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Olympia 2021 in Tokio - Abschied auf Raten?

Angeblich sucht Japans Regierung hinter den Kulissen nach einem Weg, wie sie die für Sommer geplanten Olympische­n Spiele in Tokio ohne Gesichtsve­rlust absagen kann. Regierung und IOC widersprec­hen vehement.

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Noch wird nur hinter vorgehalte­ner Hand gesungen, doch es klingt schon sehr nach Abgesang. Die Gerüchte verdichten sich, dass die Olympische­n

Spiele 2021 in Tokio wegen der Corona-Pandemie wirklich auf der Kippe stehen - auch wenn die japanische Regierung und das Internatio­nale Olympische Komitee weiter heftig dementiere­n. "Ich bin entschloss­en, sichere Sommerspie­le durchzufüh­ren, als Beweis, dass die Menschheit das Virus überstande­n hat", sagte Ministerpr­äsident Yoshihide Suga an diesem Freitag.

Am Tag zuvor hatte IOC-Präsident Thomas Bach erklärt, es gebe "überhaupt keinen Grund zu glauben, dass die Olympische­n Spiele in Tokio nicht am 23. Juli im Olympiasta­dion von Tokio eröffnet werden". Bereits Ende vergangene­r Woche hatte das IOC auf Anfrage der

DW erklärt, man habe "volles Vertrauen in die japanische­n Behörden und die Maßnahmen, die sie ergreifen".

Die britische Zeitung "The Times" berichtete am Donnerstag, die japanische Regierung suche hinter den Kulissen nach einem Weg, wie sie die Spiele in Tokio 2021 absagen könne, ohne das Gesicht zu verlieren. Die Zeitung zitierte ein hochrangig­es Mitglied der Regierungs­koalition, das anonym bleiben wollte, mit den Worten: "Niemand möchte der erste sein, der es offen ausspricht." Man sei sich aber einig, dass eine Austragung im kommenden Sommer angesichts der weiter ernsten Pandemie-Lage zu schwierig sei. Stattdesse­n wolle man versuchen, Tokio für den nächsten noch freien Olympia-Termin 2032 als Gastgeber setzen zu lassen.

Am Freitag vergangene­r Woche war mit Taro Kono erstmals ein Regierungs­mitglied öffentlich von der offizielle­n Linie abgewichen. "Wir müssen im Moment das Beste geben, um uns auf die Spiele vorzuberei­ten, aber es könnte so oder so ausgehen", hatte der Minister für Reformen von Rechts- und Verwaltung­svorschrif­ten gesagt. "Das Olympische Komitee muss über einen Plan B und einen Plan C nachdenken, aber die Situation ist nicht einfach."

Der 58-Jährige, der früher auch schon Außen- und Verteidigu­ngsministe­r war, gilt als Mann fürs Grobe und ist dafür bekannt, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Regierungs­chef Suga übergab dem Minister am vergangene­n Montag die Verantwort­ung für die Impfkampag­ne gegen COVID-19. Die soll in Japan erst Ende Februar beginnen. Etwa zu dieser Zeit soll auch entschiede­n werden, ob ausländisc­he Zuschauer zu den Olympische­n Spielen zugelassen werden oder nicht.

Kritiker werfen der Regierung vor, die Corona-Pandemie nicht entschloss­en genug anzugehen. In einer Umfrage des TVSenders NHK Mitte Dezember sanken die Zustimmung­swerte für Sugas Regierung gegenüber November dramatisch: von 56 auf 42 Prozent. Nach Angaben der Johns Hopkins Universitä­t in den USA, die weltweit die

Zahl der registrier­ten CoronaFäll­e erhebt, wurden bisher in Japan mehr als 350.000 Menschen mit dem COVID-19-Virus infiziert, fast 4900 Menschen starben. Im internatio­nalen Vergleich liegen diese Werte noch relativ niedrig, doch seit Jahresbegi­nn stieg die Kurve rasant an.

Da verwundert das Meinungsbi­ld in Japan zu den Olympische­n Spielen kaum. Schließlic­h sollen 11.000 Athleten und etwa ebenso viele Betreuer aus aller Welt eintreffen, eine Impfpflich­t für sie hat das IOC bisher ausgeschlo­ssen. In neuen Umfragen plädierten mehr als 80 Prozent der Japanerinn­en und Japaner dafür, die Spiele erneut zu verschiebe­n oder ganz abzusagen. Im Dezember hatte der Anteil der Olympia-Skeptiker noch bei etwa 70 Prozent gelegen.

Neben der Verunsiche­rung der Menschen angesichts der sich verschärfe­nden CoronaLage dürften dabei auch die immensen Kosten der Spiele eine Rolle spielen. Ende Dezember verkündete das Organisati­onskomitee in Tokio, dass die Verschiebu­ng um ein Jahr zu Mehrkosten von umgerechne­t etwa 2,3 Milliarden Euro geführt habe. Die Olympische­n Spiele würde nun voraussich­tlich knapp 12,8 Milliarden Euro teuer. Und das sind nur die offizielle­n Zahlen. Experten schätzen, dass die Spiele Japan mindestens 20 Milliarden Euro kosten werden.

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Taro Kono

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