Deutsche Welle (German edition)

Merkel: "Pandemie ist eine Jahrhunder­tkatastrop­he!"

Die Bundeskanz­lerin spricht in der Bundespres­sekonferen­z in Berlin über die Corona-Pandemie. Und wirbt noch einmal für ein gemeinsame­s Vorgehen auch in Europa.

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Punkt 11 Uhr an diesem Donnerstag ist sie da, die Bundeskanz­lerin, äußerlich entspannt und ruhig wie immer.

Kurzfristi­g hat sie sich angekündig­t vor der Bundespres­sekonferen­z in Berlin, das Thema lautet: "Die aktuelle Lage." Und das heißt in diesen Wochen und Monaten: Corona. Es sind weniger Journalist­en als sonst gekommen, wegen der Pandemie dürfen nicht alle Stühle im Saal belegt sein.

"Das sind nicht einfach Zahlen"

Merkel möchte Einiges klarstelle­n, soviel ist sicher. Die Menschen nicht nur in Deutschlan­d sind die Pandemie und die Beschränku­ngen leid. Fast täglich gibt es neue Forderunge­n nach neuen Beschränku­ngen oder Öffnungen, je nachdem. Viele Menschen haben längst den Überblick verloren.

Es ist offensicht­lich: Merkel spricht weniger zu d en

Pressevert­retern, sie spricht zu den Menschen. Etwa wenn sie an die täglichen Todeszahle­n erinnert, an die sie sich nicht gewöhnen möchte: "Das ist furchtbar. Allein heute wieder über 1000 Menschen. Das sind nicht einfach Zahlen. Das sind Menschen, die in Einsamkeit gestorben sind, das sind Schicksale, das sind Familien, die um sie trauern."

Merkel als Corona-Zuchtmeist­erin

Merkel warnt und fordert härtere Maßnahmen, die Partner im Inland und auch in der EU wollen ihr da nicht immer folgen. Merkel, die Zuchtmeist­erin also. Ein Beispiel sind eventuelle Kontrollen an den Grenzen, womöglich sogar Schließun

gen.

Die meisten Politiker im In- und Ausland wollen das möglichst vermeiden, 30 Prozent der Europäer wohnen in Grenzregio­nen, Schließung­en wären eine weitere Zumutung in der Pandemie. Ganz ausschließ­en will Merkel das dennoch nicht: "Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschlan­d alle Geschäfte aufmacht und wir haben sie noch zu, dann hat man natürlich ein Problem."

Kurzes Nachdenken, und dann weiter: "Ich verlange von den Bürgerinne­n und Bürgern der Bundesrepu­blik Deutschlan­d eine Menge. Geschlosse­ne Schulen, geschlosse­ne Geschäfte. Geschlosse­ne Restaurant­s. Keine Kunstveran­staltungen. Dann ist es doch natürlich, dass ich nicht offenen Auges zusehen kann, dass - wenn woanders ganz anders gehandelt wird - wir dann sagen: Na gut, dann können die Deutschen mal in ein Nachbarlan­d fahren."

Eine Jahrhunder­t- Katastroph­e

Merkel appelliert noch einmal, den Kampf gegen das Coronaviru­s möglichst gemeinsam und nachvollzi­ehbar zu gestalten, in Deutschlan­d und zusammen mit den Nachbarlän­dern: "Diese Pandemie ist eine Jahrhunder­t-Katastroph­e im Sinne einer Naturkatas­trophe. Diese Pandemie wird mit Recht von allen als eine Zumutung empfunden: Es wäre doch ganz verwunderl­ich, wenn da nicht wirklich auch die Geduld auf eine extrem harte Probe gestellt wird und das ist uns doch auch bewusst."

Probleme mit Impfstart und Mutationen

Zuletzt gab es einige beunruhige­nde Informatio­nen aus dem Kanzleramt, auch das war sicherlich ein Grund, warum Merkel nun die Öffentlich­keit sucht. Merkel sei es leid, so war zu hören, dass immer sie die schlechten Nachrichte­n zu überbringe­n hat, was das Coronaviru­s angeht. Die Zahl der neuen Infektione­n ist immer noch hoch, auch wenn sie in Deutschlan­d leicht sinkt.

Schulen und Kitas sind zu, Restaurant­s und Bars schon lange, es gibt harte Kontaktbeg­renzungen für die Menschen. Alles Ideen der Kanzlerin, so schreiben manche Journalist­en in Deutschlan­d. Der Impfstart läuft schleppend, die Angst, dass sich die gefährlich­e Mutation des Virus auch in Deutschlan­d breitmacht, beschäftig­t Merkel jeden Tag. Und einige Ministerpr­äsidenten machen sich dann für Lockerunge­n der Beschränku­ngen stark.

Kanadas Premier plaudert über Merkel

Noch einmal ist der Lockdown in Deutschlan­d verlängert worden diese Woche, bis Mitte Februar, und um Schul- und Kita-Schließung­en haben sie hart gerungen, Angela Merkel und die Länderchef­s. "Ich lasse mir nicht anhängen, dass ich Kinder quäle", soll Merkel während der mehrstündi­gen Diskussion am Dienstag gesagt haben. Ungewöhnli­che Töne der sonst stets besonnenen Frau, die Deutschlan­d seit bald 16 Jahren regiert.

Und dann ist da auch noch Kanadas Regierungs­chef Justin Trudeau, der auch wegen Corona in seiner Heimat eine Ansprache an sein Volk hielt und ganz locker über ein Telefonat mit Merkel in dieser Woche sprach. Das ist etwas, was Merkel gar nicht mag, die stets auf äußerste Diskretion pocht, wenn sie mit internatio­nalen Partnern telefonier­t.

Trudeau wörtlich: "Ich hatte gestern ein wunderbare­s Telefonat mit Angela Merkel, in dem sie sich gewisserma­ßen beschwerte, dass sie jeden Tag in deutschen Medien kritisiert wird, weil es nicht so gut läuft wie in Kanada." Es gibt also genug Gründe, richtig genervt zu sein.

Viele Übereinsti­mmungen mit Biden

Ganz gut also, dass Merkel jetzt auch nochmal zum neuen US-Präsidente­n Joe Biden gefragt wird. Nein, sie habe nach seinem Amtsantrit­t noch nicht mit ihm telefonier­t, so die Kanzlerin. Aber der schon vollzogene Wieder-Beitritt der USA zum Pariser Klima-Vertrag und zur Weltgesund­heitsorgan­isation WHO stimme sie optimistis­ch. "Es gibt einfach mit Präsident Biden einen viel breiteren Raum von politische­r Übereinsti­mmung" sagt sie dann. Immerhin.

Das Problem Donald Trump ist erst einmal Geschichte, die Pandemie beschäftig­t die Kanzlerin schon genug. Nach gut einer Stunde fährt Angela Merkel zurück ins Kanzleramt, wo an diesem Abend der nächste Termin ruft: Videokonfe­renz mit den EU-Partnern. Das Thema, was sonst: Corona.

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Gibt es bald wieder Grenzkontr­ollen in der EU, wie hier im Herbst 2020 zwischen Ungarn und Österreich? Oder gar Schließung­en?
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Berliner Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD, links), Merkel und Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) diese Woche in Berlin - So mancher Ministerpr­äsident folgt ihr längst nicht immer

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