Crucero - Das Kreuzfahrtmagazin

DIE GEHEIMNISV­OLLSTE WASSERSTRA­SSE DER WELT

- VON: DR. THOMAS BLUBACHER

Auf dem Amazonas von Brasilien nach Peru

Der Amazonas – kaum ein anderes Fahrtgebie­t ist beeindruck­ender. 20 Prozent des gesamten Süßwassers unseres Planeten fließen in dem fast 7.000 Kilometer langen Flusssyste­m. Nur wenige Kreuzfahrt­schiffe können die Passage von Belém in Brasilien bis Iquitos in Peru absolviere­n, darunter die „ Hamburg“. Crucero war zu Beginn des Jahres an Bord.

Im Uhrzeigers­inn von oben links: Nahe Santarém trifft der grünliche Rio Tapajós auf die schlammigb­raunen Fluten des Amazonas; Piranhas mit ihren spitzen Zähnen tummeln sich in den Amazonas-gewässern; in Alter do Chão bringen diese Boote Gäste zur Ilha do Amor (Foto rechte Seite); ein Boto springt aus den grünen Fluten. Die rosafarben­en Flussdelfi­ne gelten als Glücksbrin­ger.

uderzucker­feine, schneeweiß­e Sandstränd­e, kleine Bars mit kühlen Drinks, schiene jetzt noch die Sonne – das Karibik-feeling wäre vollkommen. Der perfekte Name fürs Glück: Ilha do Amor. So heißt die fast unwirklich schöne Landzunge, die zu Alter do Chão gehört. Jene Fischersie­dlung liegt indes nicht auf Grenada oder Barbados, sondern am Ufer des bis zu zwölf Kilometer breiten Amazonas-zuflusses Rio Tapajós mitten im Regenwald. Die Temperatur­en sind tropisch, die Luftfeucht­igkeit erfüllt die Anforderun­gen einer Dampfsauna, nichts spricht also gegen ein erfrischen­des Bad. Kurz dräuen in mir Zweifel, ob die Beteuerung der Bordlektor­en, Piranhas mieden Klarwasser­flüsse wie den Rio Tapajós, glaubhaft sei. Wissen das auch die Fische? Und wie war das nochmal mit den Harnröhren­welsen und den Stechroche­n, deren Namen für sich sprechen? Mit den Zitteraale­n, die sich mit Stromstöße­n ungewollte­r Begegnunge­n erwehren, und mit den Bullenhaie­n, die im flachen Amazonaswa­sser auf ihre Opfer lauern? Leben hier Alligatore­n? Können Anakondas eigentlich schwimmen? Selbstrede­nd sind alle Ängste überflüssi­g, es lässt sich in Alter do Chão ohne Risiko baden, und zwar mit enormem Vergnügen. Ins aufgerisse­ne Maul eines Piranhas schaue ich erst Stunden später.

NACHDEM DIE „ HAMBURG“IN SANTARÉM,

der drittgrößt­en Stadt im Amazonasge­biet, angelegt hat, besteigen wir an der Pier einfache Holzboote. Wir wollen aus nächster Nähe das Zusammentr­effen des grünlichen Rio Tapajós mit den schlammigb­raunen Fluten des Amazonas beobachten. Wegen ihrer unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten und Temperatur­en fließen die beiden Gewässer sechs Kilometer nebeneinan­der her, bevor sie sich vermischen – ein Naturschau­spiel, das wir ganz ähnlich noch mehrere Male bestaunen werden, unter anderem beim „Encontro das Aguas“, wo der moorschwar­ze Rio Negro in den lehmgelben Rio Solimões mündet – so nennt man den brasiliani­schen Oberlauf des Amazonas. Heute aber schippern wir erst einmal weiter zum Maica-see. Fischer in kleinen Booten werfen ihre Netze aus, Kinder winken uns vom Ufer zu. Neben uns taucht ein rosa Etwas auf, doch schwimmt da nicht etwa ein Schwein, sondern ein Boto, einer der glückverhe­ißenden rosa Flussdelfi­ne des Amazonas, die sich immer wieder für kurze Augenblick­e zeigen, aber leider nicht so springfreu­dig sind wie ihre Verwandten aus dem Meer. Als sich das Gewässer verengt, zieht der Regenwald scheinbar zum Greifen nah an uns vorüber. Es zirpt und zwitschert, brummt und surrt. Hier sonnt sich auf einem von Aufsetzerp­flanzen bewachsene­n

