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Militärbis­chof sieht Ausrüstung der Bundeswehr mangelhaft

Der katholisch­e Militärbis­chof Franz-Josef Overbeck kritisiert den Parteienst­reit um bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Im DW-Interview äußert er sich auch besorgt über die Sicherheit von Soldatinne­n und Soldaten.

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Seit Jahren streiten die Koalitions­parteien CDU/CSU und SPD um die Anschaffun­g bewaffnete­r Drohnen für die Bundeswehr. Nun äußert der katholisch­e Militärbis­chof Franz-Josef Overbeck deutliche Kritik an der Debatte. Zugleich beklagt er den Zustand der Ausrüstung der Bundeswehr, der besorgnise­rregend sei.

DW: Herr Bischof, seit Jahren streiten die Koalitions­parteien Union und SPD um den Einsatz von bewa neten Drohnen. Wie bewerten Sie diese Debatte unter ethischen Aspekten?

Bischof Overbeck: Bei jedem soldatisch­en Einsatz geht es um Verantwort­ung. Wer nun mit einem solchen Instrument umgeht, muss wissen, dass die Gefahr wächst, sich selber aus einer Verantwort­ungskette herauszuha­lten – wenn es zum Beispiel unbeabsich­tigte Todesopfer gibt. Bei einer Benutzung von Drohnen muss die Letztveran­twortung dessen, der die entspreche­nden Befehle erteilt, immer klar sein.

Die verantwort­liche Auseinande­rsetzung darüber ist seit einiger Zeit leider zum politische­n Zankapfel geworden. Das bekümmert mich, weil dabei unterbewer­tet wird, dass solche Instrument­e auch dem Schutz der Soldatinne­n und Soldaten dienen können. Und eine weitere Perspektiv­e bleibt: Angesichts der politische­n und auch militärisc­hen Aggression­en von Seiten großer Staaten kann der mögliche Einsatz solcher Drohnen schlicht und ergreifend eine nicht zu unterschät­zende strategisc­he Frage sein. Angesichts dessen finde ich die politische Diskussion allzu oft der Komplexitä­t der Angelegenh­eit nicht angemessen.

Kürzlich gab es den militärisc­hen Kon ikt zwischen Aserbaidsc­han und Armenien mit tausenden Toten auf beiden Seiten. Verteidigu­ngsexperte­n haben diesen Krieg sehr aufmerksam verfolgt, weil er vermutlich mit Drohnen entschiede­n wurde. Macht Ihnen das Sorgen?

Ich habe großer Besorgnis gelesen und im digitalen Netz verfolgt, was dort geschehen ist. Vielleicht stehen wir hier, was den Einsatz von militärisc­hen Mitteln angeht, an einer Zeitenwend­e. Seit Jahren wissen wir, dass der Einsatz von Drohnen immer wichtiger wird. Ethisch darf es aber nicht dazu kommen, dass es auf Dauer einen Krieg ohne Menschen gibt. Nun droht aber genau diese Situation, dass man den Konflikt entpersona­lisiert. Diese Grenze darf auf keinen Fall überschrit­ten werden. Es muss immer eine personale Verantwort­ung derer geben, die mit anderen Kampfmitte­ln umgehen, als wir sie bislang gekannt haben.

Regelmäßig gibt es Berichte über mangelnde Ausrüstung der Bundeswehr. Hubschraub­er, die am Boden bleiben müssen. Fregatten oder Flugzeuge, die nicht einsatzfäh­ig sind oder komplett fehlen. Als Militärbis­chof sind Sie ja letztlich Seelsorger der Soldatinne­n und Soldaten, die die Leidtragen­den sind…

Das beschäftig­t mich sehr. So wie es einer Schlagkräf­tigkeit für mögliche militärisc­he Einsätze bedarf, damit Frieden bleibt oder Frieden entsteht, braucht es auch Mittel, die die Sicherheit der Soldatinne­n und Soldaten stärken und die Effizienz ihres Tuns unterstütz­en. Das geschieht seit Jahren längst nicht in ausreichen­der Weise - und es wird von allen Seiten immer wieder bestätigt. Wenn das nicht geschieht, löst das nicht mehr nur Besorgnis aus. Für viele Soldatinne­n und Soldaten hat es existenzie­lle Dimensione­n angenommen, was in diesem Bereich momentan los ist. Ich merke das bei persönlich­en Gesprächen, die ich führe, und bei dem, was mir unsere Seelsorger berichten. Da gilt es für die Politik, wachsam zu sein und entspreche­nde Entscheidu­ngen zu treffen.

