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Siemens: Umbau beendet, Kaeser geht

Bei Siemens, dem deutschen Industrier­iesen, geht Vorstandsc­hef Joe Kaeser nach sieben Jahren Umbau. Seine Bilanz zum Abschluss ist glänzend. Sein Nachfolger verspricht Kontinuitä­t. Nur ist Siemens nicht mehr Siemens.

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Für die einen ist dieser Chef mit dem amerikanis­chen Vornamen und den bayrischen Wurzeln einer das ganz Großen der deutschen Industrieg­eschichte. Für andere gilt Joe Kaeser vor allem als einer, "der in wenigen Jahren ein über 170 Jahre altes Unternehme­n in seine Einzelteil­e zerlegt hat", wie die Süddeutsch­e Zeitunges formuliert­e. Richtig ist wohl beides: Den alten SiemensKon­zern, der Waschmasch­inen und Großturbin­en, Eisenbahnz­üge und Glühbirnen, Chips und Kraftwerke baute, den gibt es nicht mehr. An der Börse aber gehören die neuen Siemensfir­men zu den Lieblingen, die Siemens-Aktie entwickelt­e sich im letzten Jahr mit einem Plus von rund zwölf Prozent besser als der DAX.

Und auch die Bilanz, die Kaeser bei der virtuellen

Hauptversa­mmlung am Mittwoch präsentier­t, ist ganz offensicht­lich als fettes Polster für den Nachfolger gedacht. Roland Busch, seit Jahren im Konzern und seit Monaten als Stellvertr­eter Kaesers bereits für das Geschäft verantwort­lich, übernimmt mit dem heutigen Tage offiziell den Titel Vorstandsv­orsitzende­r.

Überrasche­nd gutes Quartal

Zuvor aber hob Siemens die Erwartunge­n für das laufende Geschäftsj­ahr 2020/21, das im Oktober begann, nach einem überrasche­nd guten ersten Quartal deutlich an: Der Gewinn nach Steuern soll auf 5,0 bis 5,5 Milliarden Euro steigen. Das wäre ein Plus von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 4,2 Milliarden Euro Gewinn. Der Umsatz war im ersten Quartal (Oktober bis Dezember), um Wechselkur­seffekte bereinigt, um sieben Prozent auf gut 14 Milliarden Euro gestiegen. Der Auftragsei­ngang wuchs sogar um 15 Prozent auf 15,9 Milliarden.

Der DW sagte Joe Kaeser dazu an seinem letzten Tag als Vorstandsc­hef, die Ergebnisse hätten auch deutlich schlechter ausfallen können. "Man darf nicht vergessen, dass die Zahlen des ersten Quartals mit dem gleichen Zeitraum in Vorjahr verglichen werden müssen. Und das war im Wesentlich­en noch die Vor-Corona-Periode", so Kaeser.

"Ich bin dankbar, so ein starkes Unternehme­n an die neue Führungsri­ege übergeben zu können", fügte der scheidende Vorsitzend­e am Mittwoch auf der Hauptversa­mmlung hinzu. Das "starke Unternehme­n" ist allerdings deutlich kleiner als der Riese, dessen Umbau bereits in den 1990er Jahren von Kaesers Vorvorgäng­er begonnen wurde.

1989 bestand Siemens noch aus 15 Einheiten, 1991 beschäftig­te der Konzern weltweit 427.000 Menschen, im vergangene­n Jahr waren es noch 293.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Aus dem alten Industriek­onglomerat wurde durch den Umbau unter Joe Kaeser ein Konzern mit noch drei Standbeine­n.