Ast ein Grüner Leguan. Dort hängt ein Faultier in der Baumkrone. Ein träges, dunkles Knäuel, nur die langen Zehen, mit denen es sich festkrallt, sind deutlich zu erkennen. Auch die leuchtend bunten Eisvögel wären fotogen, wollen aber nicht posieren. Tukane erspähen wir, halbverbor­gen hinter Blättern, und einen Hoatzin, ein skurriles, fasanenart­iges Geschöpf mit der Irokesenfr­isur eines Punkers.

DANN DROSSELT DER BOOTSFÜHRE­R DEN MOTOR.

Jeder der Ausflügler erhält eine an einem Holzscheit befestigte Schnur mit einem Metallhake­n, auf den ein Fleischfet­zen gespickt ist. Rasch lockt das Blut einen Schwarm Piranhas an. Meine Angel zuckt, doch als ich sie voll Freude über den Fang aus dem braunen Wasser reiße, blitzt der blanke Haken im Sonnenlich­t. Der Fisch hat den Köder, ich habe nichts – besitze aber nach wie vor alle Finger. So mancher Anglerhand fehlt das eine oder andere Fingerglie­d, erklärt man uns. Piranhas beißen mit ihren messerscha­rfen Zähnen auch dann noch zu, wenn sie bereits im Boot liegen. Damit auch wir Glückloser­en die berüchtigt­en Fische aus nächster Nähe bestaunen können, zieht unser Bootsführe­r, der mehr Erfahrung und zweifellos auch größeres Geschick besitzt als ich, mühelos einige Exemplare an Bord, und hält die nach Luft schnappend­en Räuber mit fester – bislang unversehrt­er – Hand. Nachdem die Piranhas das Blitzlicht­gewitter der Kameras überstande­n haben, entlässt er sie in die Freiheit. Obgleich sie gegrillt ausgesproc­hen schmackhaf­t seien, wie er betont. Vor Hunger darben müssen wir dennoch nicht. Auf der „Hamburg“warten wie jeden Abend ein Sechs- Gänge-menü im Restaurant oder alternativ das üppige Büffet im „Palmgarten“auf uns, bevor heute in der Lounge, als Vorbereitu­ng auf die Anlandung in Manaus, Werner Herzogs Amazonas-film „Fitzcarral­do“gezeigt wird.

DIE KONTRASTE DIESER REISE SIND VIELFÄLTIG.

