Crucero - Das Kreuzfahrtmagazin
Mit dem Wind durch die Götterwelt
Die Running on Waves ist eine Mischung aus Superyacht und Segelschiff und bietet ein exklusives Urlaubserlebnis. Crucero segelte in der Ägäis mit.
Running on Waves in ionischen Gewässern (oben), und als Teakholz-intarsie auf dem Oberdeck (links unten )– nur echt mit 13 Segeln. Auf der Reise mit der 64 Meter Segelyacht gelangt man u.a. in das sagenumwobene Ithaka, der Heimat von Odysseus (rechts unten) oder auf die Insel Lefkada, wo die antike Dichterin Sappho von den weißen Felsen ins Meer gestürzt sein soll (rechts oben). Kaum vorstellbar, in dieser Idylle.
Oben: Das Hauptdeck der Running on Waves. Hier befinden sich neben sechs Kabinen auch das Restaurant und die Bar. Unten: Jacuzzi und Sonnendeck laden zum Relaxen ein, wenn die Running on Waves auch mal tagsüber die Segel setzt. Ansonsten bieten sich freilich auch das ionische Meer und feinsandige Strände der Inseln zum Sonnenbaden und Erfrischen an.
Make something special“, sagte ein russischer Millionär Anfang der 2000er-jahre zu Zygmunt Choreń – Erbauer von Mir, Alexander von Humboldt, Royal Clipper und vielen anderen legendären Segelschiffen. Er wollte ein Schiff, das in flachen Archipelen kreuzen kann. Einen Segler, der aussieht wie eine Superyacht. Heraus kam die Running on Waves – eine Barkentine mit nur drei Metern Tiefgang, aber 45 Meter hohen Masten. Sie schwebt mehr, als dass sie fährt. Umso passender, dass sie den Sommer über durch die Heimat der antiken Götter kreuzt, die griechischen Inselwelten.
Wir starten in Patras – einem der antiken Orte, an dem ein Demeterheiligtum beheimatet war. Was läge näher, als ein Schiff nahe des geweihten Ortes für die Göttin der Fruchtbarkeit und des Getreides mit neuen Lebensmitteln zu beladen? Die Göttin hat es gut gemeint mit der Region: Auf dem Weg vom Flughafen in Athen gedeihen Zitronen- und Orangenbäume im sanften Landschaftsbild. Bewässerungsschläuche ziehen sich entlang neu angelegter Hügel. Bei Kalamata wachsen knorrige Olivenbäume. Zwischendurch zeigen schlanke Zypressen in den Himmel. Eine leichte Dunstschicht legt sich auf die tiefblaue Meeresoberfläche, in der Ferne erhebt sich verkarstetes Gebirge. Kuppelförmige Kirchenbauten im klassischen Blau und in Ockerfarben ziehen die Aufmerksamkeit auf sich.
WECLOME TO MY BRIDGE
Majestätisch liegt die 64 Meter lange Segelyacht an der Pier von Patras. Die blitzblanke Chromreling spiegelt das Licht der untergehenden Sonne. Spaziergänger fotografieren den eleganten Bug mit ihren Smartphones. Sicher fragen sie sich: „Wer sich dieses moderne Schmuckstück wohl leisten kann?“Es fühlt sich erhaben an, die rote Kordel vor der Gangway zu lösen und an Bord zu gehen. „Sind Sie Passagierin?“, fragt Kapitän Grigory Romanov und steckt seinen Kopf aus der Brückentür. Na dann: „Welcome to my bridge.“Die Göttin der fruchtbaren Erde bereitet ein herzliches Willkommen. „Möchten Sie etwas trinken? Haben Sie Hunger? Wir könnten Ihnen ein Steak braten lassen. Oder vielleicht ein Sandwich?“Eigentlich ist es Claudia, die so fürsorglich fragt. Sie arbeitet zum ersten Mal in der Position der Kreuzfahrtdirektorin, bisher war die 42-jährige als Purserin auf Schiffen unterwegs. Jetzt begleitet sie ihren Mann und Hotelmanager Robert – das Dreamteam hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Produkt zu perfektionieren. Die Voraussetzungen scheinen zu stimmen. „Ich habe noch nie ein so herzliches Miteinander an Bord erlebt“, erzählt Claudia. „Auch wenn das abgegriffen klingt: Hier sind vom Kapitän bis zum Spüler tatsächlich alle wie eine große Familie.“
Doch dazu später mehr, Claudia muss noch arbeiten. Es ist ein lauer Sommerabend, das stylische Patras bei Nacht überrascht mit hippen Läden und Bars. Doch nach einem Glas griechischen Weißweins rufen die weichen Kissen in der erstaunlich geräumigen Kabine. Schließlich will man die Ausfahrt am nächsten Morgen nicht verpassen.
