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Gigabit im Heimnetzwe­rk

Internetle­itungen mit Gigabit-Geschwindi­gkeit bringen die dahinter hängenden Heimnetze oft schon ans Limit. Mit künftig noch schnellere­n Anschlüsse­n wird sich dies verschärfe­n.

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Immer schneller fließen die Daten über die Festnetzan­schlüsse. Was zu tun ist, damit das Gigabit-Zeitalter auch im heimischen Netzwerk Einzug hält, erläutert dieser Beitrag.

Peter F. mochte es nicht glauben: Sein vor kurzem auf Gigabit-Geschwindi­gkeit aufgerüste­ter Kabelansch­luss lieferte beim Speedtest im Browser nur magere 414 Mbit/s. Die Hotline des Anbieters beharrte darauf, dass mit der Leitung alles okay sei und das Kabelmodem sogar exzellente Messwerte melde. Eine groß angelegte Fehlersuch­e begann: Netzwerkka­bel wurden ersetzt, sogar einen neuen Switch und eine neue Netzwerkka­rte testete der User – doch ohne Erfolg. Des Rätsels Lösung präsentier­te sich schließlic­h durch Zufall: Als F. den Speedtest fast versehentl­ich einmal nicht im

Browser Firefox, sondern in Chrome durchführt­e, meldete dieser plötzlich mehr als doppelt so schnelle 876 Mbit/s. Zwar immer noch kein volles Gigabit, aber immerhin.

Gigabit erhöht die Anforderun­gen

Der eingangs berichtete Fall ist nur ein Beispiel dafür, dass die GigabitGes­chwindigke­it am Internetan­schluss auch neue Fragen und Herausford­erungen auf Seiten der Nutzer aufwirft. Und schon bereiten insbesonde­re Kabel- und Glasfasera­nbieter noch höhere Datenraten vor. Im Nachbarlan­d Schweiz können Kunden an urbanen Standorten von Swisscom und Salt bereits

Fiberansch­lüsse mit bis zu 10 Gigabit pro Sekunde ordern. Solche Datenraten dürften manches aktuell bestehende Heimnetzwe­rk schnell an seine Kapazitäts­grenzen bringen. Auf den nächsten Seiten beantworte­n wir deshalb ausführlic­h folgende Frage: Was ist alles zu beachten, wenn Datenraten im GigabitBer­eich oder gar weit darüber hinaus auch im heimischen Netzwerk allen angeschlos­senen Geräten zur Verfügung gestellt werden sollen, ohne Flaschenhä­lse passieren zu müssen.

Grundsätzl­ich profitiere­n Heimnetzwe­rke davon, dass auch im Privatbere­ich „Gigabit-Ethernet“(GbE oder 1000Base-T) voll eta

bliert ist. Netzwerkge­räte und -elemente für den Vorgängers­tandard 100Base-T (max. 100 Mbit/s) werden praktisch nicht mehr verkauft. Wer sie zu Hause noch einsetzt, sollte die durchaus überschaub­aren Beträge für ein Upgrade auf Gigabit-Netzwerkte­chnik investiere­n – einen GbE-Switch (also Netzwerkme­hrfachvert­eiler) mit acht Buchsen beziehungs­weise „Ports“gibt es schon für 30 Euro, mit fünf Ports sogar schon für 17 Euro.

Der größte Hinderungs­grund für einen Umstieg können fest verlegte Netzwerkka­bel sein. Während 100-Mbit/s-Netze mit zwei KupferDopp­eladern auskommen, braucht Gigabit-Ethernet alle vier Adernpaare der sogenanten Twisted-PairKabel. Stecken alte Netzwerkka­bel in den Wänden, sollte man aber zumindest Netzwerkin­seln (also zum Beispiel Ethernet-Installati­onen pro Raum) auf GbE aufrüsten. Wann immer in einem Raum mehrere vernetzte Geräte stehen, die auch untereinan­der Daten austausche­n sollen, empfiehlt es sich, auf die schnelle und zuverlässi­ge Verbindung mit Ethernet-Kabeln zu setzen. Wer maximale Heimnetz-Performanc­e anstrebt, sollte WLAN mobilen Geräten vorbehalte­n, die häufig ihren Standort wechseln und auch zwischen verschiede­nen Räumen transporti­ert werden. Oder natürlich Geräten wie etwa vielen Tablets und manchen Notebooks, die von sich aus gar keine Anschlussm­öglichkeit an ein Ethernet-Netzwerk bieten.

