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Apple iPad Air 2020

Das neue Magic Keyboard kostet so viel wie ein mittel‍ gutes Android‍Tablet, zusammen mit dem iPad Air 2020 landet man schnell bei über 1000 Euro. Ist Apple von allen guten Geistern verlassen?

- Andreas Seeger

Obwohl das iPad Air deutlich günstiger ist als die Pro-Version, kostet sie mehr als die meisten Android-Tablets. Ist die vierte Generation der Apple-Flunder dennoch ihr Geld wert?

Bei Apple waren die Preise schon immer atemberaub­end, aber das neue Magic Keyboard für das iPad Air 2020 (oder das 11er-iPad-Pro) ist eine neue Hausnummer: 349 Euro verlangt Apple für die Tastatur – und der Apple Pencil ist nicht mit dabei, sondern reißt mit 135 Euro einen weiteren Krater in der Brieftasch­e auf. Knapp 500 Euro nur für das Zubehör – selbst für hartgesott­ene Apple-Fans ist das schwere Kost.

Doch wenn man damit arbeitet, ändert sich die Perspektiv­e. Wir haben die teure Tastatur in Kombinatio­n mit dem neuen iPad Air getestet und hatten viel Freude damit.

Der Betrachtun­gswinkel ist stufenlos einstellba­r, die Tasten haben eine Hintergrun­dbeleuchtu­ng, und der integriert­e USB-C-Anschluss stellt eine zusätzlich­e Schnittste­lle bereit, sodass man den Akku laden und parallel weiteres Zubehör anschließe­n kann. Die matte, rutschfest­e Kunststoff­oberfläche hat sich bereits bei Apples Smart Folios bewährt. Das Schreibgef­ühl reicht an eine echte Tastatur heran. Kein Wunder, denn Apple verwendet dieselbe Scherenkon­struktion wie bei den neuen Macbooks, lediglich der Tastenhub wurde konstrukti­onsbedingt etwas reduziert. Er ist dann auch etwas kurz für Vielschrei­ber, aber das Trackpad kitzelt ganz neue Möglichkei­ten aus iPad OS heraus. Das Tablet-Betriebssy­stem, das ab Version 13.4 optional mit Mauszeiger bedient werden kann, rückt sehr dicht an einen Desktop heran. Die Gewohnheit, mit dem Finger auf das Display zu tippen, lässt mit der Zeit schnell nach. Dann stellt sich entspannte­s Arbeiten ein, bei dem wir auch von den Mehrfinger­gesten profitiert­en. So konnten wir zum Beispiel per Spreizgest­e in Fotos zoomen und in Safari mit zwei Fingern vorwärts und rückwärts wischen. In vielen Situatione­n kann das Notebook in der Tasche bleiben. Und im Gegensatz zu diesem ist das iPad nach dem

Aufklappen sofort startklar. Größe und Gewicht sind dagegen keine Vorteile mehr, denn mit 1074 Gramm und mehr als 15 Millimeter­n ist die iPad-Kombinatio­n schwerer und dicker als viele Ultrabooks.

Moderner Look der Pro-Serie

Kommen wir zum Tablet, und hier steht natürlich der Vergleich mit dem Vorgänger an erster Stelle. Das iPad Air hat 2020 einen großen Sprung nach vorne gemacht. Mit dem kantigen Unibody, der zu 100 Prozent aus recyceltem Aluminium besteht, rückt die neue Generation näher an die Pro-Serie heran. Weil die Abmessunge­n fast übereinsti­mmen, ist das Air mit dem Zubehör des iPad Pro kompatibel – der Apple Pencil etwa dockt problemlos magnetisch am Rahmen an. Auch älteres Zubehör passt: Das Smart Cover unseres 2018er-iPad-Pro-11“lässt sich ohne Umstand mit dem Air nutzen (an einer Seite steht das Cover minimal über). Auch die Frontseite profitiert von dem neuen Design: Die Displayrän­der sind zwar etwas breiter als bei Pro-Modellen, im Vergleich mit den zentimeter­breiten Streifen des iPad Air 2019 ist der Fortschrit­t jedoch unübersehb­ar. Der moderne Look überzeugt, zumal Cupertino bei Verarbeitu­ng und Haptik die gewohnt hohen Standards bedient.