Der Duft von frisch gebratenem Speck zieht über das Deck, während die Sonne hinter uns am Horizont emporsteigt. Die ersten Segel sind gesetzt, nun zeigt sich das Schiff in vollem Tageslicht – eine elegante Dame mit vielen schicken Details, die auf Hochglanz poliert werden. Der Lieblingsort zum Frühstücken steht bereits fest: die gemütliche Sitzecke am Heck mit Rundumblick und Crewklingel.
STOPP IN DER HEIMAT VON ODYSSEUS
Erster Stopp am Nachmittag ist Ithaka, die Heimat des Odysseus. Wir liegen im Süden der Insel auf Reede. Ein schickes weißes Tenderboot bringt uns nach Vathy, das von bewaldeten Bergen umgeben ist. Claudia hat uns zwei Seiten aus ihrem Reiseführer kopiert, persönlicher kann ein Service an Bord nicht sein.
In der Nähe gibt es schöne Strände, ein archäologisches Museum mit Exponaten eines Apollonheiligtums, eine kleine Festung aus venezianischer Zeit. Wir wollen zur Arethousa-quelle wandern, wo der Schweinehirt Eumäos die Tiere von Odysseus getränkt haben soll. Ziegen grasen zwischen Olivenbäumen. Scheinbar wahllos in die Bucht gestreute Inselchen erinnern an einen Spielplatz der Götter. Zurück an Bord duftet es verführerisch nach Fisch.
Am nächsten Morgen wachen wir vor Kefalonia auf. Genau hierher hat Kephalos, der Sohn des Götterboten Hermes, unter Obhut des Weingott Dionysos damals die Weinrebe gebracht. Die Insulaner kultivieren noch heute ihren ganz eigenen Weißwein, den Robola. Er gilt als einer der besten und teuersten griechischen Weißweine. Trotzdem nimmt der
Hafenagent gern zwei Flaschen Wein vom Schiffsrepräsentanten Andreas Koufteros entgegen. Gute Beziehungen sind wichtig in Griechenland.
Auf Korfu hat Koufteros auch schon mal an einem Sonntag für das Schiff die Türen eines Supermarktes öffnen lassen. Der smarte Netzwerker erkennt uns auf der Hafenpromenade von Fiscardo sofort und lädt zu einer Tasse Kaffee ein. Er liebt die ionischen Inseln: „Sie sind besonders grün und nur hier ragen die Dörfer in den Wald hinein.“Wir sitzen unter duftendem Jasmin und lassen den Blick über die glitzernde Wasseroberfläche schweifen, während unser griechischer Gastgeber fragt: „Wussten Sie, dass zwei Häuser weiter regelmäßig Prominente aus Hollywood speisen?“
Noch hat das weltberühmte Tassia an diesem Vormittag geschlossen. Chefin Tassia Dendrinou eröffnete 1972 das erste Restaurant in dem kleinen Fischerdorf. Das Besondere an der Küche hier sei der italienische Einfluss, erzählt Koufteros.
Die Inseln sind lange Zeit von den Venezianern bevölkert worden. Ein verlassener Leuchtturm am anderen Ende der Bucht erzählt noch von dieser Zeit. Bis in die 1950er-jahre soll die Venetische Sprache hier noch zu hören gewesen sein. Und wie kommen wir nun zurück auf die Segelyacht? Ganz einfach: Wir rufen Hotelmanager Robert oder Kreuzfahrtdirektorin Claudia auf dem Handy an und schon kommt der edle Tender stilecht angebraust. So läuft das auf einem Schiff mit gerade mal 18 Kabinen an Bord.
YACHT ODER KREUZFAHRTSCHIFF?
So idyllisch Kefalonia auch ist, wir wollen heute noch eine zweite Insel besuchen: Lefkada. Die wichtigste griechische Lyrikerin – Sappho – soll sich aus Liebeskummer von einem der großen weißen Felsen von Leukas ins Meer gestürzt haben. Was für eine traurige Geschichte. Wie wäre es, einfach an Bord zu bleiben und das Privatyacht-gefühl zu genießen? Hoteldirektor Robert kommt vorbei. Sind wir nun auf einer Yacht oder auf einem Kreuzfahrtschiff? „Schiffe mit bis zu 20 Gästen sind Privatyachten. Aber es gibt auch Yachtfeeling auf kleinen Kreuzfahrtschiffen, wie unserem: Dazu gehören eine relativ homogene Gruppe, auch mal tagsüber zu fahren, Wassersportangebote, entspanntes Lebensgefühl. Auf einem klassischen Kreuzfahrtschiff hingegen wird meist über Nacht gefahren und tagsüber hetzt man durch die neuen Häfen. Und auf den großen Schiffen geht die Individualität verloren.“
Robert bringt viele Jahre Erfahrung von hoher See mit. Vom Kellner bei Royal Caribbean hat er sich hochgearbeitet bei Saga Cruises, Delphin Kreuzfahrten, Deilmann – hin zum Hotelmanager. Ob die Gäste der Privatyacht schwieriger im Umgang sind als normale Kreuzfahrtpassagiere? Der Wahl-hamburger schüttelt den Kopf. „Nein, diese Klientel ist sogar einfacher zu händeln als Drei-sternePassagiere. Das liegt ganz einfach daran, dass sie wissen, was sie wollen und das auch klipp und klar sagen. So kann man gut arbeiten.“80 Prozent der Reisen sind Vollcharter oder Incentives, aber es gibt auch Reisen, auf denen Einzelbuchungen möglich sind.
