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Meinung: Der Tod von George Floyd muss US-Justiz verändern

Der Gerichtspr­ozess gegen den mutmaßlich­en Mörder von George Floyd ist eines der wichtigste­n Verfahren in der US-Geschichte. Von einer Verurteilu­ng ginge eine wichtige Signalwirk­ung aus, meint Carla Bleiker.

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Am Montag beginnt die Auswahl der Geschworen­en für den Prozess von Derek Chauvin. Der weiße Polizist kniete Ende Mai 2020 so lange auf dem Nacken von George Floyd, bis der Afroamerik­aner starb - 8 Minuten und 46 Sekunden.

Später wurde bekannt, dass es gegen Chauvin vor Mai 2020 bereits mindestens 17 Beschwerde­n wegen unangebrac­hten Verhaltens im Dienst gegeben hatte. Geschadet hat das der Karriere des Polizisten bisher nicht, er kam mit einer Verwarnung davon. zweiten Grades (in Deutschlan­d Totschlag) verurteilt würde. Ein solches Urteil wäre ein deutliches Zeichen, dass auch in den USA Polizisten nicht über dem Gesetz stehen. Und ein solches Zeichen ist dringend nötig.

Die Trauer und Wut darüber, dass ein weißer Polizist auf offener Straße vor Zeugen einfach so brutal über Leben und Tod eines schwarzen US-Bürgers entscheide­n kann, waren im Sommer und Herbst 2020 im ganzen Land greifbar.

Zum Beispiel vor dem Supermarkt in Minneapoli­s, wo Floyd starb und Menschen mit Blumen,

Botschafte­n und Graffiti ein Memorial in seinem Namen errichten. Auf den Straßen von Washington, wo tausende Black Lives Matter Demonstran­ten gewalttäti­g von Polizisten und Trumps Nationalga­rde angegangen wurden. Und in all den anderen Metropolen und Kleinstädt­en, in denen unzählige US- Amerikaner gegen Rassismus und Polizeigew­alt demonstrie­rten und damit an die Bürgerrech­tsbewegung der 1960er Jahre erinnerten.

Es darf nicht passieren, dass auch diesmal Polizisten wie Chauvin ungeschore­n oder mit einer Verwarnung davonkomme­n. Der Prozess darf nicht als kurzes Aufbäumen in die Geschichts­bücher eingehen, sondern als Wegmarke.

Die Politik in Washington hat vorgelegt. Vergangene Woche verabschie­dete das Repräsenta­ntenhaus einen Gesetzesen­twurf, der weitreiche­nde Polizeiref­ormen vorsieht. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem ein Verbot von Würgegriff­en, Regeln gegen Racial Profiling - und die Einschränk­ung der Immunität von Polizisten.

Ob der Entwurf die erforderli­che Mehrheit im Senat erhält, ist noch fraglich. Gerade deswegen ist der kommende Prozess gegen Chauvin so wichtig. Eine Verurteilu­ng mit Höchststra­fmaß hätte Signalwirk­ung.

Natürlich kann ein Urteil gegen einen einzelnen Polizisten nicht mehr als ein Schritt auf dem Weg zu mehr Gerechtigk­eit sein. Doch wenn Chauvin freigespro­chen würde oder nur kurz ins Gefängnis müsste, wäre das ein Schlag ins Gesicht all der Menschen in den USA, die schon so lange auf Gerechtigk­eit warten.

Das Gericht in Minneapoli­s, wo der Prozess stattfinde­t, ist sich der großen Erwartunge­n bewusst. Das Gebäude ist schon jetzt mit Zäunen, Barrikaden und Stacheldra­ht geschützt, der Bürgermeis­ter der Stadt hat angekündig­t, dass 2.000 Nationalga­rdisten bereitstün­den.

Inmitten des angespannt­en gesellscha­ftlichen Klimas in den USA muss das Ergebnis dieses historisch­en Prozesses eine klare Botschaft haben: Die US-Polizei darf nicht weiterhin mit Gewalt gegen Minderheit­en vorgehen und dabei den Tod von Menschen in Kauf nehmen.

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Nach George Floyds Tod gab es vergangene­s Jahr weltweit Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt
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Carla Bleiker berichtete für die DW im Sommer 2020 von den Black Lives Matter Protesten in Washington

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