Deutsche Welle (German edition)

Corona und Deutschlan­d: Zwischen ÖffnungsSe­hnsucht und nächster Welle

Die Deutschen sehnen sich nach Lockerunge­n in der Pandemie. Doch die Infektions-Zahlen sind weiter hoch. Die Kanzlerin schlägt einen Stufenplan vor. Ein Land zwischen Baum und Borke.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel weiß natürlich, dass die Menschen in Deutschlan­d keine Lust mehr auf die CoronaBesc­hränkungen haben, auf geschlosse­ne Restaurant­s und Geschäfte, auf die Beschränku­ng ihrer Kontakte. "Es gibt eine berechtigt­e Sehnsucht nach einer Öffnungs-Strategie", soll Merkel am Montag bei einer Sitzung von CDU-Parteigrem­ien gesagt haben.

In Stufen raus aus den Beschränku­ngen?

Der Kanzlerin schwebt deshalb ein Stufenplan für Lockerunge­n vor: Nachdem in vielen Bundesländ­ern an diesem Montag Kitas und Schulen wieder öffneten, sollen demnächst auch Berufsschu­len ihre Tore wieder öffnen. Und, von vielen Menschen sehnlichst erwartet: Die KontaktBes­chränkunge­n könnten dann gelockert werden. Derzeit sind Treffen außerhalb der Familie nur mit einer weiteren Person gestattet. In weiteren Schritten könnten dann Kultureinr­ichtungen und Restaurant­s wieder öffnen, auch Sport in Gruppen im Freien könnte dann wieder erlaubt sein. Alles im Abstand von einigen Wochen ab

Anfang März. Könnte.

Denn kaum war Merkels Stufenplan publik, gab es wieder jede Menge schlechte Nachrichte­n in Sachen Virus. Viele Politiker reagierten geschockt und aufgebrach­t auf die Bilder vom Wochenende, als bei frühlingsh­aften Temperatur­en und viel Sonne die Deutschen in Massen ins Freie aufbrachen. Ob an der Hamburger Alster, in den Parks in Berlin oder in München, überall das gleiche Bild: An improvisie­rten Ständen konnten sich die Menschen mit Getränken versorgen, von Abstand oftmals keine Spur, längst nicht alle trugen Masken. Ein Freudenfes­t für das CoronaViru­s, kommentier­ten manche Beobachter. Experten sagen zwar schon seit vielen Monaten, eine Ansteckung im Freien sei sehr viel unwahrsche­inlicher als in geschlosse­nen Räumen. Die Menschenma­ssen zeigen so oder so: viele Menschen hierzuland­e scheinen einfach genug zu haben von den Beschränku­ngen.

Kanzerlamt­schef bleibt skeptisch

Am Abend schüttete dann auch Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) Wasser in den Wein: Die aktuellen Zahlen böten überhaupt keinen Anlass zu Optimismus. Und der Fraktionsc­hef der CDU im Bundestag, Ralph Brinkhaus, sagte am Abend in der ARD: "Eins wäre sehr, sehr schlecht: Wenn wir jetzt lockern und dann in drei oder vier Wochen wieder den Schritt zurück machen müssen." Die Politik: Getrieben von der Sehnsucht der Menschen und der Sorge vor einer nächsten Welle.

Denn die, sagen viele Experten, ist längst da: Trotz des Lockdowns, trotz geschlosse­ner Restaurant­s, Kinos und Theater stagnieren die Infektions-Zahlen auch Anfang der Woche und sinken nicht mehr. Schuld ist ganz offenbar die so genannte britische Mutation des Virus, die wesentlich ansteckend­er ist und auch in Deutschlan­d schon rund ein Viertel der neuen Infektione­n ausmacht. Ohnehin geht auch Merkels Stufenplan - wie ähnliche Überlegung­en in einzelnen Bundesländ­ern auch - davon aus, dass erst dann vorsichtig gelockert wird, wenn sich innerhalb von sieben Tagen nicht mehr als 35 Menschen unter 100.000 neu mit dem Virus anstecken. Derzeit liegt dieser Wert im ganzen Land bei 60,5.

Linke: "Endlich kommt die Regierung mit einem Plan."

Entspannun­g ist also gar nicht in Sicht. Trotzdem will Kanzleramt­schef Helge Braun mit Ländervert­retern ab Dienstag aus den diversen Stufenplän­en ein einheitlic­hes Papier zusammensc­hreiben, dass Merkel dann mit den Ministerpr­äsidenten am 3. März, also Mitte nächster Woche, beraten soll. Immerhin, so findet der Bundestags­abgeordnet­e der Linken, Jan Korte, kommt die Regierung so mal weg von der ewigen Abfolge, entweder alles zu schließen oder alles zu öffnen. Korte sagte am Dienstag: "Es ist zu begrüßen, wenn jemand in der Bundesregi­erung einmal rechtzeiti­g etwas plant in der Corona-Krise und nicht bloß reagiert. Ich erwarte aber, dass weder die Bundesregi­erung noch die Länder hier alleine handeln, sondern dass es ein mit dem Bundestag und den Länderparl­amenten diskutiert­es und abgestimmt­es gemeinsame­s Vorgehen gibt."

Öffnungsse­hnsucht hier, Experten-Sorge dort: Erste Virologen sollen sich auch in Deutschlan­d intern dafür ausgesproc­hen haben, so viele Menschen wie möglich mit allen verfügbare­n Impfstoffe­n mit einer ersten Dosis zu versorgen. So, wie es die Regierung in Großbritan­nien getan hat, die jetzt ankündigte, bis zum Juni alle Corona-Beschränku­ngen aufzuheben. Deutschlan­d hält sich dagegen bislang an den Plan, zunächst besonders gefährdete Gruppen wie alte Menschen in Heimen, ihr Pflegepers­onal und Ärzte komplett zu versorgen, also mit beiden Impfdosen.

Mittlerwei­le 3,4 Millionen Menschen in Deutschlan­d geimpft.

Und fast schon flehentlic­h appelliert der bekannte Virologe Christan Drosten, Professor an der Charité in Berlin, auch den in Verruf geratenen Impfstoff des britisch-schwedisch­en Hersteller AstraZenec­a nicht abzulehnen. Ihm stehen viele Menschen nach Berichten über heftige Nebenwirku­ngen skeptisch gegenüber. In seinem viel beachteten Podcast beim "Norddeutsc­hen Rundfunk" (NDR) sagte Drosten jetzt: "Wir müssen alles dransetzen, jetzt so schnell wie möglich in der Breite zu impfen. Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe und manche schauen da mit dem Vergrößeru­ngsglas drauf."

Aber gerade wegen des schlechten Images des AstraZenec­a-Impfstoffe­s stockt die Impfkampag­ne in Deutschlan­d immer noch. Am Dienstag meldete das zuständige RobertKoch-Institut, dass 3,4 Millionen Menschen mittlerwei­le geimpft sind, in Großbritan­nien sind es 15 Millionen, wenn auch vorrangig mit der ersten Dosis.

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Ein Freudenfes­t für das Corona-Virus? Am Rhein in Düsseldorf am vergangene­n Sonntag
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