Egal, wer die Gäste an Bord sind: Robert und Claudia stellen sich darauf ein. Die Deutschen trinken gern Ouzo, die Russen essen Haferbrei zum Frühstück. Jede Reise ist anders. Für die Norweger hat Claudia neulich ein Speedboat gemietet, damit sie die „Fjorde Griechenlands“erleben können. Kostenpunkt: 1.200 Euro für vier Personen. Demnächst kommt eine Gruppe aus Yale, sie bringen ihren eigenen Lektor mit. Zahlen fallen für viele Gäste nicht weiter ins Gewicht.
Jedes Mal, wenn ich tagsüber meine Kabine aufsuche, scheinen die Stewards dagewesen zu sein. Das Waschbecken blitzt ununterbrochen, die Handtücher sind frisch gefaltet, die Laken ordentlich glattgezogen – ohne dass man jemals von den beiden zurückhaltenden Filipinos gestört worden wäre. Sie arbeiten heimlich und zuverlässig wie Heinzelmännchen.
Auch das ist Luxus. „Luxus ist Service mit einem Lächeln“, sagt Robert. „Service heißt, dass man herausfindet, was der Gast möchte und es ihm bietet, ohne, dass er danach fragen muss.“Luxus ist auch, die glänzende Yacht mal einen Nachmittag für sich zu haben. So ähnlich muss Onassis sich fühlen, dessen Privatinsel hier ganz in der Nähe liegt. Am Abend kommt Wind auf, die anderen Passagiere kehren zurück. Es gibt Erdbeer-daiquiri. Während die Passagiere die Sonne Griechenlands genossen haben, hat Robert eingekauft. Am Vorabend war die Lust auf den sommerlichen Cocktail entstanden, nun wird er formvollendet serviert.
Am nächsten Morgen liegen wir an Deck hinter der Brücke. Das Yoga mit Oleksander aus dem Tagesprogramm entpuppt sich als leichte Dehn- und Kräftigungsübungen. Dafür gibt der großgewachsene Matrose mit der sanften Stimme seinen Kurs mit viel Gefühl.
Die Reflektionen der Morgensonne spiegeln sich an der Decke des überdachten Bereiches, während unsere Rücken sich vom Teakdeck
tragen lassen. Sanfte Musik ertönt, ein perfekter Start in den Tag.
Die Running on Waves wippt sanft vor der geschützten Bucht von Gáios, dem Hauptort der Insel Paxos. Das venezianische Kastell auf der vorgelagerten Insel Agios Nikolaos begrüßt die Besucher, die vom Meer kommen. 1423 als Schutz vor Piraten erbaut, überblickt es noch heute wachsam den Schiffsverkehr. Rund 200.000 Olivenbäume wachsen auf der kleinen Insel zwischen Natursteinwällen, einst soll es rund eine halbe Million gewesen sein!
Mehr als 150 verlassene Olivenpressen zeugen von der Blüte des fruchtbaren Zeitalters. Keine Frage, das Land ist gesegnet. Kein Geringerer als Meeresgott Poseidon soll die Insel mit seinem Dreizack von der Südspitze Korfus abgetrennt haben, um ein geschütztes Liebesnest für sich und seine Geliebte Amphitrite zu schaffen. Das glauben wir sofort, so idyllisch wie die Landschaft sich präsentiert.
Doch auf der Nachbarinsel Antipaxos soll es noch schönere Strände geben. Die Idee zu einem spontanen Schwimmstopp am Nachmittag entsteht. Und Kapitän Grigory macht es möglich. Das ist wirklich Yachtstyle!
NIKOS‘ FÜNF STUNDEN LAMM
Während wir am Mittag zur Nachbarinsel fahren, hat Chefkoch Nikos Kaisidis seinen großen Auftritt. Ein in Gewürzen mariniertes Lamm ist nach fünf Stunden im Ofen gar. Wie eine Trophäe trägt Nikos die mit Brotteig verschlossene Kasserolle ins Restaurant und öffnet sie vor den Augen der Passagiere.
