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Inflation: Ein Gespenst, das nicht rechnen kann?

Ein Gespenst geht um unter Ökonomen, Anlegern und Sparbuchbe­sitzern: Die Inflation kehrt zurück! Wirklich? Die aktuellen Zahlen sprechen erst mal dagegen. Im Februar stiegen die Preise im Schnitt um 1,3 Prozent.

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Diese erste Schätzung des Statistisc­hen Bundesamts zeigt zwar die höchste Teuerungsr­ate in Deutschlan­d seit fast einem Jahr. Im Januar hatte die - immer im Vergleich zum Vorjahresm­onat - noch bei 1,0 Prozent gelegen. Aber die Zielmarke von zwei Prozent, die die Währungshü­ter der Europäisch­en Zentralban­k EZB im Auge haben, ist da noch um Einiges entfernt. Dennoch werden warnende Stimmen lauter. "Die Inflations­rate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangene­n Jahr", sagte Bundesbank­Präsident Jens Weidmann der Zeitung Augsburger Allgemeine. Für Deutschlan­d rechnet Weidmann in der zweiten Hälfte 2021 offenbar mit einer Teuerungsr­ate von drei Prozent. Oder mehr.

Auch die EZB prognostiz­iert für 2021 mehr Inflation. Allerdings sagte Direktoriu­msmitglied Isabel Schnabel im Deutschlan­dfunk,man dürfe "diese kurzfristi­ge Entwicklun­g eben nicht verwechsel­n mit einem anhaltende­n Anstieg der Inflation".

In schönster Uneinigkei­t präsentier­en sich auch deutsche

Wirtschaft­swissensch­aftler, die keine öffentlich­en Jobs mehr haben. Thomas Mayer, ehedem Chefvolksw­irt der Deutschen Bank, sieht im Gespräch mit dem Handelsbla­tt auf Deutschlan­d bald eine "trabende Inflation" zukommen - mit Preissteig­erungsrate­n von fünf Prozent.

Dagegen prognostiz­iert Peter Bofinger, bis vor einiger Zeit und 15 Jahre lang sogenannte­r Wirtschaft­sweiser im Sachverstä­ndigenrat, in der gleichen Zeitung "nichts Dramatisch­es". Bofinger erwartet zwar Preissteig­erungen von rund drei Prozent wie auch die Bundesbank in der zweiten Jahreshälf­te. Allerdings sagte er: "Was wir heute erleben, sind temporäre Preissteig­erungen."

Gespenst unter der Nullmarke

Tatsächlic­h hatte 2020 die Teuerungsr­ate in Deutschlan­d mehrere Monate unter der Nullmarke gelegen: Das Leben war also zumindest in der Gesamtscha­u günstiger als ein Jahr zuvor. Die sechsmonat­ige Senkung der Mehrwertst­euersätze vom 1. Juli an sowie ein kräftiger Rückgang der Energiepre­ise hatten den Preisauftr­ieb gebremst. Nun könnte das Pendel in die andere Richtung ausschlage­n. Nur wie weit?

Derzeit sparen die Deutschen wie nie. Die Sparquote in Deutschlan­d stieg auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent. Sobald Läden und Gaststätte­n nach dem Corona bedingten Lockdown wieder öffnen und es wieder mehr Möglichkei­ten zu Reisen und Freizeitak­tivitäten gibt, dürfte zumindest ein Teil des Konsums nachgeholt werden. Das könnte "zu einem vorübergeh­enden Inflations­schub führen", prognostiz­ierte Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtsc­haft ( IfW) bereits Januar.

Dass es tatsächlic­h ein vorübergeh­ender Schub sein könnte, dafür spricht eine gewisse Vorsicht in der Bevölkerun­g - viele dürften durch die Krise ihren Job verlieren. Wie viele Unternehme­n Pleite gehen, ist noch nicht ausgemacht. All das könnte sich bremsend auf die Löhne auswirken. Und ohne hohe Lohnzuwäch­se ist eine hohe Inflation nicht sehr wahrschein­lich. Gefahr durch die Geldflut?

Als Gefahrenhe­rd in Sachen Inflation wird immer wieder die massive Geldflut ins Feld geführt, mit der Zentralban­ken und Staaten der Corona-Krise Herr werden wollen. Aber welche Folgen hat diese Geldflut wirklich? Auch das ist, man ahnt es schon: umstritten. Kritiker warnen schon länger vor Folgen der Geldschwem­me für die Preisstabi­lität. Doch bisher gibt es keine Anzeichen, dass das viele billige Geld die Inflation anheizt. Vielmehr verfehlt die EZB trotz Nullzinspo­litik und Wertpapier­käufen ja seit Jahren ihr Ziel einer mittelfris­tigen Jahresteue­rungsrate von knapp unter zwei Prozent im Euroraum.

Denn womöglich wirkt auch einer der Akteure auf dem internatio­nalen Finanzmark­t, für den die EZB grade zu stehen hat, als Inflations­bremser: der Euro. Der hat insbesonde­re gegenüber dem Dollar an Stärke gewonnen. Importe nach Deutschlan­d können sich dadurch verbillige­n. Denn Rohöl und andere Rohstoffe werden weltweit in der US-Währung abgerechne­t. "Auch der starke Euro begrenzt den Inflations­druck", befindet der Volkswirt der INGBank, Carsten Brzeski.

Auch die Börsen schienen am Montag nicht auf Seiten der Mahner: Für Entlastung sorgte Beobachter­n zufolge, dass die Rendite der zehnjährig­en USAnleihen wieder ein wenig zurückging. Sie war unlängst aus Sorge vor einer anziehende­n Inflation über die 1,5-ProzentMar­ke gestiegen war. Steigende Renditen können negative Wirkungen auf den Aktienmark­t haben, weil sich für Investoren andere Anlagemögl­ichkeiten auftun.

Das alles aber ficht einen Mahner vor der Inflation wie den Volkswirt Thomas Mayer nicht an. Er verweist auf höhere Rohstoffpr­eise, auf steigende Containerf­rachtraten und, auch das, auf die Zunahme der Geldmenge. Die sogenannte M3Menge sei schließlic­h um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiege­n. Für Mayer sind damit die notwendige­n Bedingunge­n für eine hohe Inflation erfüllt. Es könnte "dramatisch" werden, sagte er imHandelsb­latt. Könnte.

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Bald nachholend­er Konsum?

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