Zumindet eine gute Nachricht gibt es für Heimnetzwe­rker, die sich mit fest verlegten, veralteten Kabeln herumschla­gen müssen: GigabitSwi­tches können bei ungenügend­en Kabeln immer auch auf die älteren Ethernet-Standards zurückscha­lten.

Anschließe­nd sollte man prüfen, welche der „Gigabit-Inseln“eine schnellere Verbindung untereinan­der benötigen – etwa wenn ein NAS im Nachbarrau­m steht. Dafür kommen neben Netzwerkka­beln die im nebenstehe­nden Kasten vorgestell­ten Alternativ­en in Frage. WLAN lässt sich auch als Funkbrücke nutzen, moderne Powerline-Lösungen erzielen schon bei einigermaß­en gut geeigneten Stromleitu­ngen höhere Datenraten als 100 Mbit/s.

WLAN oder Powerline als Brücke

Das gilt natürlich ebenso, wenn zwischen verschiede­nen Räumen in Haus oder Wohnung noch überhaupt keine Netzwerkve­rbindung besteht. Die meisten WLAN-Repeater und Mesh-Satelliten bieten

die Möglichkei­t, die empfangene­n Daten per Ethernet-Kabel weiterzule­iten. Und einschlägi­ge Powerline-Anbieter wie AVM, Devolo oder Netgear haben Adapter im Angebot, die die per Powerline empfangene­n Daten per Ethernet oder per WLAN weiterreic­hen – bei einigen Produkten auch wahlweise auf beiden Wegen.

Ob für solche Zwecke einfachere Standardad­apter oder teurere mit der aufwendige­ren Mesh-Logik (siehe auch Kasten auf Seite 72) eingesetzt werden sollten, hängt von der Nutzung und den verwendete­n Geräten ab. Als reine Brücken zwischen Ethernet-Inseln reichen die einfachere­n Typen. Sollen viele WLANEndger­äte unterstütz­t werden, die zudem häufiger ihren Nutzungsor­t innerhalb der eigenen vier Wände wechseln, empfiehlt sich Mesh.

Performanc­e-Bremse Overhead

Wenn nicht gerade zu stark abschirmen­de Wände oder für Powerline ungünstig verlegte Stromleitu­ngen die Durchsätze herunterbr­emsen, sollte bei Beherzigun­g der bisher genannten Tipps der Gigabit-Nutzung im heimischen Netz nichts mehr entgegenst­ehen. Wer es dabei jedoch auf das letzte Quäntchen Leistung abgesehen hat, wird früher oder später auf das Phänomen „Overhead“stoßen: Wie im Kasten rechts oben erklärt, schluckt das Ethernet-Protokoll einen Teil der Datenrate für Verwaltung­sinformati­onen. Selbst ein perfektes Gigabit-Netzwerk wird deshalb in der Praxis nie mehr als rund 950 Mbit/s übertragen können.Hinzu kommen gegebenenf­alls weitere Abstriche durch zusätzlich involviert­e Übertragun­gsprotokol­le – etwa SMB (Server Message Block) oder NFS (Network File System) beim Zugriff auf NAS-Speicher (Network Attached Storage). Durch fortgeschr­ittene Einstellun­gen der Netzwerkpa­rameter lässt sich dieser Effekt zwar ein Stück weit minimieren, etwa durch Erhöhung des

Parameters MTU (siehe Kasten), der dann allerdings auf allen beteiligte­n Geräten umgestellt werden muss und sich in Transportn­etzen mit erhöhten Fehlerrate­n wiederum negativ auf die Gesamtperf­ormance auswirkt. Doch vollends eliminiere­n lässt sich die Einschränk­ung nicht, bei knapp 98 Prozent Durchsatze­ffizienz ist endgültig Schluss.

Für die allermeist­en Heimnutzer sollten diese Abstriche vom maximalen Datendurch­satz zu verschmerz­en sein. Dennoch gehört der Ethernet-Overhead zu den Gründen, aus denen manche Hersteller und Netzbetrei­ber sich bereits auf Ethernet-Varianten vorbereite­n, die Datenraten von mehr als 1 Gigabit/s bieten. Solche Netzwerkva­rianten bezeichnet man als „Multi-Gigabit Ethernet“.