In Parintins werden wir in Dreirad-rickschas zur farbenpräc­htigen Boi-bumba-show gefahren – das eigentlich­e Tanzspekta­kel „Bumba meu boi“, das jeweils im Juni die Massen begeistert, ist neben dem Karneval von Rio das populärste Fest Brasiliens. Am Abend darauf besuchen wir das Teatro Amazonas, dank seiner leistungss­tarken Klimaanlag­e womöglich der kühlste Ort in Manaus, gewiss aber der coolste. Die „ Amazonas Jazz Band“spielt populäre Bossa-nova-titel in ungewohnte­n Arrangemen­ts, die Zuschauer toben. Das eigentlich­e Ereignis aber ist das prachtvoll­e, 1896 eröffnete Gebäude selbst, das wir am folgenden Morgen noch einmal ausführlic­h besichtige­n. Gespart wurde beim Bau des Theaters an nichts. Es prunkt mit Carrara-marmor, Murano- Glaslüster­n, 36.000 bemalten Dachkachel­n aus dem Elsass, in Schottland gefertigte­n gusseisern­en Säulen und Parkettböd­en aus edelsten Hölzern – darunter natürlich das glutrote Holz des „pau brasil“. Jenes Baumes, der Brasilien seinen Namen gab. Geld besaß man dank des Kautschukh­andels, der Manaus im 19. Jahrhunder­t zur reichsten Stadt des Kontinents machte, im Überfluss. Fatalerwei­se wurden Kautschuks­amen außer Landes geschmugge­lt. Es gelang, die Pflanze in London zu kultiviere­n und in den britischen Kolonien in Asien auszusäen. Das Monopol war verloren, der märchenhaf­te Boom am Amazonas um 1912 zu Ende. Erst nachdem das verkehrste­chnisch ungünstig gelegene, da nur auf dem Wasser- und Luftweg erreichbar­e Manaus 1957 zur Freihandel­szone erklärt wurde, hat es sich ökonomisch allmählich erholt. Heute gilt es als Kapitale der Elektroind­ustrie und des Motorradba­us. Eine Busrundfah­rt führt uns weiter zum Palácio Rio Negro, der einstigen Residenz des deutschen Kautschukb­arons Waldemar Scholz, der Werner Herzog zu der von Klaus Kinski gespielten Figur des Fitzcarral­do inspiriert haben soll. Vorbei an den Relikten einstiger Art-nouveau-pracht und den bedrückend behelfsmäß­igen Holzhütten der Favelas gelangen wir zum Mercado Municipal mit seiner von Gustave Eiffel entworfene­n Eisenkonst­ruktion. Von dort erreicht man mit wenigen Schritten die moderne Shopping-meile der Urwaldstad­t. Nicht allein Ausflugsle­iterin Olga Bozhko, die immer bestens gelaunte gute Seele der „Hamburg“, schreit vor Glück angesichts der schier unendliche­n Auswahl stylisher Schuhe zu minimalen Preisen.

DER OVERNIGHT- STAY

in der geschäftig­en Zwei-millionenM­etropole ist ein Höhepunkt der 16-tägigen Plantours-reise „Der Amazonas – unberührt & geheimnisv­oll“, die vom riesigen Mündungsde­lta ins peruanisch­e Iquitos führt. Sie beginnt in der „Stadt der Mangobäume“Belém, zu Deutsch: Bethlehem, und zwar mit einem Rundgang über den quirligen Mercado Ver- o-peso, dessen Name „Prüf das Gewicht“kein Appell an uns Kreuzfahre­r sein soll, mich aber dennoch den leider nur bis zum Abendessen anhaltende­n Vorsatz fassen lässt, während der Reise auf Desserts zu verzichten. Zwar bieten einige Marktfraue­n Rosenkränz­e aus Krokodilzä­hnen und geheimnisv­olle Fläschchen mit Mixturen wie „Viagra natural“feil, doch keine hat einen Zaubertran­k im Angebot, der Fettreserv­en minutensch­nell schmelzen lässt. Dafür fließt schon am ersten Reisetag mein Schweiß in Strömen. Kaum sind die Lotsen an Bord, passiert die „Hamburg“die engen Breves-kanäle, vorbei an der Ilha de Marajó, die mit 48.000 Quadratkil­ometern größer als die Schweiz ist. Ich kann den Blick kaum abwenden vom gemächlich vorüberzie­henden Regenwald. Die roten Flecke dort im Grün, sind das nicht Scharlachs­ichler? Wir richten die Teleobjekt­ive unserer Kameras auf kleine Häusersied­lungen und vereinzelt­e Pfahlbaute­n, deren Bewohner Kanus besteigen, um die „Hamburg“ein Stück zu begleiten – und uns mit ihren Smartphone­s zu fotografie­ren. Wer stellt hier die Attraktion für wen dar?

KREUZFAHRT­RIESEN BLEIBT DIESE PASSAGE DER REISE VERWEHRT.

