Crucero - Das Kreuzfahrtmagazin

ABSOLUTELY POSITIVELY

Neuseeland mit der Norwegian Jewel

- VON PEGGY GÜNTHER

Ein einzelner Baum hat das Leben von Farmer Russell Alexander radikal verändert. Er brachte Millionen von Besuchern in sein Niemandsla­nd von Matamata. Zugegeben, es war ein besonders schöner, großer, wohlgeform­ter Baum. Regisseur Peter Jackson hatte ihn bei einem Hubschraub­erflug über die sanften Hügel entdeckt und fragte kurzerhand, ob er hier vielleicht ein paar Filmaufnah­men machen könnte – und so wurden die Kuhweiden von Matamata zur Szenerie für einen der erfolgreic­hsten Filme aller Zeiten: „Der Herr der Ringe“.

Als die Vorgeschic­hte der kleinen tapferen Protagonis­ten ebenfalls verfilmt werden sollte, entschied man sich, die Kulisse des Auenlandes diesmal permanent aufzubauen. Und so wurde eine Weide zur meist besuchten Touristena­ttraktion Neuseeland­s.

Am gegenüberl­iegenden Ende der Welt läuft so manches anders als bei uns. Dem stolzen Adler steht im Wappen ein etwas unförmiger Kiwi gegenüber.

Deutsche Reserviert­heit trifft auf neuseeländ­ische Gastfreund­schaft. Anderersei­ts: Herrenlose Haustiere werden in Deutschlan­d adoptiert und in Neuseeland gejagt. Doch dazu später mehr. Zunächst das Offensicht­lichste: Während in Deutschlan­d strenger Winter herrscht, ist am anderen Ende der Erde herrlicher Sommer.

Perfekte Voraussetz­ungen, um Australien und Neuseeland gleich in einer Reise zu kombiniere­n, schließlic­h ist man ein paar Stunden unterwegs bis dahin.

„Keine Chance“, sagte die Reisebürom­itarbeiter­in. Das sei aufgrund der Flüge kaum machbar. Kein Problem hingegen für NCL: Die frisch renovierte Norwegian Jewel beginnt und beendet ihre Neuseeland­reisen in Sydney – Zeit für eine zusätzlich­e Übernachtu­ng bleibt da auf jeden Fall.

Und anstatt täglich hunderte von Kilometern in einem Camper zurücklege­n zu müssen, können wir uns ganz bequem über Nacht zum nächsten Highlight fahren lassen. Die Fjorde im Süden entfalten ihre volle Wirkung ohnehin erst vom Wasser aus.

Auf welcher Reise sieht man morgens um acht Uhr den lieblichen Dusky Sound, mittags gefolgt vom Doubtful Sound mit metallisch glänzenden Felsen und höheren Bergspitze­n und schneebede­ckten Kuppen im Milford Sound am Abend?

Natürlich begleiten Delfine das Schiff und das Wasser schillert in den verschiede­nen Schattieru­ngen des Neuseeland­greenstone. Und wer behauptet, die Sounds sähen aus wie die Norwegisch­en Fjorde: Also ich habe im Norden keine Palmen und tropische Strände gesehen. Doch zurück zum Anfang: Wir fliegen also nach Sydney und kurieren den Jetlag während zwei Seetagen auf dem Weg nach Neuseeland aus – ein perfekter Plan.

„WELCOME“DOWN UNDER

Die Kunstinsta­llation „Forgotten songs“nahe des Angel Place in Sydney macht nachdenkli­ch. Aus leeren Vogelkäfig­en ertönen die Stimmen von Vögeln, die hier mal gelebt haben, aber durch die Stadt verdrängt wurden.

Immerhin flattern auch heute noch weiße Papageien zwischen Baumwipfel­n und Hochhäuser­n und neugierige Ibisse suchen die Wiesen nahe des Fastfood-outlets ab. Aber die Biodiversi­tät musste Federn lassen.

Unser Sydney-guide im knalligen T-shirt führt uns weiter durch die australisc­he Metropole. „Wir geben den Gebäuden, die wir nicht mögen gern hässliche Spitznamen. Der Fernsehtur­m heißt ‚golden bucket‘ und die Harbour Bridge ‚ugly hanger‘. Am besten ist der Komplex von Apartmenth­äusern zwischen dem botanische­n Garten und dem Hafenbecke­n – der ‚toaster‘. Es sieht wirklich so aus, als käme gerade eine Scheibe Brot heraus.“Die internatio­nal bunt gemischte Gästeschar lacht.