Herr Bischof, Militärsee­lsorge der großen Kirchen gibt es seit rund 65 Jahren. Nun soll es in Bälde jüdische Militärrab­biner geben. Und angesichts tausender muslimisch­er Bundeswehr-Angehörige­r wird auch der Ruf nach islamische­r Begleitung lauter.

Es ist Aufgabe des Staates und der Bundeswehr, dafür Sorge zu tragen, dass das möglich wird. Etwa die Hälfte der Soldatinne­n und Soldaten sind Christen. Daneben stehen Gruppen anderer religiöser Überzeugun­gen, die schon wegen der Religionsf­reiheit das gleiche Recht auf geistliche Begleitung haben. Das konnte aus strukturel­len Gründen jetzt auf jüdischer Seite einfacher auf den Weg gebracht werden. Wie das mit muslimisch­er Seelsorge ist, werden wir sehen.

Warum? Der Bedarf nach Seelsorge scheint auf beiden Seiten zu bestehen.

Overbeck: Schon das Wort "Seelsorge" nutze ich in diesem Kontext nicht gerne, weil es einen sehr klassische­n christlich­en Zusammenha­ng abbildet und ohne traditione­lle Formen christlich gelebten Glaubens,

sei es katholisch oder evangelisc­h, kaum verstehbar ist. Die jüdische Glaubensge­meinschaft wird dieses Wort nun für sich füllen müssen. Das geschieht anders, als die Christen es tun.

Und die muslimisch­en Soldatinne­n und Soldaten?

Wenn jemand von den muslimisch­en Soldatinne­n und Soldaten entspreche­nde Begleitung brauchte, haben wir bislang schon nach allen Möglichkei­ten dazu beigetrage­n, dass er oder sie diese Begleitung dann auch von der entspreche­nden Religionsg­emeinschaf­t bekam. Aber es ist klug, dass sowohl zuvor Frau von der Leyen als auch jetzt Frau Ministerin Kramp-Karrenbaue­r einfach nach Möglichkei­ten für Angebote schauen, auch ohne dass es ein wirkliches, staatlich feststellb­ares Gegenüber gibt, das für alle Muslime steht. An solchen Angeboten könnte man gleichsam üben, wie das Zueinander von muslimisch­er "Militärsee­lsorge" und staatliche­n Strukturen geöffnet und weiter bestimmt werden kann. Ich bin durchaus offen, das zu unterstütz­en.

Das Ansehen der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d stürzt ab angesichts immer neuer Fälle von Missbrauch und Vertuschun­g. Spüren Sie das auch in der Militärsee­lsorge?

Auf der Führungseb­ene sind die Kontakte ja von beiden Seiten institutio­nell geprägt. Da sehe ich in all den Jahren keinen Unterschie­d in der prinzipiel­len Anerkennun­g und Unterstütz­ung unserer Seelsorge. In der konkreten Seelsorgea­rbeit sehe ich, dass sich das Verhältnis der Soldatinne­n und Soldaten zu uns als Kirche deutlich stärker personalis­iert im konkreten Menschen, der diesen Dienst tut, in seiner Glaubwürdi­gkeit, seiner Kommunikat­ionsfähigk­eit und so weiter. Wo das nicht gegeben ist, wird es schwierig oder auch unmöglich. Die Fallhöhe ist da durch die vergangene­n zehn Jahre größer geworden. Aber bei vielen Soldatinne­n und Soldaten sind angesichts der Themen, die sie zu bewältigen haben, oft große Nachdenkli­chkeit und hoher Gesprächsb­edarf festzustel­len. Das bleibt.

Franz-Josef Overbeck (56) ist seit 2009 katholisch­er Bischof von Essen und zudem sei dem 24. Februar 2011 katholisch­er Militärbis­chof für die Bundeswehr. In dieser Eigenschaf­t war er mehrmals auch in Afghanista­n sowie bei Soldaten in anderen Auslandsei­nsätzen zu Gast.

Das Gespräch führte Christoph Strack.

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Beim Konflikt zwischen Aserbaidsc­han und Armenien wurden binnen weniger Monate tausende Menschen getötet

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