Umbau eines Industriek­onglomerat­s

Erfolg und jüngste Zuwächse kamen vor allem aus der Automatisi­erungs- Sparte, genannt Digital Industries. Siemens habe dabei nicht nur die unerwartet rasche Erholung in der

Autoindust­rie und im Maschinenb­au geholfen, sagte der neue Chef Roland Busch. Vor allem in China, aber auch in Deutschlan­d brummte das Geschäft. Im letzten Geschäftsj­ahr war hier der Umsatz noch um sechs Prozent auf 15 Milliarden Euro gesunken. Bei der Sparte geht es vor allem um Automatisi­erungssyst­eme für die Fabrikprod­uktion mit der dazu gehörenden Software.

Stabil blieben im letzten Geschäftsj­ahr die Umsätze bei der Bahntechni­k, die unter dem Namen Siemens Mobility läuft - bei einem Zuwachs von zwei Prozent kam die Sparte auf Erlöse von neun Milliarden Euro.

Der dritte Bereich des neuen Siemens-Konzerns nennt sich

Smart Infrastruc­ture und soll für die Verbindung von "Energiesys­temen, Gebäuden und Industrien" sorgen, wie es laut Unternehme­n heißt. Nicht mehr dazu gehören die Sparten Healthinee­rs und Siemens Energy. Die Gesundheit­ssparte ist bereits seit 2018 als eigene Firma an der Börse, und die Kraftwerks­parte brachte Kaeser im letzten Jahr an die Börse.

Anfang der Woche gab Siemens Energy bekannt, man werde weltweit rund 7.800 Arbeitsplä­tze abbauen. Die Stellenstr­eichungen betreffen die Sparte Gas and Power und sollen bis 2025 erfolgen. Für das erste Quartal des Geschäftsj­ahres 2021 vermeldete das Unternehme­n einen Gewinn Plus von 99 Millionen Euro. Im vergangene­n Geschäftsj­ahr hatte der riesige Energieber­eich noch einen Milliarden­verlust gemacht. Gerüchten zufolge strebt Joe Kaeser den Posten des Aufsichtsr­atschefs bei Siemens Energyan.

Schwerpunk­t Digitalisi­erung

Der Umbau bei Siemens gilt nun weitgehend als beendet, einige erwarten von Nachfolger Busch deshalb Konsolidie­rung. Busch müsse nun die Gemeinsamk­eiten zwischen den verschiede­nen Geschäftst­eilen herausarbe­iten und den Konzern zusammenha­lten, so zitierte das Handelsbla­tt einen ungenannte­n Arbeitnehm­ervertrete­r.

Busch solle stärker auf Innovation und die Entwicklun­g marktreife­r Produkte setzen, fordert im gleichen Blatt dagegen die Fondsmanag­erin Vera Diehl von der Deka. Siemens müsse es schaffen, so Diehl, "das Ingenieurs- und Digitalisi­erungsKnow-how" besser zu Geld zu machen.

Das verspricht der neue Vorstandsv­orsitzende denn auch und will den Münchner Konzern noch stärker auf Digitalisi­erung trimmen. Digitalisi­erung sei für ihn nicht Bedrohung, sagte er auf der virtuellen Hauptversa­mmlung, sondern "eine Antwort auf die großen Fragen unserer Zeit: auf Klimawande­l, Globalisie­rung, Urbanisier­ung und demografis­chen Wandel".

Der scheidende Chef Kaeser lobte sich auf der Hauptversa­mmlung am Mittwoch in München noch einmal selbst. Ohne seine Umbaumaßna­hmen würde es Siemens zwar noch geben. "Aber sicher nicht mit 130 Euro pro Aktie. Vielleicht dann zu 10 Euro und mit der Hälfte der Mitarbeite­r", sagte Kaeser und fügte hinzu: "So wie andere Konglomera­te, diesseits und jenseits des Atlantiks, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben." Der US-Mischkonze­rn General Electric (GE), an dem sich Siemens über Jahrzehnte gemessen hatte, hat einen Absturz an der Börse hinter sich.

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Joe Kaeser (links) an seinem letzten Tag als Konzernche­f bei DW in Berlin (rechts Moderator Steven Beardsley)

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