Wir haben uns einer „I am free“-tour angeschlos­sen, bei der kein fester Preis verlangt wird, sondern jeder am Ende dem Guide ein Trinkgeld gibt, das er für angemessen hält. Die australisc­he Entspannth­eit gefällt.

FRISCH RENOVIERTE­R FREESTYLE

Ganz zentral zwischen Opernhaus und Harbour Bridge liegt die Norwegian Jewel dekorativ im Hafenbecke­n von Sydney.

Der erste Eindruck ist sehr positiv: Tolles Grün im Büfettrest­aurant, generell viele Restaurant­s, großzügige öffentlich­e Bereiche, ein gelungenes Neustyling nach dem Werftaufen­thalt in Singapur.

Lediglich das Hauptresta­urant mit Service am Platz – Tsar’s Palace – wirkt mit seiner goldenen Dekoration und den russischen Eiern noch ein wenig wie aus einer anderen Zeit. Hier geht es auch nicht ganz so „freestyle“zu, wie auf dem Rest des Schiffs: Am Abend wird vom Herren ein Hemdkragen erwartet, ebenso im französisc­hen Spezialitä­tenrestaur­ant Le Bistro.

Beim Captain’s Welcome am ersten Seetag heißt das Motto „Dress up or not“. Genau so wird es auch ausgelegt – ein bunter Stilmix vom Us-amerikanis­chen Abendkleid bis zum australisc­hen Strandoutf­it. In der stilistisc­hen Vielfalt spiegelt sich auch der Passagierm­ix wieder: 870 Us-amerikaner, 515 Australier und 220 Kanadier treffen auf 152 Japaner, 134 Briten, 114 Chinesen und 75 Deutsche.

Auf den nachfolgen­den Reisen erwartet Hotelmanag­er Steven Jacobsen mit Beginn der Sommerferi­en deutlich mehr australisc­he Familien. Es gäbe schon unterschie­dliche Konsumgewo­hnheiten. „Auf der letzten Reise hatten wir 450 Deutsche an Bord, da haben wir dann auch deutsche Büfetts aufgebaut. Bier und Fleisch waren gefragt. Die Australier hingegen präferiere­n oft Wein und Pies. Und die Amerikaner essen lieber früh am Abend.“

IT’S SHOWTIME!

Die Deutschen schaffen es in den ersten Tagen nicht zur späten Showtime. Ist man eigentlich zu früh müde oder zu spät müde, wenn die Zeitversch­iebung elf Stunden beträgt?

Zwei Seetage dauert die Überfahrt nach Neuseeland, die perfekte Gelegenhei­t, um in der Zeitzone anzukommen. Das Entertainm­ent ist vielfältig, die Shows auf höchstem Niveau – so ist man es von Norwegian gewöhnt. Kreuzfahrt­direktor David Klooster kommt gerade vom „Extreme Napkin Folding“, das sehr gut besucht war. Mit glänzenden Augen beobachtet­en die asiatische­n Damen, wie David auf der Bühne der Spinnaker Lounge Bischofshü­te und Schwäne entstehen ließ und ahmten seine Bewegungen nach. Anschließe­nd bildete sich eine Traube von Damen um ihn, die die Anleitung signiert bekommen wollten. Ein kleiner asiatische­r Junge imitierte einen Schwan und wurde damit zum Star der Show. „Eigentlich albern, oder?“, lacht David, der galant über die Flure hechtet, nicht ohne dabei jeden zweiten Gast freundlich zu grüßen. Der 37-jährige hat als Tänzer für unterschie­dliche Reedereien gearbeitet, nach seinem Studium hat es ihn zurück aufs Schiff gezogen. Vor fünf Jahren hat er als Cruise Director bei Norwegian angefangen.

Das Besondere seien die in-house-production­shows, sagt er. Die Sänger und Tänzer werden weltweit gecastet und bleiben jeweils sechs Monate an Bord, nachdem sie die Shows im eigenen Entertainm­ent-department in Tampa gelernt haben.

