Crucero - Das Kreuzfahrtmagazin
MIT DEM WIND DURCH DIE GÖTTERWELT
Segeln in der Ägäis mit der Luxusyacht Running on Waves
Die Thurgau Ultra am Rand des Donaudeltas
Eine Donaureise ist nicht nur eine Fahrt auf einem Fluss, sondern auch eine Exkursion zu geschichtsträchtigen Orten, vor allem aber in die Ostblock-vergangenheit. Man darf sich von der Schönheit der Städte gerne blenden lassen, sollte bisweilen aber die Worte der lokalen Guides auf die Goldwaage legen.
Damals haben wir alle in Liebe zusammengelebt“, glorifiziert die von den Zeitläufen sichtlich frustrierte Serbin, die uns durch Belgrad führt, die Ära des jugoslawischen Präsidenten Tito, beklagt bei jeder Ruine die „Nato-angriffe“, ohne diese in einen politisch-historischen Kontext zu stellen, verschweigt den Namen Milošević und singt lieber ein verlogenes Loblied auf „unsere kroatischen Freunde“.
Ihre ungarische Kollegin rühmt Ministerpräsident Orbán und liefert leichte oder besser gesagt: leichtfertige Lösungen für die Flüchtlingsproblematik.
Der rumänische Guide hingegen vermittelt ein differenziertes Bild des Diktators Ceaușescu, das die anfängliche Begeisterung der Bevölkerung nachvollziehbar macht, erläutert anschaulich den Prozess der Demokratisierung und den schwierigen Übergang vom Sozialismus zur freien Marktwirtschaft.
Ein stark transpirierender Bulgare, der auch bei 32 Grad seinen auffallend schlecht geschnittenen, dunklen Nadelstreifenanzug nicht missen mag, preist im pausenlosen Parlando eines Gemüseraspelverkäufers die Postkartenmotive von Russe an.
Und in der Walzerstadt Wien watet die lokale Reiseleiterin knietief in einer klebrigen Melange aus melancholischem Schmäh und grantelnder Boshaftigkeit.
EINE REISE AUF DEN BALKAN
Die 4275 Kilometer lange Flusskreuzfahrt von Passau ins Donaudelta und zurück ist naturgemäß eine Reise auf den Balkan, welcher, wie der Volksmund weiß, in Wien beginnt. Eine Reise zu geschichtsträchtigen Orten im Spannungsfeld zwischen Okzident und Orient, vor allem aber in die Ostblock-vergangenheit und durch eine wirtschaftlich schwierige Gegenwart.
Aber natürlich auch zu barocken Palästen und Jugendstilprachtbauten, zu Moscheen, Synagogen und zahllosen serbisch-, rumänisch- und bulgarisch-orthodoxen Kirchen, vorbei an den lieblichen Hügeln der Wachau und durchs Eiserne Tor.
Nicht zuletzt eine Reise, die Klischees bestätigt, wie das der paprikascharfen Puszta oder jenes von der wahrlich weiten Walachei, die einen aber auch manches Vorurteil revidieren lässt: Bukarest ist keineswegs nur von Sozialistenprotz wie der monströsen Casă Poporului geprägt, für die Anfang der 80er-jahre mehr als 1000 Altstadtbauten abgerissen wurden, sondern besticht durch seine Gründerzeit-, Jugendstil- und Art-déco-gebäude und das pulsierendes Leben in den zahllosen Szenelokalen der Altstadt.
Für mich ebenso eine Entdeckung, die einen längeren Städtetrip lohnen würde, wie das erstaunlich junge und dynamische Novi Sad oder die Busfahrt vorbei an schier endlosen Sonnenblumenfeldern
ins pittoreske Pécs, in das ich mich auf den ersten Blick verliebe. Der Höhepunkt dieser abwechslungsreichen Reise durch die eindrücklichste Flusslandschaft Europas stellt aber für die meisten Gäste die kaum besiedelte Wildnis des Donaudeltas dar.
