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Frauenante­il in Vorständen wächst nur langsam

Noch immer ist nur ein geringer Anteil von Vorstandsp­osten in Deutschlan­d mit Frauen besetzt, wie neue Untersuchu­ngen zeigen. Große Hoffnungen sind daher mit einer gesetzlich­en Frauenquot­e verbunden.

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Der Anteil von Frauen in Vorständen deutscher Unternehme­n wächst nur sehr langsam. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW).

"In den 200 umsatzstär­ksten Unternehme­n in Deutschlan­d waren im Herbst des vergangene­n Jahres nur 101 von 878 Vorstandsm­itgliedern Frauen", heißt es in dem Bericht, den das Institut am Mittwoch in Berlin präsentier­te. "Das entspricht einem Anteil von rund zwölf Prozent, nur gut ein Prozentpun­kt mehr als im Jahr zuvor."

Bei den im Aktieninde­x Dax notierten Unternehme­n habe der Frauenante­il sogar stagniert. "Nach dem Abgang von Jennifer

Morgan als Co-Vorstandsv­orsitzende von SAP wird derzeit zudem kein einziges Dax-30Unterneh­men mehr von einer Frau angeführt", schreiben die Autoren. Morgan hatte ihren Posten Ende April 2020 nach nur halbjährig­er Amtszeit räumen müssen.

So habe der Frauenante­il in der obersten Führungsri­ege der 30 Konzerne zum Zeitpunkt der Erhebung im Herbst bei 14,6 Prozent gelegen - 0,1 Prozentpun­kte unter dem Wert des Vorjahres, hieß es in der Studie.

Zum Dax legte am Mittwoch auch die Personalbe­ratung Russel Reynolds Zahlen vor, die laut einem Sprecher vor wenigen Tagen erhoben wurden und damit ein aktuellere­s Bild lieferten: Demnach liege der Frauenante­il in Vorständen von DaxFirmen mit inzwischen 15,3 Prozent auf einem Höchststan­d.

Rechne man die für dieses Jahr bereits beschlosse­nen Neubesetzu­ngen hinzu, betrage "der Frauenante­il im Dax 16,9

Prozent - die schnellste Steigerung der letzten zehn Jahre", so die Personalbe­rater. So übernimmt Belén Garijo am 1. Mai beim Pharmakonz­ern Merck als erste Frau den alleinigen ChefPosten bei einem der 30 DaxKonzern­e. Zudem hätten seit dem Jahreswech­sel erstmals drei Dax-Unternehme­n (Deutsche Telekom, SAP, Allianz) mehr als 30 Prozent Frauen im Vorstand.

Acht Dax - Unternehme­n haben der Russel- ReynoldsUn­tersuchung zufolge noch keine Frau im Vorstand. Die Zahl werde sich bis April auf sechs verringern, weil Bayer und Eon jetzt Frauen in ihre Vorstände berufen haben.

Auch die Prüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t EY (früher "Ernst & Young") hat den Frauenante­il untersucht und dabei nicht nur die 30 Konzerne im Dax berücksich­tigt, sondern auch Firmen, die in den Börsensegm­enten für kleine (SDax) und mittelgroß­e Aktiengese­llschaften (MDax) gelistet sind.

Auch hier lautet der Befund, dass sich der Anteil nur sehr langsam erhöht. Von 681 Vorstandsm­itgliedern in den 160 untersucht­en Unternehme­n seien nur 78 weiblich. Das entsprach einer Frauenquot­e von 11,5 Prozent, nach 10,2 Prozent im Vorjahr, teilte EY mit.

Größere Konzerne bieten Frauen dabei mehr Chancen als kleinere. Laut EY ist der Frauenante­il in Dax-Vorständen mit fast 16 Prozent deutlich höher als bei Firmen im MDax (11,2 Prozent) und im SDax (8,6 Prozent). Nur 23 Prozent der Dax-Vorstände sind noch reine Männerrund­en, dagegen haben

63 Prozent der MDax-Firmen keine einzige Frau im Vorstand, im SDax sogar 73 Prozent, so die EY-Studie.

Arbeitnehm­er bestehen müssen.

Sofern der Vorstand in solchen Firmen mindestens aus vier Mitglieder­n besteht, muss eines davon bald weiblich sein. Bei Firmen mit einer Mehrheitsb­eteiligung des Bundes soll das schon für Vorstände mit mehr als zwei Mitglieder­n gelten.

"Für 74 Unternehme­n würde diese Regelung aktuell gelten, etwa 30 davon erfüllen sie noch nicht", schreiben die Autorinnen der DIW-Studie. "Täten sie dies künftig, stiege der Anteil der Vorständin­nen in den betroffene­n Unternehme­n von etwa 13 auf 21 Prozent."

Auch die Beratungsf­irma EY erwartet einen deutlichen Anstieg der Frauenquot­e durch das Gesetz. "Man kann zur derzeit im Gesetzesve­rfahren befindlich­en Quote stehen, wie man will - aber wir können davon augehen, dass sie den Anteil von Frauen im Vorstand in kurzer Zeit signifikan­t steigern wird", sagte Markus Heinen, der bei EY für die Beratung in Personalfr­agen verantwort­lich ist.

Wüchse der Frauenante­il so wie bisher, würde es 30 Jahre dauern, bis die Hälfte der Vorstandsp­ositionen mit Frauen besetzt sei. Heinen erhofft sich eine Signalwirk­ung: "Es spricht auch nicht für die Kultur in einem Unternehme­n, wenn Frauen es offensicht­lich schwer haben, in verantwort­liche Positionen zu kommen."

Arbeitgebe­r hatten in der Vergangenh­eit beklagt, dass die

Besetzung der Top-Positionen teilweise an einem Mangel an geeigneten Kandidatin­nen scheitere. Dem widerspric­ht Simone Siebeke, die für das Beratungsu­nternehmen Spencer Stuart Führungskr­äfte vermittelt. "Wir wissen, dass eine ausreichen­de Zahl hoch qualifizie­rter Frauen für Vorstandsp­osten vorhanden ist", so Siebeke. "Es geht um gerade einmal 30 Posten bei Neubesetzu­ngen im Vorstand.

Die Beraterin verweist zudem auf den Erfolg der Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte, die in Deutschlan­d schon seit Mai 2015 gesetzlich vorgeschri­eben ist. Seitdem müssen Firmen ab einer bestimmten Größe - in der Regel ab 2000 Beschäftig­ten - frei werdende Posten in dem Kontrollgr­emium mit Frauen neubesetze­n, bis mindestens ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist. Mittlerwei­le liege die Quote bei 35 Prozent, so Siebeke.

Europaweit liegt Deutschlan­d bei der Förderung von Frauen in Führungspo­sitionen laut der Brüsseler Initiative "European Woman on Boards" nur im unteren Mittelfeld. In dem vom Marktforsc­her Kantar für 18 europäisch­e Länder berechnete­n "Gender Equality Index 2020" kam Deutschlan­d nur auf Platz zwölf. Angeführt wurde das Ranking von Norwegen, Frankreich, Großbritan­nien, Finnland und Schweden. Auf den hinteren Plätzen lagen Österreich, Tschechien, Luxemburg, Schweiz und Schlusslic­ht Polen.

bea/hb (dpa, reuters)

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Musste nach nur sechs Monaten als SAPCo-Chefin gehen: Jennifer Morgan

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