Ein Schwärmen geht durch die Runde, als der Duft von Thymian und Knoblauch den Raum erfüllt. „Die Zubereitung habe ich von meiner Mutter gelernt“, verrät Nikos und füllt den Passagieren höchstpersönlich die Teller auf. Er sieht glücklich aus, alle sind zufrieden. Kurz darauf fällt bereits wieder der Anker, das Schiff erbebt und ein Matrose schlägt mit jedem Schekel Ankerkette, dass in Richtung Meeresboden sinkt, einmal die Glocke an. Am Ende sind es drei Schekel, also 81 Meter. Soviel Stahl braucht es, um die schicke Lady an Ort und Stelle zu halten. Ihre 630 Tonnen verteilen sich auf 64 Meter Länge mal 9,5 Meter Breite. Eigentlich wirken die 45 Meter Masten schon fast zu groß. Aber wenn sie kleiner wären, sähe es nicht so gut aus, sagt der Erste Offizier Sergeiy. „Der Eigner ist ein Ingenieur, das Schiff sein Baby, so designt, wie es ihm gefällt.“
Kapitän Grigory ist zufrieden mit seiner Barkentine. Der 33-jährige Sankt Petersburger mit einem Superman-anhänger um den Hals war schon beim Bau sechs Monate lang mit von der Partie auf der Werft in Polen und weiß um die hohen Ansprüche des Eigners.
Als Mathematiker berechnete dieser beispielsweise, wie die ideale Polsterung für die Lounge ganz oben hinter dem Freiluftsteuerstand geformt sein muss. Acht Zentimeter mehr Halt gibt das untere Kissen nun der Lendenwirbelsäule. „Wir sind hier perfekt ausgestattet, mit hydraulischen Segeln, das ist ein sehr komfortables Arbeiten“, sagt Grigory, der in dieser Saison erstmals in der Position des Kapitäns fährt. Seine Segelerfahrung sammelte er auf dem Segelschulschiff Sedov, mit ihr absolvierte er 2012/2013 sogar eine Weltumrundung.
„Bei der alten Lady brauchen wir 100 Matrosen, um alle Segel zu setzen, hier gerade mal vier“, lacht Grigory. Seine rechte Hand an Deck ist Bootsmann Oleksey, der mit seinem Vollbart und der stylischen Sonnenbrille ein Aushängeschild des Schiffes ist. Von Anfang an arbeitet Grigory
mit dem drahtigen Russen Hand in Hand, der beim Segelsetzen leichtfüßig über das Deck sprintet.
Auf längeren Reisen lässt Grigory sogar die Passagiere mal ans Ruder. Oder er erklärt ihnen an Deck bei Loungemusik in der Nacht die Sternenbilder. Weitere Tagesprogrammpunkte: Fotosafari und Karaoke, Knotenkunde und Mastklettern. Mehr braucht es auch nicht. Die meisten bevorzugen ohnehin ein gutes Buch auf dem Sonnendeck am kleinen Pool.
Von April bis Oktober kreuzt die Running on Waves unter der griechischen Sonne. Im Winter liegt das Schiff in Zypern.
Es wird Zeit, die Strände von Antipaxos zu testen. Zunächst bringen uns die Matrosen in eine Bucht mit großen weißen Kieseln. Als der nicht zu 100 Prozent gefällt, geht es weiter an einen feinen Sandstrand. Das Wasser erstrahlt unverschämt Türkis. Dank der Sonnenreflektionen könnte man sich in der Karibik wähnen, würden nicht die wilden griechischen Felsen das perfekte Bild rahmen. Viel zu schnell endet unsere Route durch die ionische Inselwelt auf Korfu. „It is a funny greek morning“, sagt Grigory auf der Brücke. Ein großes Kreuzfahrtschiff lag bei der Ankunft noch an der Pier – auf dem für uns reservierten Liegeplatz.
Behäbig und ohne jeden Funkkontakt schiebt es sich nun an der zierlichen Running on Waves vorbei. Grigorys Gesichtszüge werden ernst. Behutsam tastet er sich auf den Liegeplatz vor, steuert die Luxusyacht gekonnt an die Pier. Die Anspannung lässt nach.
Time to say goodbye. Vorbei ist es nun für uns Passagiere mit der mythischen Stille, Touristenströme schieben sich durch Kerkyra. Die Inselhauptstadt wurde nach einer Nymphe benannt, die von Poseidon geliebt wurde. Der Meeresgott ließ Odysseus vor Kerkyra Schiffbruch erleiden – die letzte anstrengende Etappe seiner Reise. Wir möchten es Odysseus gleichtun und nach Ithaka zurückkehren. Vielleicht könnte unsere Reise dann auf wundersame Weise von vorn beginnen.