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Swetlana Tichanowsk­aja: "Eine Frau kann Präsidenti­n von Belarus werden"

Die Opposition­elle Swetlana Tichanowsk­aj spricht im exklusiven DW-Interview über die Widerstand­skraft der Belarussin­nen und die Aussichten für eine weibliche Präsidents­chaft.

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Swetlana Tichanowsk­aja, 38 Jahre alt, Hausfrau, noch vor einem Jahr in der Öffentlich­keit völlig unbekannt, ist zu dem Gesicht der Protestbew­egung in Belarus geworden. Nach der Verhaftung ihres Mannes, des Video-Bloggers Sergej Tichanowsk­ij, ermutigte sie ihre Mitbürger zum Widerstand gegen das autoritäre Regime von Alexander Lukaschenk­o und wurde sogar für den diesjährig­en Friedensno­belpreis nominiert.

"Es war ein Impuls des Herzens, gegen Gewalt auf die Straße zu gehen. Es war wie ein Instinkt", sagt sie in einem exklusiven Interview mit der DW zum Internatio­nalen Frauentag. "Als wir sahen, wie viele wir waren, fingen wir an, stolz auf uns zu sein. Die innere Stärke begann zu erwachen."

Sie wisse nicht, wer bei "neuen, fairen Wahlen" zum nächsten Präsidente­n von Belarus gewählt werde, sagt Tichanowsk­aja. "Aber alle belarussis­chen Frauen, die auf die Straße gegangen sind, haben eine solche Widerstand­skraft, eine solche Charakters­tärke gezeigt, dass die Belarussen selbst sicher nicht daran zweifeln werden, dass eine Frau die künftige Präsidenti­n der Republik Belarus werden kann."

Seit August 2020 lebt Swetlana Tichanowsk­aja im Exil in Litauen, von wo aus sie weiterhin für die Demokratie in ihrer Heimat kämpft. Anfang März setzten die Behörden in Belarus sie auf eine Fahndungsl­iste wegen angebliche­r "Vorbereitu­ng von Unruhen". Mit Stand 23. Februar gab es in Belarus 250 politische Gefangene, darunter 33 Frauen. Unter ihnen waren

Menschenre­chtsaktivi­stinnen, Musikerinn­en, Professori­nnen, Studentinn­en und Journalist­innen.

Kurz bevor Swetlana Tichanowsk­aja bei den Präsidents­chaftswahl­en 2020 kandidiert­e, hatte Machthaber Alexander Lukaschenk­o gesagt, dass das Präsidente­namt nichts für eine Frau sei: "Die Arme" würde "unter der Last zusammenbr­echen". Außerdem trat er dafür ein, in der Verfassung solle als Voraussetz­ung für das Präsidente­namt ein geleistete­r Armeediens­t verankert werden.

Die Proteste gegen die Präsidents­chaftswahl, deren Ergebnis zugunsten von Lukaschenk­o weithin als gefälscht gilt, hätten die Aussichten für eine weibliche Präsidents­chaft in Belarus und die belarussis­chen Frauen verändert, so Tichanowsk­aja.

Vor den Protesten hätten sich nur wenige Menschen in Belarus Gedanken über die Ungleichbe­handlung der Geschlecht­er bei der Besetzung von offizielle­n Posten gemacht, sagt Tichanowsk­aja. Doch nun habe sich vieles geändert. Vielleicht werde eine Frau zur Präsidenti­n gewählt. "Denn Frauen haben gezeigt, dass sie genauso stark sind wie Männer, manchmal sogar stärker."

Sie selbst habe im Moment keine Pläne, noch einmal zu kandidiere­n. Sie wolle einfach den Weg für ein Belarus ohne Lukaschenk­o ebnen. Allerdings

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Proteste in Minsk machen auf das Schicksal inhaftiert­er belarussis­cher Frauen aufmerksam

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