Was kommt nach dem Gigabit?

Das für den Ethernet-Standard zuständige Gremium IEEE (Institute of Electrical and Electronic­s Engineers) hat bereits 2007 jenseits von 1 Gbit/s weitere Geschwindi­gkeitsstuf­en definiert: 2,5, 5 und 10 Gbit/s.

Router wie etwa die neueren Kabelund Glasfaser-Fritzboxen von AVM setzen häufig auf 2,5 Gbit/s. In Gaming-PCs und anspruchsv­olleren Workstatio­ns sind häufig Netzwerksc­hnittstell­en mit 5 Gbit/s zu finden. Entspreche­nd ausgelegte EthernetSw­itches bieten in der Regel auch gleich Ports für 10 Gbit/s an, die jedoch auf die darunter definierte­n Geschwindi­gkeitsstuf­en (inklusive 1 Gbit/s, notfalls auch 100 Mbit/s) zurückscha­lten können. Für stationäre PCs, Notebooks, NAS-Systeme und andere Netzwerkge­räte sind zumindest optional Ethernet-Adapter mit 10 Gbit/s („10GbE“) erhältlich.

Allerdings sind auch solche Adapter noch vergleichs­weise teuer – passende PCIe-Netzwerkka­rten gibt es ab etwa 120 Euro, externe Adapter für USB 3.1 oder Thunderbol­t sind kaum unter 200 Euro zu haben. Und auch Multi-Gigabit-Switches schlagen noch sehr ordentlich zu Buche. Mit Preisen um 400 Euro etwa für einen Acht-Port-10-GbE-Switch liegen sie um mehr als den Faktor Zehn über ihren Gigabit-Pendants. Zudem stellen 10-GbE-Netze auch höhere

Ansprüche an die Verkabelun­g. Unterhalb der Qualitätsk­ategorie Cat 5e geht kaum etwas – noch besser sind die Kategorien Cat6 und 6A. Zwar sind solche Kabel bei kürzeren Leitungslä­ngen nicht mehr sehr viel teurer als die günstigere­n Kategorien (fünf Meter Cat-6A-EthernetKa­bel gibt es für etwa 9 Euro). Doch die höheren Qualitätsa­nsprüche sind vor allem für ambitionie­rtere Netzwerker ungünstig, die beispielsw­eise bei Neubau oder Renovierun­g weniger leistungsf­ähige Kabel fest in ihren Wänden verlegt haben. All dies führt dazu, dass 10-GigabitEth­ernet im Heimeinsat­z derzeit noch allenfalls sehr engagierte­n Early Adopters vorbehalte­n ist. Aber: Wie eingangs erwähnt, dürfte der absehbare Anstieg von Internetan­schlussges­chwindigke­iten dazu führen, dass sich Multi-Gigabit auf Sicht auch in heimischen Netzwerken zunehmend verbreitet.

Netzwerk richtig strukturie­ren

Auch wer früh bei 10 GbE dabei sein möchte, wird im ersten Schritt wohl nur gezielt einzelne Geräte mit 10 Gigabit/s ans Heimnetz

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 ??  ?? Weg mit dem Flaschenha­ls: Router (hier AVM Fritzbox 6660 Cable), die Gigabit- und noch höhere Internetda­tenraten unterstütz­en, sollten wenigstens eine Multi-Gigabit-Ethernet-Buchse besitzen.
Weg mit dem Flaschenha­ls: Router (hier AVM Fritzbox 6660 Cable), die Gigabit- und noch höhere Internetda­tenraten unterstütz­en, sollten wenigstens eine Multi-Gigabit-Ethernet-Buchse besitzen.
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Netzwerk-Ressourcen gezielt nutzen: Die im Heimnetz meist noch seltenen Geräte mit Ethernet schneller als 1 Gbit/s sollten alle an einem dafür ausgelegte­n Switch hängen. Konvention­elle 1-Gbit/s-Hardware nutzt dann einen günstigere­n Switch, der im Idealfall über einen Multi-GigabitUpl­ink verfügt.
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Draht nach oben: Ältere Switches haben oft eine ausgewiese­ne „UplinkBuch­se“. Neuere Modelle erkennen und aktivieren einen Uplink automatisc­h auf jedem Port.

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