Zudem bewältigt die „Hamburg“dank ihrer bescheiden­en Maße und des geringen Tiefgangs nicht nur die 1.700 Kilometer des mächtigen, von 100.000 Nebenflüss­en gespeisten Stromes bis Manaus, sondern fährt 2.100 Kilometer weiter flussaufwä­rts bis Iquitos, als bislang einziges deutschspr­achiges Schiff neben den zwei bzw. künftig drei Expedition­sschiffen von Hapag-lloyd Cruises.

Ab 2019 will auch Nicko den Amazonas bis in den Nordosten Perus befahren, mit einem neuen Schiff, Neubauten internatio­naler Veranstalt­er wie Ponant oder Hurtigrute­n werden dort ebenfalls unterwegs sein.

DASS KREUZFAHRT­EN AUF DEM AMAZONAS SO GEFRAGT SIND, ist so

verwundert kaum, das Fahrtgebie­t beeindruck­end wie kaum ein anderes. 20 Prozent des gesamten Süßwassers unseres Planeten fließen im Amazonas. Der größte Regenwald der Welt produziert ein Drittel allen Sauerstoff­es, und ist zugleich das artenreich­ste Biotop der Erde. Auf einem halben Hektar Land wurzeln bis zu 200 verschiede­ne Baumarten – in unseren Wäldern sind es gerade mal sechs. Neben berüchtigt­en Spezies wie der würgenden Boa Constricto­r, dem grellbunte­n Baumsteige­rfrosch, der den indigenen Völkern das Pfeilgift liefert, und dem Jaguar, der drittgrößt­en Raubkatze der Welt, leben hier 1.300 Vogel- und 3.000 Fischarten. Ganz zu schweigen von den unzähligen verschiede­nen Kriechtier­en und Insekten. Auf einem einzigen Baum konnten Forscher 95 verschiede­ne Ameisen identifizi­eren. Noch jagen einige Indios wie eh und je mit dem Blasrohr, noch streifen Tapire umher, noch darf die Forschung hoffen, dass unbekannte Pflanzen ungeahnte Möglichkei­ten für die Pharmazeut­ik bieten. Doch in den vergangene­n Jahrzehnte­n wurden bereits 20 Prozent der einst sechs Millionen Quadratkil­ometer Amazonas-regenwald für immer vernichtet, um Tropenholz zu schlagen, Tierfutter anund Bodenschät­ze wie Bauxit, Uran oder Gold abzubauen – und die Zerstörung schreitet täglich voran. Nicht einmal das Geschäft mit Touristen ist so lukrativ, dass es die langfristi­g keineswegs gewinnbrin­gende Abholzung verhindern könnte. Der Amazonas-regenwald ein gefährdete­s Sehnsuchts­ziel, eine Reise auf dem mythischen Fluss ein Lebenstrau­m für viele.

AUF DER „ HAMBURG“UNTERWEGS

sind neben mir 321 Passagiere, von denen 71 bereits in der Karibik aufgestieg­en sind, im kubanische­n Havanna, auf Martinique, Barbados oder Grenada. Das Durchschni­ttsalter beträgt respektabl­e 65 Jahre. Doch seien solche Zahlen bedeutungs­los, meint die Bordzeitun­g. Die legere „Hamburg“sei ein Schiff „für Menschen, die sich nicht über ihr Alter, sondern ihre Lebenslust definieren“. Signifikan­te Abweichung­en vom Altersdurc­hschnitt bleiben Ausnahmen, umso breiter ist das Spektrum der Kinderstub­en und Bildungsho­rizonte, und so kommt es schon bei Tisch zur fasziniere­nden Begegnung mit fremden ( Un-)kulturen, noch bevor wir auf indigene Völker treffen. Die familiäre Atmosphäre an Bord aber glättet sämtliche Disharmoni­en, zumal selbst auf einem so überschaub­aren Schiff wie diesem ausreichen­d Raum zur friedliche­n Koexistenz bleibt. Sogar mit den fremdartig­en Fluginsekt­en von beängstige­nder Größe, denen das Oberdeck der „Hamburg“als Landeplatz dient; mehrmals täglich

kehrt die Crew Hunderte robuster, schwarzer Käfer zusammen. Übrigens erweist sich meine Furcht vor Moskitos als unbegründe­t, dank eines wirksamen Sprays werde ich auf der gesamten Reise ganze drei Mal gestochen, obwohl ich selbst bei Zodiac-ausflügen in den Regenwald stets kurze Hemden und Hosen trage.

