Apple iPad Air 2020
Das neue Magic Keyboard kostet so viel wie ein mittel gutes AndroidTablet, zusammen mit dem iPad Air 2020 landet man schnell bei über 1000 Euro. Ist Apple von allen guten Geistern verlassen?
Obwohl das iPad Air deutlich günstiger ist als die Pro-Version, kostet sie mehr als die meisten Android-Tablets. Ist die vierte Generation der Apple-Flunder dennoch ihr Geld wert?
Bei Apple waren die Preise schon immer atemberaubend, aber das neue Magic Keyboard für das iPad Air 2020 (oder das 11er-iPad-Pro) ist eine neue Hausnummer: 349 Euro verlangt Apple für die Tastatur – und der Apple Pencil ist nicht mit dabei, sondern reißt mit 135 Euro einen weiteren Krater in der Brieftasche auf. Knapp 500 Euro nur für das Zubehör – selbst für hartgesottene Apple-Fans ist das schwere Kost.
Doch wenn man damit arbeitet, ändert sich die Perspektive. Wir haben die teure Tastatur in Kombination mit dem neuen iPad Air getestet und hatten viel Freude damit.
Der Betrachtungswinkel ist stufenlos einstellbar, die Tasten haben eine Hintergrundbeleuchtung, und der integrierte USB-C-Anschluss stellt eine zusätzliche Schnittstelle bereit, sodass man den Akku laden und parallel weiteres Zubehör anschließen kann. Die matte, rutschfeste Kunststoffoberfläche hat sich bereits bei Apples Smart Folios bewährt. Das Schreibgefühl reicht an eine echte Tastatur heran. Kein Wunder, denn Apple verwendet dieselbe Scherenkonstruktion wie bei den neuen Macbooks, lediglich der Tastenhub wurde konstruktionsbedingt etwas reduziert. Er ist dann auch etwas kurz für Vielschreiber, aber das Trackpad kitzelt ganz neue Möglichkeiten aus iPad OS heraus. Das Tablet-Betriebssystem, das ab Version 13.4 optional mit Mauszeiger bedient werden kann, rückt sehr dicht an einen Desktop heran. Die Gewohnheit, mit dem Finger auf das Display zu tippen, lässt mit der Zeit schnell nach. Dann stellt sich entspanntes Arbeiten ein, bei dem wir auch von den Mehrfingergesten profitierten. So konnten wir zum Beispiel per Spreizgeste in Fotos zoomen und in Safari mit zwei Fingern vorwärts und rückwärts wischen. In vielen Situationen kann das Notebook in der Tasche bleiben. Und im Gegensatz zu diesem ist das iPad nach dem
Aufklappen sofort startklar. Größe und Gewicht sind dagegen keine Vorteile mehr, denn mit 1074 Gramm und mehr als 15 Millimetern ist die iPad-Kombination schwerer und dicker als viele Ultrabooks.
Moderner Look der Pro-Serie
Kommen wir zum Tablet, und hier steht natürlich der Vergleich mit dem Vorgänger an erster Stelle. Das iPad Air hat 2020 einen großen Sprung nach vorne gemacht. Mit dem kantigen Unibody, der zu 100 Prozent aus recyceltem Aluminium besteht, rückt die neue Generation näher an die Pro-Serie heran. Weil die Abmessungen fast übereinstimmen, ist das Air mit dem Zubehör des iPad Pro kompatibel – der Apple Pencil etwa dockt problemlos magnetisch am Rahmen an. Auch älteres Zubehör passt: Das Smart Cover unseres 2018er-iPad-Pro-11“lässt sich ohne Umstand mit dem Air nutzen (an einer Seite steht das Cover minimal über). Auch die Frontseite profitiert von dem neuen Design: Die Displayränder sind zwar etwas breiter als bei Pro-Modellen, im Vergleich mit den zentimeterbreiten Streifen des iPad Air 2019 ist der Fortschritt jedoch unübersehbar. Der moderne Look überzeugt, zumal Cupertino bei Verarbeitung und Haptik die gewohnt hohen Standards bedient.
Die schmalere Displayeinfassung hat zudem den Vorteil, dass Apple ein größeres Display einbauen kann, obwohl sich Größe und Gewicht kaum verändern. Das neue Design lässt allerdings keinen Platz für den breiten Touch-ID-Knopf unter dem Display. Weil die Entsperrung mit Face ID der Pro-Serie vorbehalten bleibt, integriert Apple den Finger
abdrucksensor in die Power-Taste rechts oben im Rahmen. Eine gute Entscheidung, nach einem Druck darauf gelingt die Erkennung schnell und zuverlässig, und man landet verzögerungsfrei auf dem Homescreen.
Ist das Air das günstigere Pro?
Der flinke Entsperrvorgang gibt bereits das hohe Tempo vor, das Apple auf dem Air 2020 geht. Mit dem A14 ist einer der weltweit leistungsstärksten Mobilprozessoren eingebaut. Das SoC, das auch in den 12eriPhones den Takt vorgibt, liefert eine Performance, die mit dem A12Z der aktuellen Pro-Serie mithalten kann. Anspruchvolle Apps und Spiele oder Videoschnitt sind mit diesem Tablet kein Problem. Auch bei den Anschlüssen orientiert Apple sich an der Pro-Serie und ersetzt den LightningPort durch eine USB-C-Schnittstelle, die nach der Spezifikation 3.2 Gen 1 Daten mit bis zu 5 Gbit/s überträgt. Die Qualität des Displays überzeugt ebenfalls, auf 10,9 Zoll werden 2360 x1640 Pixel leuchtstark und für ein LCD sehr blickwinkelstabil dargestellt, dank True Tone wird nicht nur die Helligkeit, sondern auch die Farbtemperatur ans Umgebungslicht angepasst. So langsam stellt sich die Frage, warum man überhaupt noch ein iPad Pro kaufen soll, wenn das Air ein ähnliches Paket bietet?
Ein paar feine Unterschiede gibt es. Während beim Pro vier Lautsprecher in vier Richtungen abstrahlen, ist es beim Air ein Stereopaar, (das nicht ganz so voluminös klingt). Die 12-Megapixel-Kamera macht zwar bei Tageslicht gute Fotos, schwächelt aber bei wenig Licht, und es fehlen eine zweite Optik und ein LiDAR-Sensor, der besonders für AR-Anwendungen interessant ist. Der Verzicht auf Face ID führt zudem dazu, dass Animoji im Videochat nicht verfügbar sind. Und während das iPad Pro Inhalte mit bis zu 120 Hertz abbildet, was ein besonders flüssiges Scrolling ermöglicht, ist beim iPad Air bei 60 Hertz Schluss. Hinzu kommt, dass das iPad Pro 11“mehr als 13 Stunden n unserem genormten Laufzeittest schafft, während das Air nach zehn Stunden an die Steckdose muss. Eine solche Akkulaufzeit erlaubt zwar immer noch komfortables Arbeiten, ist aber eben nicht Spitzenklasse.
So lautet auch unser Gesamtfazit: Apple gelingt ein gutes Tablet, dem nur an wenigen Stellen der letzte Schliff fehlt. Wer das Beste vom Besten möchte, kommt um die ProSerie nicht herum – oder er schaut sich im Android-Lager um. Mit der Tab-S7-Serie bietet Samsung hier ein ebenbürtiges Äquivalent.