DIE WILDNIS DES DONAUDEALTAS
Der halbtägige Ausflug findet wahlweise mit einem größeren Boot oder – der Aufpreis lohnt sich – in Speedbooten statt, die engere Seitenarme und flachere Gewässer befahren. Wir sehen dutzende Eisvögel aus nächster Nähe, eine Kolonie brütender Seeschwalben, zwei Seeadler, unzählige Reiher, Kormorane und Pelikane.
Überhaupt: Die offerierten Ausflüge sind bestens ausgewählt, als Paket gebucht keineswegs überteuert und gut organisiert. Und oftmals alternativlos, denn mitunter lässt das Schiff Gäste an Land und nimmt sie an einem anderen Ponton wieder auf – keine Chance für individuelle Landgänge, wie sie in Wien, Belgrad, Budapest und Bratislava problemlos möglich sind. Verzichtbar scheinen allenfalls der Besuch des kleinen Klosters Petkovica, der allerdings auf halben Weg ins sehenswerte Novi Sad stattfindet, und eine nicht im Ausflugspaket inkludierte Exkursion in den Badeort Mamaia, wo man drei Stunden lang in Liegestuhlreihe sieben in der Sonne schmoren darf. Doch viele Gäste wollen eben unbedingt das Schwarze Meer erleben.
SCHWEIZERISCHE ÜBERLEGENHEIT
91 der 99 Teilnehmer dieser beliebten Acht-länderFahrt des helvetischen Flussfahrtspezialisten „Thurgau Travel“stammen aus der Schweiz, sieben Gäste aus dem „großen Kanton“Deutschland; der beneidenswert entspannte Neuseeländer, der seine Schweizer Angetraute begleitet, erscheint da beinahe als Exot. Der Jüngste zählt 18 Lenze und stellt eine Ausnahme dar, den Bordrekord hält auf unserer Reise ein rüstiger 89er – ein langjähriger Stammgast, der noch 115-jährig auf der „Thurgau Ultra“Urlaub machte, musste sich kürzlich von Charon über den Fluss setzen lassen.
Geschätzt werden von den anspruchsvollen Eidgenossen vor allem das geschmackvolle Ambiente und der Komfort des geräusch- und vibrationsarmen Twincruisers, der 2008 als „Premicon Queen“in Dienst gestellt und 2015 von „Thurgau Travel“gechartert wurde.
GEDIEGENE GEMÜTLICHKEIT FÜR BIS ZU 120 GÄSTE
Die ansteigende, auf drei Seiten verglaste Panoramalounge „Theatron“besitzt eine ungewöhnliche Raumhöhe und erlaubt allen Gästen die freie Sicht in Fahrtrichtung. Auch das im Heck gelegene Restaurant bietet einen grandiosen Ausblick nach drei Seiten und strahlt gediegene Gemütlichkeit aus. So wie fast alle Bereiche des mit Palisander, Eiseiche und Wurzelholz, blauem Teppichboden und Mobiliar in Dunkelrot und -blau ausgestatteten Schiffes. Die Kabinen auf dem Ober- und Mitteldeck nennen sich „Suiten“, was im Falle der 30 Quadratmeter großen „Queen Suiten“mit getrenntem Schlaf- und Wohnbereich sowie einem Balkon natürlich seine Berechtigung hat, bei den „Deluxe Suiten“mit 22 Quadratmeter und den „Junior Suiten“mit 15,5 Quadratmeter (jeweils mit französischem Balkon) aber ein wenig hochtrabend klingt.
Doch darüber hinaus hat man nicht den geringsten Anlass für Mäkeleien: Die Möblierung ist hochwertig, die leistungsstarke, nahezu geräuschlose Klimaanlage regulierbar, es gibt ein Telefon und einen Flatscreen mit InfotainmentSystem, das kostenlose WLAN funktioniert meist einwandfrei, Minibar und Safe fehlen nur in den 12m² kleinen Doppelkabinen auf dem Hauptdeck. Auf den Fluren stehen Eiswürfelspender bereit, an der Rezeption kann man sich aktuelle Zeitungen und Zeitschriften ausleihen.
