz von 1&1 entstehe daher komplett in der Cloud.
Physik gibt Frequenznutzung vor
Grundsätzlich breiten sich niedrigere Mobilfunkfrequenzen wegen ihrer physikalischen Eigenschaften (nämlich längerer Wellen) besser in der Fläche aus und sind daher für größere Funkzellen mit Radien bis etwa acht Kilometer geeignet.
Dafür erlaubt das Lowband zwischen 700 und 900 MHz wegen der hier verfügbaren geringeren Kanalbandbreite und der höheren Anzahl an möglichen Nutzern pro Zelle typischerweise niedrigere Datenraten – der 5G-Funkstandard „5G New Radio“erzielt hier 200 bis 225 Mbit/s.
Demgegenüber reichen die 5GSignale auf den höheren Frequenzen weniger weit, bieten dafür aber höhere Kapazitäten. Im „Midband“(Telekom sowie künftig auch O2 und Vodafone: 2,1 GHz, Vodafone momentan: 1,8 GHz) beträgt der Radius einer Funkzelle typischerweise zwei bis drei Kilometer, die möglichen Datenraten liegen bei etwa 500 Mbit/s.
Das „Highband“bei 3,6 GHz ermöglicht Funkzellen mit Radien von 500 bis 1000 Metern, schafft mit 5G aber noch höhere Datenraten – bislang bis zu 1 Gigabit/s. Zudem funktioniert auf den hohen Frequenzen das „Beamforming“– die clevere Fokussierung der Funksignale von MIMO-Antennen auf die 5G-Nutzer beziehungweise ihre Empfangsgeräte – am besten (siehe Grafik auf der rechten Seite). Allerdings reichen die hohen Frequenzen wiederum schlechter in Gebäude hinein.
Viele aktuelle 5G-Endgeräte unterstützen zudem „NR CA“(New Radio Carrier Aggregation) – können also die Datenraten mehrerer empfangener 5G-Frequenzen kombinieren.
5G braucht derzeit noch 4G-Hilfe
Bei den drei bereits heute in Deutschland aktiven 5G-Anbietern weisen die ersten 5G-Funkzellen noch eine weitere Besonderheit auf: Sie arbeiten ausschließlich nach dem Standard „5G NSA“– „Non Standalone“. Damit ist gemeint, dass noch nicht alle Komponenten im Netz auf eigenständigen 5G-Betrieb ausgelegt sind. 5G-Funkzellen werden daher momentan immer in Kombination mit 4G/LTE realisiert. 5GSmartphones benötigen im NonStand-alone-Betrieb eine sogenannte Ankerfrequenz im LTE-Netz und schalten erst von dort auf den 5GModus hoch. Das hat zur Konsequenz, dass 5G-Smartphones bestimmte Netzkonstellationen wie die auf Seite 41 oben dargestellten Frequenzkombinationen nur nutzen können, wenn ihre Funktechnik auch die erforderlichen 4G-Ankerbänder mit abdeckt – und wenn ihre Firmware die Umschaltung zwischen 4G und 5G spezifisch auf den vom Netzbetreiber eingesetzten Frequen
zen unterstützt. Das ist einer der Gründe, warum Early Adopters 5G-Smartphones am besten direkt beim Netzbetreiber oder zumindest in einer explizit für das jeweilige Netz ausgelegten Version kaufen sollten. Allerdings ergänzen die Smartphone-Hersteller diese jeweiligen Netzbetreiber-Eigenheiten schrittweise auch in ihren allgemeinen Firmware-Varianten.
Dabei ist der Einsatz von 5G NonStand-alone nicht nur in den historisch gewachsenen Netzstrukturen begründet. Auch die technischen Standards für 5G wurden nur Schritt für Schritt spezifiziert und sahen aus praktischen Gründen zunächst den Non-Stand-alone-Betrieb vor. Die 5GStandards werden in verschiedenen „Releases“(Versionen) vom Anbietergremium 3GPP verabschiedet und veröffentlicht. Sein Name „3rd Generation Partnership Project“stammt noch aus der Gründungszeit von 3G/UMTS, mittlerweile liegt der Fokus aber auf 5G und sogar schon den Vorbereitungen für 6G.
Der aktuelle 5G-Ausbau basiert im Wesentlichen auf dem 2019 veröffentlichten 3GPP-„Release 15“(siehe unten). Erst Mitte 2020 folgten die Neuerungen des Release 16.