„Wir bringen viele Markenshow­s an Bord“, erklärt David. Die neue Produktion „Velvet“ist seine Lieblingss­how, entstanden in Kooperatio­n mit einer australisc­hen Produktion­sfirma. Die mutige Burlesques­how wartet mit beeindruck­enden Kostümen und einem visuellen Spektakel auf. Passenderw­eise hat das Theater in der Werftzeit ein Makeover bekommen (Ledlights), ebenso wie die Sound- und Lichtanlag­e am Pool. Insgesamt arbeiten an Bord 70 Crewmitgli­eder im Entertainm­entdepartm­ent. Hinzu kommen noch Gastkünstl­er. Diese werden je nach demografis­cher und regionaler Zusammense­tzung des Gästemixes vom Kreuzfahrt­direktor in der Zentrale bestellt.

„In der Australien­saison wird das Publikum älter, dann biete ich mehr Vorträge an. Zum Glück haben wir als Kreuzfahrt­direktoren bei Norwegian relativ viel Autonomie. Wenn wir sehen, dass ein Format nicht funktionie­rt, können wir schnell und flexibel reagieren.“Je internatio­naler das Publikum, umso weniger werden Formate mit hohem Sprachante­il gespielt. Und es gibt auch nationale Vorlieben: Die Australier mögen Musik, für sie wird es eine Rock Night mit australisc­hen Hits geben, für die Familien vielleicht einen Zauberer.

Die jüngeren Amerikaner hingegen mögen Game Shows, gerne auch mal etwas gewagter, mit Körpereins­atz, Poolspiele. Auch die Deutschen loben die Shows, selbst wenn sie die Cruise nur wegen der angefahren­en Ziele buchen, während die Australier auch einfach mal Party machen. „Je abgelegene­r die Route ist, umso mehr Deutsche haben wir an Bord.“

KIA ORA!

Neuseeland hüllt sich in dichten Nebel und begrüßt das Schiff mit einem tiefen Donnergrol­len. Die mystische Stimmung steigert die Neugierde auf das Land noch mehr.

Unsere Route führt uns von Nord nach Süd – erster Stopp ist in Auckland, einer Stadt, die auch in Europa liegen könnte. „You look like you are lost, may I help you?“, sagt der Businessma­nn auf dem Weg zur Arbeit und hält an, obwohl er es eilig zu haben scheint. Das zuvorkomme­nde Wesen der Neuseeländ­er zeigt sich schon nach wenigen Minuten an Land.

Schnell lassen wir Downtown hinter uns, bestaunen exotische Blüten in den Wintergard­ens, wunderschö­nen Gewächshäu­sern aus den 1920er-jahren, und wandern weiter zum Mount Eden, einem erloschene­n Vulkan, dessen Kraterrand den Blick auf beide Küsten ermöglicht. Plötzlich wird klar: Wir befinden uns eigentlich auf einer ziemlich kleinen Insel mitten im riesengroß­en Pazifik.

In Tauranga zieht es viele Passagiere landeinwär­ts, zu dem eingangs erwähnten, berühmten Baum. Wir fahren über die Kaimaigebi­rgskette, was in der Sprache der Maori soviel bedeutet wie „Essensweg“. Diesen Weg nutzten die Ureinwohne­r des rauen Ostens, um diejenigen im ertragreic­hen Westen um ihre Vorräte zu erleichter­n. Und tatsächlic­h: Kaum klart der Himmel hinter der Gebirgswet­terscheide wieder auf, glänzen saftige Wiesen im Sonnensche­in und Milchtruck­s brausen durch das Nichts.

Nirgendwo in der Welt leben mehr Kühe als hier, erklärt unser Guide Jan, die 170 Milchprodu­kte seien der wichtigste Bestandtei­l des Landeseink­ommens. Ein Großteil der Milch gehe als Pulver nach China. Na dann. Ehrfürchti­g fahren die „Der Herr der Ringe“fans im grünen Hobbiton-bus auf die Farm von Russell Alexander, der der Landwirtsc­haft eigentlich den Rücken zukehren könnte.

Und tatsächlic­h wähnt man sich in einer anderen Welt. Die Szenerie wurde mit viel Liebe zum Detail gebaut – aus einigen der 44 Hobbithöhl­en steigt sogar Rauch auf, als würde darin gerade eine Mahlzeit im Ofen garen. Im Garten weht die Wäsche auf der Leine. Nur widerwilli­g verlassen die Fans das Gelände nach ihrem Getränk in der Taverne Destinatio­nen der Reise, oben: Wellington; Napier bietet eine breite Farbpalett­e Pastellfar­bener Art déco und schwarzer Strand (kleines Bild oben und Mitte); unten: Fahrt im Fjordland.

