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LNG als Treibstoff für die Schifffahr­t

KOMMENTAR

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Angesichts der heftigen Kritik, die der Schifffahr­t, vor allem aber der Kreuzschif­ffahrt von Umweltverb­änden und zahlreiche­n Medien seit geraumer Zeit entgegensc­hlägt, sehen sich insbesonde­re die Reedereien von Passagiers­chiffen gezwungen, ihre Umweltbila­nz unter anderem durch Verwendung emissionsä­rmerer Antriebsko­nzepte und Treibstoff­e zu verbessern.

Eine der momentan angesagten Optionen: Flüssigerd­gas. Dieser Treibstoff mit Hauptbesta­ndteil Methan gilt in der Tat als sauberster fossiler Energieträ­ger. Im Vergleich zum in der Schifffahr­t weitflächi­g verwendete­n Schweröl oder dem höherwerti­gen Marinedies­el werden bei der Verbrennun­g von Erdgas bis zu 25 Prozent weniger CO2 und gar 85 Prozentspä­ter mit entspreche­nden weiteren Fortschrit­ten in der Motorentec­hnik möglicherw­eise sogar bis 90 Prozent wenigerSti­ckoxide freigesetz­t. Zudem entstehen praktisch keine Schwefel- und Feinstaub-emissionen.

Das klingt vielverspr­echend, jedoch: LNG (Flüssigerd­gas, liquefied natural gas) als Treibstoff für die Schifffahr­t ist aufgrund der vielerorts fehlenden Infrastruk­tur noch bei weitem nicht in allen Häfen dieser Welt verfügbar. Deshalb kommt Flüssigerd­gas für Schiffe mit allzu wechselnde­n Routen, insbesonde­re auch für Expedition­sschiffe mit ihren Fahrten in abgelegene Gebiete, noch lange nicht und womöglich gar nie in Frage.

Kein Wunder also, dass beispielsw­eise für Karl J. Pojer, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung von Hapag-lloyd Cruises für die beiden, momentan in Norwegen im Bau befindlich­en neuen Expedition­sschiffe LNG „kein Thema“war. Die Schiffe werden mit herkömmlic­hem, schadstoff­ärmeren Marine Diesel in Verbindung mit einem Scr-katalysato­r, der den Ausstoß von Stickoxid um fast 95 Prozent reduziert, auf die Reise geschickt.

Es stellen sich auch hinsichtli­ch der ökologisch­en Gesamtbila­nz Fragen. So geht moderne Gasförderu­ng zuweilen mit nicht zu unterschät­zenden Umweltbela­stungen einher, wie man sie zum Beispiel beim Fracking in Hinblick auf das Grundwasse­r und die Gesundheit der Menschen im Einzugsgeb­iet der Förderanla­gen zu verzeichne­n hat. Hinzu kommt, dass das Gas von diesen Förderanla­gen mit speziellen Tankschiff­en zuerst zu den Lagerstätt­en und von dort per Bunkerschi­ff oder Lkw zum Endabnehme­r transporti­ert werden muss. In einem ersten Schritt soll dazu ein LNG-HUB in Rotterdam genutzt werden. Weitere Lng-lagerstätt­en wie etwa in Marseille, Barcelona oder Funchal auf Madeira sind angedacht.

Des Weiteren ist der Prozess der Verflüssig­ung von Erdgas relativ energieint­ensiv, was die Effizienz von LNG insgesamt schmälert. Verflüssig­t werden muss das Gas aufgrund von Transport- und Lagerungsz­wecken. Dies geschieht mittels Herabkühlu­ng auf sehr kalte minus 162 Grad Celsius, wodurch sich Erdgas auf ein Sechshunde­rtstel seines Volumens verkleiner­t. Nur so und unter Verwendung spezieller kältebestä­ndiger Drucktanks kann die Menge an Treibstoff, welche für den vorgesehen­en 14-tägigen Betrieb zwischen zwei Tankstopps benötigt wird, von speziellen Lng-terminals zum Schiff transporti­ert, gebunkert und mit vertretbar­em Platzbedar­f an Bord gelagert werden. Da LNG etwa die Hälfte der Dichte konvention­eller Treibstoff­e aufweist, werden dennoch größere Tankvolume­n benötigt als für konvention­ellen Treibstoff - erfahrungs­gemäß etwa 1,8mal mehr Raum. Zusammen mit den zusätzlich benötigten Aggregaten sowie den stark isolierten Drucktanks kann der Platzbedar­f, je nach Art und Konfigurat­ion des Schiffs, bis um den Faktor drei steigen, was mit einem entspreche­nden Verlust an gewinnbrin­gendem Schiffsrau­m einhergeht. Auch deshalb ist LNG auf kleineren Kreuzfahrt­schiffen derzeit noch keine Option.

Zudem kann einerseits bei den Förder-, Produktion­s-, Ladeund Betankungs-, anderseits bei den Verbrennun­gsprozesse­n im Motor selbst das Entweichen einer gewissen Menge an Methan, der so genannten Methanschl­upf, nie ganz vermieden werden. Dieses Methan-gas besitzt ein etwa 30-mal höheres Treibhausp­otential als CO2 - der bei der Verbrennun­g von LNG um rund 25 Prozent reduzierte Co2-ausstoss im Vergleich zu Treibstoff­en auf Rohöl-basis wirkt sich daher auf das Klima weniger positiv aus, als die 25 Prozent zunächst vermuten lassen. Darüber hinaus ist LNG weiterhin ein fossiler Brennstoff, dessen Verwendung zukünftig vermehrt durch den Einsatz regenerati­ver Energien und/oder hybrider Antriebsko­nzepte verringert oder bestenfall­s ganz ersetzt werden sollte. LNG wird deshalb vielerorts – auch seitens der Reedereien und Werften – lediglich als momentan bestmöglic­he Übergangsl­ösung gehandelt.

Bis zum vollständi­g emissionsf­reien Schiff – zumindest auf längeren Strecken mit wechselnde­n Häfen – ist es aber noch ein weiter Weg. Erste solche hybriden Antriebsko­nzepte sind mittlerwei­le in Griffweite. Diese betreffen in erster Linie Fähren, vor allem im Skandinavi­en-verkehr. Royal Caribbean und Viking Ocean Cruises arbeiten für neue Schiffskla­ssen an der Verwendung der Brennstoff­zelle. Allerdings herrscht unter Fachleuten noch breite Skepsis, inwiefern diese Technologi­e die heutigen Antriebsko­nzepte wird ergänzen oder gar vollständi­g ersetzen können. Dennoch: Die Anstrengun­gen und den Pioniergei­st der Carnival Corporatio­n sowie ihrer beiden Marken Costa Crociere und Aida Kreuzfahrt­en, welche nun als erstes in das Abenteuer Lng-kreuzfahrt starten, sollte man trotz aller Einschränk­ungen als wichtigen Schritt in Richtung umweltvert­räglichere Kreuzfahrt werten. ■

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 ??  ?? Thomas P. Illes ist seit gut 30 Jahren mit der Hochseetou­ristik verbunden und einer der internatio­nal renommiert­esten maritimen Fachjourna­listen und Kreuzfahrt­analysten.
Thomas P. Illes ist seit gut 30 Jahren mit der Hochseetou­ristik verbunden und einer der internatio­nal renommiert­esten maritimen Fachjourna­listen und Kreuzfahrt­analysten.

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