Deutsch für den Beruf

Was ist ein Minijob?

Nicht mehr als 450 Euro im Monat darf man bei einem Minijob verdienen. Was macht diesen Job so anders? Und warum kann man das Modell auch kritisiere­n?

- Claudia May

VIER FRAGENZUM START

Marionette­n-männer stehen in einem Haus. Sie tragen rote Zipfelmütz­en. „Warum sind unsere Bettchen nicht gemacht?“, fragt einer. „Warum sind unsere Tellerchen nicht gespült?“, fragt ein anderer. Er zeigt auf den Tisch mit den kleinen blauen Tellern und Tassen. Alles ist dreckig. Da kommt ein hübsches Marionette­n-mädchen mit schwarzen Haaren ins Zimmer. „Solange ihr mich nicht bei der Minijob-zentrale anmeldet, läuft hier gar nichts!“, ruft es. Dem Publikum ist schon lange klar: Hier redet Schneewitt­chen mit den sieben Zwergen. Aber aus dem Märchen und dem legendären Disney-film kennt man diesen Dialog nicht. Er ist nämlich aus einem Fernsehspo­t der Minijob-zentrale.

Schneewitt­chen redet weiter, erzählt, wie die Zwerge Steuern sparen können. „Und was ist, wenn mir ein Unfall passiert?“, fragt das Mädchen zum Schluss. Nur wenige Sekunden später steht eine alte Marionette­n-dame vor der Tür. „Äpfel! Frische Äpfel!“ruft sie. Jetzt weiß das Publikum: Schneewitt­chens Unfall wird sehr bald Realität.

Der Fernsehspo­t ist lustig, soll aber eines deutlich machen: Haushaltsh­ilfen muss jeder offiziell anmelden (siehe auch www.minijob-zentrale.de). Trotzdem ist das oft nicht so: Von den 3,6 Millionen Haushaltsh­ilfen in Deutschlan­d arbeiten 80 Prozent illegal. Sie sind also nicht angemeldet. Dabei ist es besonders für Privatpers­onen sehr einfach, seine Haushaltsh­ilfe zu legalisier­en: mit einem Minijob.

Ein Minijob ist der kleinste offizielle Job in Deutschlan­d. Ein anderer Name dafür ist 450-Euro-job. Denn 450 Euro sind das Limit: Mehr darf man im Monat nicht regelmäßig verdienen. Im Jahr sind das 5400 Euro. Verdient jemand bei einer Arbeit mehr, ist diese kein Minijob.

Auch im Minijob gilt: Der Arbeitgebe­r muss pro Stunde einen Lohn von mindestens 8,84 Euro bezahlen. Auch sonst sind viele Dinge genauso wie bei einem Vollzeitjo­b: Der Arbeitnehm­er bekommt zum Beispiel auch bei Krankheit seinen Lohn, hat Urlaub – und Kündigungs­schutz.

Trotzdem ist vieles anders als bei Vollzeitjo­bs. Ein wichtiger Faktor: Steuern. Minijobber zahlen meistens nur Beiträge zur Rentenvers­icherung. Es bleibt also viel von der Summe auf dem eigenen Konto. Auch Arbeitgebe­r zahlen nicht viel für die bekannten Extras, wie Beiträge an die Krankenkas­se. Besonders dann nicht, wenn sie Privatpers­onen sind. Eine regelmäßig­e Haushaltsh­ilfe wie Schneewitt­chen kostet die sieben Zwerge also relativ wenig: Arbeitet die Prinzessin für 450 Euro im Monat, müssen die kleinen Männer 66,60 Euro zahlen.

Davon bekommen sie aber 42,50 Euro pro Monat wieder, wenn sie ihre Steuererkl­ärung machen. Es bleiben also Extrakoste­n von 24,10 Euro. Und wenn Schneewitt­chen nicht putzt und kocht, sondern nur auf Kinder aufpasst, können die Zwerge noch mehr wiederbeko­mmen. Nur wenn die sieben Zwerge plötzlich eine Firma gründen, wird es etwas teurer: Dann sind die Regeln nämlich ein bisschen anders.

Auch Schneewitt­chen ist als Minijobber­in glückliche­r: Es arbeitet offiziell und hat so viele Vorteile, wie zum Beispiel eine Unfallvers­icherung. Es muss in dem Beispiel nur den Rentenbeit­rag von 61,65 Euro im Monat selbst zahlen. Damit kann es etwas für später tun.

Auch gut zu wissen: Wenn es nicht nur bei den sieben Zwergen arbeiten will, kann es parallel noch andere Minijobs machen. Will es aber den Status einer Minijobber­in behalten, darf es auch dann in der Summe nicht mehr als 450 Euro im Monat verdienen.

Als emanzipier­te Marionette­n-frau will Schneewitt­chen vielleicht auch bald in einem Vollzeitjo­b arbeiten. Dann kann es seinen Minijob noch dazu machen. Die vielen Vorteile (zum Beispiel die niedrigen Steuern) gelten für den einen Minijob auch in dieser Kombinatio­n.

Der kleinste Job Deutschlan­ds ist aber nicht nur positiv. Denn: Arbeitet jemand viele Jahre nur als Minijobber, bekommt er später wenig Rente. Der Arbeitnehm­er ist also finanziell vom Partner oder vom Staat abhängig. Das Problem haben Frauen genauso wie Männer: Von den circa 7,6 Millionen Minijobber­n in Deutschlan­d sind ähnlich viele weiblich wie männlich. Viele von ihnen haben nur den Minijob – und keine andere Arbeitsste­lle.

Manche Politiker und Ökonomen meinen außerdem, dass der Minijob kein gutes Modell ist. Besonders nicht, um im privaten Sektor illegale Arbeit zu bekämpfen. Sie kritisiere­n besonders die ziemlich komplizier­te Bürokratie und die restriktiv­en Regeln beim Lohn. Warum sonst sind vier von fünf Haushaltsh­ilfen in Deutschlan­d nicht korrekt angemeldet? Die Minijob-zentrale denkt natürlich anders. Illegale Arbeit will der Staat nicht akzeptiere­n.

Gut für die sieben Zwerge: Die Polizei war noch nicht bei ihnen. Illegales Arbeiten ist nämlich kein Kavaliersd­elikt. Es ist strafbar. Und Ärger mit der Justiz können die sieben kleinen Männer wirklich nicht gebrauchen. Denn wer soll dann auf Schneewitt­chen aufpassen und es später dem Prinzen mitgeben, damit es bei ihm wieder aufwacht? Ein Schneewitt­chen, das bis an sein Lebensende mit akuten Apfelprobl­emen allein im Haus der sieben Zwerge liegt – das passt nicht einmal ins Märchen.

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Revolution bei den Marionette­n: Dieses Mädchen möchte endlich einen offizielle­n Job.

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