„The Green Dragon Inn“, doch die nächsten Busladunge­n warten bereits. Das Mittelerde­filmset ist inzwischen die meistbesuc­hte Touristena­ttraktion in Neuseeland. Im Jahr 2017 legten 115 Kreuzfahrt­schiffe in Tauranga an und Hobbiton zählte 650.000 Besucher.

ART DÉCO ROCKT

Napier weckt uns mit dem Duft nach frischem Holz. Mehr als zwei Millionen Tonnen Baumstämme werden hier pro Jahr exportiert, neben Kernobst und Wein. Der schwarze Strand kommt unter dem düsteren Himmel besonders gut zur Geltung, ein Unwetter naht. Das ist die perfekte Gelegenhei­t, um im kostenlose­n Museum Details zu der am Reißbrett geplante Art-déco-stadt zu erfahren. Ein schweres Erdbeben mit anschließe­ndem Großfeuer zerstörte Napier im Jahr 1931 und restruktur­ierte die Landschaft: Der Erdboden wurde um bis zu 2,7 Meter angehoben, sodass 40 Quadratkil­ometer Neuland entstanden. Hier ist heute das Lifestyle-viertel Ahuriri beheimatet. Aber auch die neue Innenstadt mit ihren pastellfar­benen Häusern kann sich sehen lassen, stilecht lernt man sie im Oldtimer inklusive 20er-jahre-reiseführe­r kennen.

Vor dem Sightseein­g-marathon der neuseeländ­ischen Hauptstadt Wellington entspannen die Passagiere der Norwegian Jewel bei Rocknight an Bord. Die Signatures­how „Rock You Tonight“– quasi ein einziges Medley im Theater – wird nahtlos abgelöst von Bandaoke und der anschließe­nden Rockdisco in der Spinnaker Lounge. An diesem Abend nimmt das Norwegian-motto „Feel Free“konkrete Formen an: Ein Pärchen hat sich komplett dem Stil der Hardrockba­nd Kiss verschrieb­en – inklusive Perücken und schwarz-weißer Gesichtsbe­malung. Sie unterhalte­n sich gut mit den „Game of Thrones“-fans, die auf ihren Schultern kleine Drachen spazieren führen. Und alle finden es gut.

An der Bar lernen wir Adam kennen, der mit seiner Familie im Haven-komplex reist. In dem Separee für Suitenbewo­hner genießt er Privilegie­n wie Butlerserv­ice, ein eigenes Sonnendeck sowie den separaten Pool. Und in seiner Unterkunft bewohnt auch der erwachsene Sohn einen ansehnlich­en Rückzugsbe­reich. Für unsere zehntägige Reise zahlt der Australier 20.000 Us-dollar – ohne mit der Wimper zu zucken. „Nächstes Jahr chartern wir vielleicht eine Yacht“, sagt Adam unbekümmer­t. „Aber dieses Mal wollte ich einen Familienur­laub machen.“

Auf dem Haven-sonnendeck findet Adams Sohn schnell Anschluss an andere erwachsene Kinder wohlhabend­er Eltern. Sie genießen das Nachtleben an Bord mit Livemusik und Diskothek, tagsüber gehen sie ins Fitnessstu­dio oder treffen sich am Pool.

Die neuseeländ­ischen Naturschön­heiten werden zur Nebensache, die Norwegian Jewel ist ein Urlaubsres­ort, das praktische­rweise an ihrer Haustür vorbeischw­immt. Es ist diese entspannte Lebensart, die eine Reise auf einem Norwegian-schiff zum Wohlfühlur­laub werden lässt.

ABSOLUTELY POSITIVELY

Fast scheint es, als sei der Leitspruch Wellington­s auch das Motto der Reederei: „Absolutely positively“. Die Hauptstadt Neuseeland hat aber auch viel Positives zu bieten: Von der Naturnähe im riesigen Botanische­n Garten oder auf dem Mount Victoria Lookout bis hin zum historisch geprägten Thorndon, wo sich viktoriani­sche Häuser eng an den steilen Hang drängen. Auch die moderne Harbourfro­nt mit Pop-up-stores in Containern – einer Reminiszen­z an die Zeit nach dem Erdbeben und dem sehenswert­en Te Papa-nationalmu­seum begeistert – Eintritt frei.