Die müssen erst mal in die von den Betreibern installierten Komponenten und neue Netzelemente Einzug halten. Wobei moderne Mobilfunknetze davon profitieren, dass sie die meisten Funktionen per „SDN“(Software-defined Networking) realisieren, weshalb sich Innovationen häufig allein durch Software-Updates nachrüsten lassen. Innerhalb gewisser Grenzen gilt dies auch für die Firmware von 5G-Smartphones. Klares Ziel der Netzbetreiber ist in jedem Fall, 5G im Endeffekt als Stand-aloneNetze
(„5G SA“) zu bauen – denn nur in dieser Netzarchitektur lassen sich die eingangs genannten Vorteile von 5G realisieren. „Wir werden 5G Stand-alone einführen, wenn damit ein Mehrwert für unsere Kunden entsteht“, sagt Telekom-CTO Walter Goldenits dazu. „Das ist abhängig vom Nutzungsverhalten und den Anwendungsmöglichkeiten. Wir beobachten die Entwicklungen und treiben 5G aktiv weiter voran“. Während sich Telekom und Vodafone bei unserer Befragung zu ihren konkreten
Plänen bezüglich 5G Stand-alone (siehe auch gegenüberliegende Seite unten) noch recht bedeckt hielten, kündigten O2 und 1&1 eigenständige 5G-Kernnetze bereits für 2021 an.
Übergangsweise im Mischbetrieb
Nicht zu verwechseln ist die Frage Stand-alone oder Non Stand-alone allerdings mit einer anderen Mischtechnik von 4G und 5G: DSS – dem „Dynamic Spectrum Sharing“.
Dieses Verfahren gilt als gute Übergangslösung für die Erweiterung bestehender 4G/LTE-Netze hin zu 5G. Damit kann eine Basisstation ihre Kapazität nach Bedarf zwischen 4G und 5G aufteilen – je nachdem, wie viele Nutzer mit welchen Endgeräten momentan in einer Funkzelle angemeldet sind. Die Funktionsweise illustriert die Infografik auf Seite 42. Der Vorteil für die Betreiber: Sie können 5G ausbauen, ohne bestehende 4G-Nutzer einzuschränken. Allerdings hat dieser pragmatische Übergangsmodus auch Nachteile: Die Gesamtkapazität des eingesetzten Spektrums wird schlechter ausgenutzt als mit 5G allein. Zudem basiert DSS naheliegenderweise auf 5G Non-Stand alone – nach dem Umstieg auf „alleinstehendes“5G ist das dynamische Umschalten nicht mehr möglich. Telefónica-CTO Mallik Rao formuliert seine Sicht so: „Wir werden unseren 5G-Ausbau im Jahr 2021 um den Einsatz von DSS erweitern. Dabei sehen wir DSS jedoch als Brückentechnologie zu einem eigenständigen 5G-Netz.“
Ausblick: Rel. 17/18 und mmWave
Wie die Netzbetreiber gern betonen, ist ein Mobilfunknetz nie wirklich „fertig“– und gerade der 5G-Ausbau verspricht für die Zukunft noch viele Verbesserungen und Erweiterungen. Zu ihnen wird auch das „Release 17“beitragen, das Ende 2021 oder Anfang 2022 verabschiedet werden dürfte. Und die Arbeit an „Release 18“hat bereits begonnen.
Ein weiterer Fokus bei 5G dürfte zudem bald auf den Millimeterwellen (mmWave) liegen: Frequenzen im Bereich um 26 GHz („Band 258“, die Wellenlängen betragen hier nur noch wenige Millimeter). Sie versprechen sehr hohe Datenraten, erlauben aber aus den bereits erklärten physikalischen Gründen nur Reichweiten von wenigen Hundert Metern. In den USA, wo mmWave-Frequenzen für die 5G-Betreiber bereits verfügbar sind, kommen sie daher nur im städtischen Raum für Kleinzellen („Smart Cells“) zum Einsatz. In Deutschland steht die Frequenzauktion für 26 GHz noch aus, bislang hat die Bundesnetzagentur dafür noch nicht einmal einen Termin bekanntgegeben. Doch auch die mmWave-Frequenzen werden zur weiteren Evolution von 5G sicher beitragen.