So großzügig wie seine Öffnungszeiten von 8.00 bis 22.00 Uhr ist der Wellnessbereich auf dem Mitteldeck, der neben finnischer Sauna, Whirlpool und Ruheliegen auch ein Kneipptretbecken aufweist. Mit Blick auf die vorbeiziehende Landschaft kann man sich auf dem Hometrainer oder dem Laufband ertüchtigen, oder, wenn man’s relaxter mag, von kundigen Damen im Massageraum verwöhnen und im Friseursalon verschönern lassen.
Obschon sich zu „Premicon-queen“-zeiten noch 57 Crewmitglieder um 106 Gäste kümmerten und sich heute 38 Kräfte um maximal 120 Passagiere bemühen müssen, bleibt kaum ein Wunsch offen; die überwiegend aus Osteuropa stammenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aufmerksam und freundlich. Die Kabinen werden gesäubert, sobald sie der Gast verlässt, der Turndown-service ist selbstverständlich.
Bei täglich sechs Mahlzeiten – vom während zwei Stunden sorgsam vervollständigten Frühstücksbuffet über die traditionelle Bouillon, das Mittagessen mit einer Auswahl aus drei Hauptgängen oder alternativ einen „Light Lunch“vom Buffet, die Kaffeestunde und das viergängige Dinner bis zum späten Snack – muss niemand darben. Und der Veranstalterhinweis auf eine „gutbürgerliche Küche“hat allzu hohe Erwartungen an das „Schiff der gehobenen Deluxeklasse“bereits
im Vorfeld gedämpft. Mittags wird Hausmannskost aufgetischt, beim Abendessen zeigt sich der vorgeschriebene „Menu Circle“, an den sich der Chefkoch strikt halten muss, ambitionierter, auch wenn er sich am kleinsten gemeinsamen Nenner der Gästegeschmäcker orientiert und in der Aromatik meist überraschungsarm bleibt.
Dafür überzeugen die Qualität des Käsebuffets, das Angebot frischer Früchte und die Auswahl offener Weine. Geradezu vorbildlich ist die Flexibilität der Küche, die nicht nur auf Unverträglichkeiten Rücksicht nimmt, sondern umstandslos Sonderwünsche erfüllt.
SORGENFREIER URLAUB
Die Gäste tragen gepflegte Freizeitkleidung – kurzbehoste Senioren mit Badelatschen oder Basecaps bleiben Ausnahmen, am Galaabend sieht man einen einsamen Schlipsträger – und genießen die Reise. Großer Unterhaltungsangebote bedürfen sie nicht, und so beschränken sich jene auf das nachmittägliche und abendliche Keyboardspiel des Bordmusikers, auf die Klassiker Bingo, Serviettenfalten und Tombola, auf einen Shantyabend der Mannschaft und die Kurzvorträge zu Fluss und Schiff, Land und Leuten des Bordreiseleiters Bernhard Remmert. „Schweizer sind entspannter“, berichtet er. „Sie haben höhere Ansprüche und gönnen sich eher mal edle Tropfen, sind aber auch verständnisvoller, wenn mal etwas nicht klappt.“
Letzteres kommt auf unserer Reise nie vor, alles läuft präzise wie ein Schweizer Uhrwerk ab. Dennoch wird die besagte Gelassenheit augenfällig: Eine aufmerksamkeitssüchtige Dame, die sich mal wieselflink an allen Wartenden vorbeidrängt, dann wieder fünf Meter zur Toilette nur mit Hilfe bewältigt, sich gerne noch ein Stück Torte bestellt, während die Ausflugsgruppe im Bus bereits ihrer harrt und ständig anderen ins Wort fällt, um das eben Überhörte zu erfragen, hätte als munter sprudelnde Quelle allgemeinen Missvergnügens woanders Schlimmes zu befürchten. Hier provoziert die mitleidheischende Königinmutter auf der Erbse allenfalls diskrete Fluchtversuche. Ihre großzügigen Mitreisenden bleiben höflich und genießen den erlebnisreichen und sorgenfreien Urlaub. Auf hohem Schweizer Niveau. ■