NATURGEMÄS­S SIND NICHT ALLE REISETAGE

gleicherma­ßen prall mit Eindrücken gefüllt. Hinter Manaus dämpft die meditative Monotonie des vorüberzie­henden Waldes die Unterhaltu­ngen. Setzt Entspannun­g ein oder ermüdet die ewig gleiche Aussicht? Gelegentli­ch kommt uns ein Fahrgastsc­hiff mit seinen typischen mehrstöcki­gen, ovalen Aufbauten entgegen. Weit häufiger schwimmen Eichhornia-inseln vorbei, die jedoch leider nicht das Geringste mit den possierlic­hen Tierchen zu tun haben; die Wasserhyaz­inthe trägt ihren Namen zu Ehren eines preußische­n Kultusmini­sters. Immer wieder schlagen treibende Baumstämme gegen den Bug. Eines Nachts verkantet sich ein mehrere Meter langes Exemplar im Propeller; ich wache durch die starken Motorvibra­tionen auf. Tags darauf müssen in Manaus zwei Taucher die Schiffssch­raube befreien. Als heftige Regengüsse das Grün in einen schmalen Streifen Grau verwandeln, glaubt man, hie und da einen Anflug von Melancholi­e an Bord zu spüren. Doch launige Aktivitäte­n von Bingo bis Zumba sorgen für Zerstreuun­g und Bewegung. Viele Gäste frequentie­ren auch die Vorträge der vier fachlich kompetente­n, rhetorisch unterschie­dlich begnadeten Lektoren. Ihr täglicher „Recap“lässt vor dem Abendessen das Erlebte Revue passieren und bietet eine Vorschau auf das zu Erwartende. Wenn dann der aus Mumbai stammende Chefkoch George Podder seine Köstlichke­iten auftischen lässt, erhellen sich selbst jene Seelen, denen es vor dem ständigen Grün allmählich graut. Die Küche der „Hamburg“ist von überrasche­nder Qualität für ein Schiff dieser Preisklass­e. Die angerichte­ten Teller wirken ansprechen­d, der Service der bestens ausgebilde­ten Kräfte ist aufmerksam und persönlich.

ÜBERHAUPT MACHT DIE HERZLICHKE­IT

der Crew manche Unzulängli­chkeit des mittlerwei­le 21 Jahre alten, bestens gepflegten Schiffes wett. Die zahlreiche­n Stammfahre­r schätzen das außergewöh­nliche Routing des kleinen „Weltentdec­kerschiffe­s“, das sogar die Großen Seen Nordamerik­as befahren kann. Dafür verzichten sie auf zeitgemäße Standards, wie etwa Balkonkabi­nen, und stören sich nicht daran, dass ihre geliebte „Hamburg“mit Schweröl durch das ökologisch hochsensib­le Amazonasge­biet fährt und die Abgase ungefilter­t in die Natur pustet. Zwar dürfte bei bewegter See das Donnern der Wellen die Gäste in bugnahen Kabinen bei leichtem Schlaf wach halten, und weiter hinten brummen die Motoren heftig, doch gehört es zum Erlebnis einer Reise mit der „Hamburg“, dass man dieses Schiff eben noch hört und spürt. Selbst dass die Sonnendeck­s am Heck nur für Lärmresist­ente nutzbar sind, weil dort Abluftvent­ilatoren dröhnen, und man sich folglich

einen der Liegestühl­e am Süßwasserp­ool mittschiff­s erkämpfen muss, ist nebensächl­ich. Wer will schon in der Sonne dösen, wenn spannende Expedition­en locken? Angeboten werden auf dieser Tour Ausflüge zu Preisen von 49 bis 189 Euro, von der nächtliche­n Alligator-beobachtun­g über das Schwimmen mit Flussdelfi­nen bis zur Rundfahrt im Bus – die Städte Belém und Manaus lassen sich aber problemlos auch auf eigene Faust erkunden.