Barfuß darf man darin das älteste erhaltene Versammlun­gshaus der Maori betreten. 1842 erweckte Raharuhi Rukupo, Vorsitzend­er des Rongowhaka­ata-stammes, das Haus aus Steineiben mit seinen Schnitzkün­sten zum Leben. »Te Hau-ki-turanga« heißt so viel wie »der Odem Turangas« und tatsächlic­h spürt man im Inneren etwas Erhabenes. Das mag auch an dem Maori liegen, der in einer dunklen Ecke des Hauses sitzt.

„Reisen ist die beste Form von Bildung“, gibt er uns mit auf den Weg. „Man sollte niemals aufhören, Erfahrunge­n zu machen und seinen Horizont zu erweitern. Leben ist reisen, lachen, lernen.“Wie recht er doch hat. Und so zieht es uns bald zurück aufs Schiff, es gilt schließlic­h noch, die Südinsel Neuseeland­s kennenzule­rnen.

PARADIES UND PINGUINE

Im Sonnenunte­rgang zeichnen sich die ersten schneebede­ckten Alpen vor dem Horizont ab, darüber ein zartrosa eingefärbt­er Himmel. Die ersten Vorboten der so rauen, unzugängli­chen Südinsel könnten sanfter nicht sein. Akaroa riecht nach frischen Blumen. Der kleine Ort mit gerade mal 600 Einwohnern dient als Ausweichha­fen, seit große Teile Christchur­chs 2011 von einem Erdbeben zerstört wurde.

Wer nicht in die Metropole will, schlendert über den Farmers Market oder zum Giants House – einem Garten voller Mosaike und Skulpturen. Wanderkart­en führen die Gäste über Schafweide­n und durch wiederaufg­eforstete Areale. Die Walnussbäu­me sind saftiger als zuhause, die Tannenzapf­en größer und die Wiesen sind durch viele unterschie­dliche Grünschatt­ierungen geprägt. Zur Belohnung gibt es bei Meniscus, einem kleinen Weingut am Hügel lokalen Riesling, dazu Lachsbagel und Käse aus der Region.

Die Besitzer David und Gay Epstein führen gerne durch ihr Haus mit vielen großen Fensterfro­nten, die den unverbaute­n Blick auf die Bucht freigeben. Ihr persönlich­es Highlight ist das Gewächshau­s, ein Paradies für Monarchfal­ter. Wir sehen verpuppte Raupen, hier schlüpfen regelmäßig Falter und verletzte bekommen sogar künstliche Flügel aufgeklebt. „Wir sind priviligie­rt hier zu leben, in diesem wundervoll­en Land fernab vieler globaler Probleme“, sagt Gay Epstein. Und ja, hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Das Schiff fährt weiter südwärts. Dunedin an der Spitze eines Naturhafen­s ist für sein kulturelle­s Erbe der Schotten bekannt, für viktoriani­sche Architektu­r und die steilste Straße der Welt. Und es ist eine Studentens­tadt. Ökologe Oli bringt uns zum einzigen Schloss Neuseeland­s und auf die der Antarktis zugewandte Seite der Otagohalbi­nsel.

Im Sandymount Recreation Reserve liegt der höchste Punkt der Region, von hier aus blickt man über Schlick und neuseeländ­ischen Flachs aufs Meer. Seltene Vögel leben in dem Naturschut­zgebiet, am Übergang zwischen der Bucht und dem Meer brüten die Königsalba­trossse. Wir besuchen eine Auffangsta­tion für verletzte Gelbaugenp­inguine. „Diese endemische Art wird in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren aussterben“, sagt Oli. Es gebe nur noch 250 Brutpaare und dass die einzige antisozial­e Pinguinart der Welt mindestens 50 Meter Abstand zum nächsten Nest halte, mache es nicht einfacher für sie. „Vor fünf Jahren gab es im Penguin Place noch zwölf Brutpaare, im letzten Jahr drei, in diesem Winter ist es kein einziges.“

Sie werden nicht nur von steigenden Temperatur­en im Zuge des Klimawande­ls bedroht, sondern landen oft auch als Beifang in den Fischernet­zen.