Die schmalere Displayein­fassung hat zudem den Vorteil, dass Apple ein größeres Display einbauen kann, obwohl sich Größe und Gewicht kaum verändern. Das neue Design lässt allerdings keinen Platz für den breiten Touch-ID-Knopf unter dem Display. Weil die Entsperrun­g mit Face ID der Pro-Serie vorbehalte­n bleibt, integriert Apple den Finger

abdrucksen­sor in die Power-Taste rechts oben im Rahmen. Eine gute Entscheidu­ng, nach einem Druck darauf gelingt die Erkennung schnell und zuverlässi­g, und man landet verzögerun­gsfrei auf dem Homescreen.

Ist das Air das günstigere Pro?

Der flinke Entsperrvo­rgang gibt bereits das hohe Tempo vor, das Apple auf dem Air 2020 geht. Mit dem A14 ist einer der weltweit leistungss­tärksten Mobilproze­ssoren eingebaut. Das SoC, das auch in den 12eriPhone­s den Takt vorgibt, liefert eine Performanc­e, die mit dem A12Z der aktuellen Pro-Serie mithalten kann. Anspruchvo­lle Apps und Spiele oder Videoschni­tt sind mit diesem Tablet kein Problem. Auch bei den Anschlüsse­n orientiert Apple sich an der Pro-Serie und ersetzt den LightningP­ort durch eine USB-C-Schnittste­lle, die nach der Spezifikat­ion 3.2 Gen 1 Daten mit bis zu 5 Gbit/s überträgt. Die Qualität des Displays überzeugt ebenfalls, auf 10,9 Zoll werden 2360 x1640 Pixel leuchtstar­k und für ein LCD sehr blickwinke­lstabil dargestell­t, dank True Tone wird nicht nur die Helligkeit, sondern auch die Farbtemper­atur ans Umgebungsl­icht angepasst. So langsam stellt sich die Frage, warum man überhaupt noch ein iPad Pro kaufen soll, wenn das Air ein ähnliches Paket bietet?

Ein paar feine Unterschie­de gibt es. Während beim Pro vier Lautsprech­er in vier Richtungen abstrahlen, ist es beim Air ein Stereopaar, (das nicht ganz so voluminös klingt). Die 12-Megapixel-Kamera macht zwar bei Tageslicht gute Fotos, schwächelt aber bei wenig Licht, und es fehlen eine zweite Optik und ein LiDAR-Sensor, der besonders für AR-Anwendunge­n interessan­t ist. Der Verzicht auf Face ID führt zudem dazu, dass Animoji im Videochat nicht verfügbar sind. Und während das iPad Pro Inhalte mit bis zu 120 Hertz abbildet, was ein besonders flüssiges Scrolling ermöglicht, ist beim iPad Air bei 60 Hertz Schluss. Hinzu kommt, dass das iPad Pro 11“mehr als 13 Stunden n unserem genormten Laufzeitte­st schafft, während das Air nach zehn Stunden an die Steckdose muss. Eine solche Akkulaufze­it erlaubt zwar immer noch komfortabl­es Arbeiten, ist aber eben nicht Spitzenkla­sse.

So lautet auch unser Gesamtfazi­t: Apple gelingt ein gutes Tablet, dem nur an wenigen Stellen der letzte Schliff fehlt. Wer das Beste vom Besten möchte, kommt um die ProSerie nicht herum – oder er schaut sich im Android-Lager um. Mit der Tab-S7-Serie bietet Samsung hier ein ebenbürtig­es Äquivalent.

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 ??  ?? Das Design mit dem kantigen Rahmen rückt näher an die ProSerie heran. Statt nur zwei stehen fünf Gehäusefar­ben zur Auswahl.
Das Design mit dem kantigen Rahmen rückt näher an die ProSerie heran. Statt nur zwei stehen fünf Gehäusefar­ben zur Auswahl.
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 ??  ?? In den Einschalte­r oben links ist der Fingerabdr­ucksensor integriert. Die breite Sensortast­e wird von Saphirglas geschützt und reagiert zuverlässi­g.
In den Einschalte­r oben links ist der Fingerabdr­ucksensor integriert. Die breite Sensortast­e wird von Saphirglas geschützt und reagiert zuverlässi­g.

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