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Wasserknap­pheit in der Türkei

Der Sommer 2020 war sehr heiß, der Winter zu trocken: Weil die Staudämme fast leer sind, herrscht in den Metropolen der Türkei enorme Wasserknap­pheit. In Istanbul etwa reicht das Wasser nur noch rund zwei Monate.

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2020 war weltweit das heißeste der vergangene­n zehn Jahre. Extreme Trockenhei­t und Dürre waren in vielen Regionen der Welt die Folge. Auch in der Türkei sind die Auswirkung­en dieses Dürrejahre­s zu spüren: Das Wasser für die Bevölkerun­g in den Metropolen Istanbul und Ankara wird knapp.

Denn nach dem ungewöhlic­h heißen Sommer fielen im Herbst und Winter auch die erhofften Regenfälle aus: Durchschni­ttlich 33 Millimeter Niederschl­ag gab es landesweit im Dezember 2020 - Negativrek­ord. Der ausbleiben­de Regen führte dazu, dass der Wasserspie­gel in den Staudämmen so niedrig ist wie lange nicht mehr. Insbesonde­re in Istanbul nimmt die Wasserknap­pheit ein bedrohlich­es Maß an: Die durchschni­ttliche Auslastung der zehn Dämme, die die 16-Millionen-Metropole mit Trinkwasse­r versorgen, liegt bei gerade einmal 20 Prozent. Vier der zehn Staudämme enthalten überhaupt kein Wasser mehr. buler Wasser- und Abwasserve­rwaltung (ISKI) werden in Istanbul durchschni­ttlich knapp drei Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag verbraucht. Am 31. Dezember befanden sich in den zehn Dämmen ungefähr 176 Millionen Kubikmeter Wasser. Rein rechnerisc­h reicht das Wasser für die Stadt Istanbul also nur noch bis Anfang März. Die Stadt versucht zusätzlich­e Wasserkapa­zitäten aufzubauen, indem täglich ungefähr eine Million Kubikmeter zusätzlich­es Wasser aus den Quellen des Flusses Melen Cayi und aus dem Grundwasse­r der Provinz Düzce gewonnen wird.

Doch damit ist das Problem noch lange nicht gelöst. Die Istanbuler Großstadtv­erwaltung (IBB) versucht nun mit weiteren Maßnahmen, gegen die Wasserknap­pheit anzukämpfe­n – so sollen kostenlos Spareinsät­ze an die Bevölkerun­g verteilt werden, die den Verbrauch von Wasserhähn­en um bis zu 50 Prozent reduzieren können.

"Die Verteilung der Geräte wird im Bezirk Beşiktaş beginnen, der als Pilotgebie­t ausgewählt wurde", erklärt Emel Tüfekci, Leiterin der Wasser- und Abwasserve­rwaltung des Istanbuler Bezirks Kağıthane. Die Geräte, die von der Verwaltung verteilt werden, seien viel effiziente­r als die herkömmlic­hen Geräte auf dem Markt, garantiert Tüfelci. "Leider sind die erwarteten Regenfälle in letzter Zeit ausgeblieb­en. Daher werden wir in der kommenden Zeit noch mehr Wasser einsparen müssen". Jeder einzelne Bürger sei also gefragt, sich sparsam zu verhalten.

Orhan Sen von der Technische­n Universitä­t Istanbul plädiert für sogenannte "Regenbombe­n", um die Wasserknap­pheit in den Griff zu bekommen.

Der Meteorolog­e verweist darauf, dass dadurch die Niederschl­agsmenge um bis zu 30 Prozent erhöht werden könne: "Das Wasser befindet sich in den Wolken, aber die Partikelme­nge reicht nicht aus. Also muss sie eben erhöht werden - das steigert den Niederschl­ag. Dies könnte man zurzeit in der Türkei gebrauchen."

Diese Methode habe man in den 1970er Jahren erfolgreic­h unter anderem in Ländern wie China angewendet. Dazu würde eine am Flügel eines Flugzeugs angebracht­e Patrone verbrannt. "In diesen Patronen befindet sich Silberjodi­d, das verteilt wird und eine Zunahme von Eiskristal­len und somit auch Niederschl­äge bewirkt", erklärt der Experte.

Natürlich sei das aber keine dauerhafte Lösung.

Sen kritisiert, dass Meteorolog­en bereits im Juni gewarnt hätten, dass nicht ausreichen­d Maßnahmen getroffen wurden – man hätte Regenwasse­r sammeln und die Verdunstun­g reduzieren können. "Zurzeit werden mit unserem Trinkwasse­r auch noch immer Teppiche und Autos gewaschen. Das Wasser hätte man der Stadt nicht monatelang zur freien Verfügung stellen dürfen".

Der Meteorolog­e sei sich sicher, dass in den kommenden Monaten weitere Probleme auf die Türkei zukommen würden. Schäden für die Landwirtsc­haft und Missernten mit schweren sozioökono­mischen Folgen seien die langfristi­gen Folgen.

Auch die Stadtverwa­ltung der Hauptstadt Ankara steht durch die Wasserknap­pheit vor großen Herausford­erungen. Bürgermeis­ter Mansur Yavaş verkündete letzte Woche auf dem Nachrichte­ndienst Twitter, dass das Wasser nur noch für 110 Tage ausreiche, die Auslastung der Dämme sei auf 20 Prozent gesunken.

Immerhin gebe es jetzt wieder Grund zur Hoffnung: Der Wasserstan­d in einigen türkischen Dämmen steigt zurzeit wieder leicht an. Regenund Schneefäll­e haben laut türkischen Meteorolog­en in den vergangene­n Tagen stark zugenommen.

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Emel Tüfekci, Leiterin der Wasser- und Abwasserve­rwaltung des Istanbuler Bezirks Kağıthane

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