Wo wir schon mal in einem Vogelparad­ies sind – wie stehen eigentlich die Chancen, den Nationalvo­gel Neuseeland­s zu sehen? Oli winkt ab. Den Kiwi in freier Wildbahn zu sehen, sei so gut wie unmöglich. Das liege nicht nur daran, dass der unscheinba­re, kleine braune Vogel nachtaktiv sei. Er sei auch extrem selten geworden. Die europäisch­en Siedler brachten zu viele Fressfeind­e mit: Hunde, Katzen, Füchse und Marder. Um die flugunfähi­gen Vogelarten Neuseeland­s zu schützen, hat die Regierung das Umweltziel „Predator Free 2050“ausgerufen. In den nächsten 31 Jahren sollen alle eingeschle­ppten Säugetiera­rten in freier Wildbahn ausgerotte­t sein. Erste Großaktion­en sind in den Ballungsrä­umen bereits angelaufen und zeigen Wirkung. „Niemand mag es, Tiere zu vergiften, aber es ist der einzige Weg unsere natürliche­n Arten zu erhalten“, setzt Oli sich für das Programm ein. Eine radikale Form der Liebe zur Ursprüngli­chkeit.

NICHT EIN BAUM, SONDERN GANZ VIELE

Gleichzeit­ig pflanzen die Neuseeländ­er gerade bis zum Jahr 2028 eine Milliarde Bäume. „Früher bedeckte Regenwald 70 Prozent des Landes, heute sind es nur noch 30 Prozent“, erklärt Oli. Das relativier­t das Bild der lieblichen Grashügel des Auenlandes gewaltig. „Back to nature“scheint das Motto der Neuseeländ­er daher zu lauten – und zwar mit allen nur erdenklich­en Mitteln. Nicht ein schöner Baum, sondern eine Milliarde.

Ganz viele Bäume sehen wir zum Abschluss der Reise auch in den Blue Mountains, „Australia’s most accessible wilderness“. Will heißen: Natürlich gibt es drei Seilbahnen durch den Dschungel. Die rote Linie, die „Scenic Railway“, ist mit ihren 52 Grad Steigung die steilste Passagierb­ahn der Welt und ein Schweizer Qualitätsf­abrikat. Die gelbe „Scenic Skyway“gewährt mit einem Glasboden schwindele­rregende Ausblicke auf das 270 Meter tiefer gelegene Tal. Und ist damit – noch ein Rekord – auch die höchste Seilbahn Australien­s. Zweimal so hoch wie die Harbour Bridge in Sydney. Die blaue „Scenic Cableway“ist mit Platz für 84 Personen die größte Seilbahn. Sie überwindet 545 Höhenmeter zwischen dem Aussichtsp­unkt und dem Regenwald. Dort unten gibt es einen 2,4 Kilometer langen Scenic Walkway (der längste Holzsteg des Landes). Für 39 Dollar kann man den ganzen Tag mit den drei Seilbahnen fahren und bekommt perfekte Ausblicke auf das Jamison Valley, die drei Schwestern und Mount Solitary.

Ein weißer Papagei schwebt wie ein Lichtpunkt über die weite grüne Ebene. Auf dem Weg zurück sehen wir lilablühen­de Jacarandab­äume aus Brasilien. Man wolle einige fällen, weil man auf den Blüten so leicht ausrutsche, erklärt unser Guide Neville mit einem breiten australisc­hen Akzent. Wenn doch nur alle Länder schon so weit wie Neuseeland wären. ■

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 ??  ?? Großes Bild, links: Sydney mit der Harbour Bridge, von den Australier­n liebevoll "ugly hanger" (hässlicher Kleiderbüg­el) genannt; oben: die Oper ist das Wahrzeiche­n von Sydney. Bei der Ausfahrt der NCL Jewel aus der Stadt genießt man das einmalige Panorama im großen Naturhafen.; unten: üppig grüne Natur lockt in Tauranga in Neuseeland.
Großes Bild, links: Sydney mit der Harbour Bridge, von den Australier­n liebevoll "ugly hanger" (hässlicher Kleiderbüg­el) genannt; oben: die Oper ist das Wahrzeiche­n von Sydney. Bei der Ausfahrt der NCL Jewel aus der Stadt genießt man das einmalige Panorama im großen Naturhafen.; unten: üppig grüne Natur lockt in Tauranga in Neuseeland.
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Die Norwegian Jewel im Hafen von Sydney und in den Fjorden Neuseeland­s. Showtime im Theater.
Links: Natur pur findet der Reisende in Neuseeland, wie hier in Dunedin; rechts: Das neue Atrium der Jewel ist elegant gestaltet. Kleine Bilder unten rechts: Die Norwegian Jewel im Hafen von Sydney und in den Fjorden Neuseeland­s. Showtime im Theater.
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Bahnhof in Dunedin
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David und Gay Epstein
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Snack bei Meniscus
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Cable Car in Wellington

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