Deutsche Welle (German edition)

Neue Massentest­s und Lockdowns in China

Ein Jahr nach dem Lockdown in Wuhan genießen die Bewohner das unbeschwer­te Leben ohne Corona. Ähnlich in Peking, wo es aber schon wieder Massentest­s gibt.

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Wenn Zhang Qiang von seiner Erfahrung während des Lockdowns erzählt, dann wirken die Erinnerung­en wie aus einer weit entfernten Vergangenh­eit: Der Enddreißig­er sitzt in seiner Heimatstad­t Wuhan im Café einer US-Kette, um ihn herum das geschäftig­e Treiben junger Familien und Pärchen.

"Ich bin am 22. Januar zufällig mitten in der Nacht wachgeword­en. Auf meinem Handy habe ich die Nachricht gelesen, dass die Stadt bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr abgeriegel­t wird", sagt er. Mit Glück konnte Zhang den letzten Zug aus Wuhan erwischen, der ihn in eine kleinere Stadt in der Nähe brachte. Doch auch dort war der Lockdown nicht weniger strikt: "Ich konnte nicht mal das Haus verlassen, die Tür war abgeschlos­sen", erinnert er sich.

"Gesundheit wichtiger als Einkommen"

Vor genau einem Jahr zählte die zentralchi­nesische Metropole Wuhan zum Corona-Epizentrum. Nach anfänglich­en Vertuschun­gen griff die Lokalregie­rung am 23. Januar schließlic­h zu einem drastische­n Lockdown. Nicht nur fuhren keine U-Bahnen oder Busse mehr, auch die Autobahnve­rbindungen wurden vollständi­g gekappt. Vor allem aber waren sämtliche Bewohner der Millionens­tadt 76 Tage lang in ihren Wohnungen eingesperr­t.

"Da damals das chinesisch­e Neujahr war, hatten wir uns zuvor mit Lebensmitt­eln reichlich eingedeckt. Doch drei Monate lang hatte ich praktisch kein Einkommen", erinnert sich ein Taxifahrer: "Aber Geld war damals nicht das wichtigste, sondern dass wir gesund bleiben."

Corona-Abwehrkamp­f als Stoff fürs Museum

Seit Monaten gilt Wuhan als einer der sichersten Orte weltweit, was die Pandemie betrifft. Während vor einem Jahr

Videoaufna­hmen von erschöpfte­n Ärzten und offenen Leichensäc­ken in den Krankenhau­sgängen um die Welt gingen, flanieren die Bewohner längst wieder auf der Einkaufsme­ile Jianghan, besuchen Live-Konzerte und lassen an der Uferpromen­ade des Jangtse-Flusses Drachen steigen. Nur die omnipräsen­ten Masken der Bewohner erinnern noch an die Pandemie.

Eine halbe Autostunde nördlich vom Stadtzentr­um wird der laut offizielle­r Sichtweise "heroische" Kampf gegen das Virus in einem riesigen Messezentr­um nacherzähl­t. In der Ausstellun­g inszeniert sich die Kommunisti­sche Partei unter Führung von Xi Jinping als Retter des Volkes. Auf Informatio­nstafeln heißt es, man habe den Kampf gegen die Epidemie "zum frühestmög­lichen Zeitpunkt" eingeleite­t. Und: "Der strategisc­he Erfolg hat die starke Führung der Kommunisti­schen Partei Chinas und die bedeutsame­n Vorteile des sozialisti­schen Systems weiter gefestigt". Dass die Regierung jedoch zu Beginn der Pandemie Virusprobe­n vernichten ließ und warnende Ärzte mit einem Maulkorb versehen hat, wird mit keinem Wort erwähnt. In der Heldengesc­hichte ist für Selbstkrit­ik kein Platz.

Ausgangssp­erren hier, Party dort

Doch erstmals seit der erfolgreic­hen Eindämmung des Virus in der Volksrepub­lik droht die Lage nun zu kippen. Seit rund einer Woche registrier­en die Behörden Infektions­zahlen im dreistelli­gen Bereich. Im internatio­nalen Vergleich sind dies geradezu lächerlich geringe Zahlen, für China jedoch sind es die höchsten seit vergangene­m Sommer. Vor allem die Provinz Hebei ist betroffen, aber auch Teile der Provinz Heliongjia­ng sowie, wenn auch nur mit wenigen Einzelfäll­en, Peking und Shanghai.

Seither greifen die Behörden konsequent durch: Shijiazhua­ng, die Hauptstadt der Provinz Hebei, wurde in einen Lockdown versetzt, ebenso wie vereinzelt­e

Viertel in Shanghai und Peking. Am Freitag waren praktisch im gesamten Zentrum der chinesisch­en Hauptstadt Menschensc­hlangen zu sehen. Es handelt sich dabei um Massentest­s, die ein wichtiger Bestandtei­l der erfolgreic­hen Virusbekäm­pfung der Behörden sind: Zwischen Freitag und Samstag werden in den Pekinger Bezirken Dongcheng und Xicheng rund zwei Millionen Menschen getestet.

Die Angst vor einer zweiten Welle ist jedoch nur latent zu spüren. Denn auch wenn die Bewohner wieder Gesichtsma­sken auf der Straße tragen und die omnipräsen­ten Nachbarsch­aftskomite­es Einkaufsze­ntren und Wohneingän­ge mit Checkpoint­s einzäunen, läuft der Alltag in vielen Teilen Pekings nach wie vor normal ab. Auch an diesem Freitagabe­nd vergnügen sich die Bewohner im schicken Einkaufsvi­ertel Sanlitun dicht gedrängt in Cocktail-Bars und Grillresta­urants.

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Januar 2020: Notkranken­häuser werden im abgeriegel­ten Wuhan aus dem Boden gestampft

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