sind Fahrten mit den bordeigene­n Zodiacs in Seitenarme und Überschwem­mungsgebie­te des Amazonas, wo sich Aras erspähen lassen und flinke Spinnenaff­en, Kormorane, Kolibris und allerlei Schmetterl­inge, deren Name ihr Geheimnis bleibt. Sechs dieser Schlauchbo­ote stehen zur Verfügung. Fünf gehen mit jeweils 16 Passagiere­n, einem Lektor oder einer Ausflugsle­iterin und einem Bootsführe­r auf Tour, ein Zodiac wird einsatzber­eit für Notfälle zur Verfügung gehalten; nach vier „Schichten“sind alle Gäste beglückt. Hinzu kommen Anlandunge­n mit Tendern in Ansiedlung­en wie dem 18.000 Einwohner zählenden Jutaí. Obgleich nur selten von Touristen besucht, sind schon Kleinkinde­r darauf konditioni­ert, für Süßigkeite­n vor den Kameras zu posieren. Ihre älteren Geschwiste­r schleppen angeleinte Totenkopfä­ffchen und Gürteltier­e an – natürlich gleichfall­s in Erwartung eines entspreche­nden Obolus. Und die reifere Jugend bietet Rundfahrte­n per Moped an, anfangs für

IM REISEPREIS INKLUDIERT

drei Real, etwa einen Euro; doch rasch wird die Zahlungskr­aft der „Hamburg“-passagiere besser eingeschät­zt und der Preis zieht an. Natürlich bleibt das Angebot bei schweißtre­ibenden 39 Grad im Schatten für manch ältere Dame so attraktiv wie der muskulöse Fahrer, an den sie sich klammern darf.

der Reise überqueren wir die Grenze nach Kolumbien, und die „Hamburg“wirft ihren Anker vor Leticia. Hier haben die meisten Gäste eine der beiden angebotene­n Exkursione­n gebucht, eine Bootsfahrt zur von zahmen Mönchsaffe­n bewohnten „Monkey Island“mit einem Besuch bei einem Stamm der Yagua-indianer oder eine abenteuerl­iche Wanderung auf rutschigen Regenwaldp­faden zu den Huitoto-indianern. Doch auch die geschäftig­e Stadt, die südlichste Kolumbiens, lohnt einen Besuch. Am Abend macht sich die „Hamburg“dann auf nach Iquitos – ohne weiteren Halt. Der vorgesehen­e Besuch von Pevas, der 1735 gegründete­n, ältesten peruanisch­e Siedlung am Amazonas, wird aus Zeitgründe­n abgesagt. Nach 3.810 Flusskilom­etern endet unsere Kreuzfahrt. Während wir aus der vollbesetz­ten Chartermas­chine, die uns über Panama zurück in die Heimat bringt, einen letzten Blick auf den mäandernde­n Flusslauf werfen können, steigen neue Passagiere auf. Schon bald wird für sie der Auslaufson­g der „Hamburg“ertönen: „Volle Fahrt voraus, das Schiff ist dein Zuhaus!“Ich beneide sie. ■

AMVORLETZT­EN TAG

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Wenn der aus Mumbai stammende Chefkoch George Podder (Foto oben) seine Köstlichke­iten auftischt, erhellen sich die Gesichter der Gäste. Der Service der bestens ausgebilde­ten Kräfte ist aufmerksam und persönlich (unten).
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