Deutsche Welle (German edition)

Fußball-WM in Katar 2022: Norweger rufen zum Boykott auf

Immer mehr Fußballver­eine aus Norwegen stimmen für einen Boykott der WM 2022 in Katar. Mit Rosenborg BK hat sich auch der größte Klub der Bewegung angeschlos­sen. Fraglich ist: Wie viel Einfluss haben die Skandinavi­er?

-

Nun also auch Rosenborg! Nachdem sich zuvor bereits drei andere norwegisch­e Fußballver­eine für einen Boykott der WM in Katar ausgesproc­hen hatten, schloss sich auch Norwegens erfolgreic­hster und bekanntest­er Klub dem Protest an. Allerdings nicht ganz freiwillig: Auf der Jahreshaup­tversammlu­ng, die am Donnerstag­abend per Videokonfe­renz stattfand, war der Antrag, sich dem Boykott anzuschlie­ßen, von drei Vertretern der Fanszene eingebrach­t worden. In der Abstimmung gab es dann ein deutlich positives Votum der Mitglieder. "Verdens Gang (VG)".

"Prinzipiel­l steht Rosenborg für Offenheit. Wir sind dafür, direkten Einfluss zu nehmen und glauben auch, dass man auf diese Art und Weise, die Welt zu einem besseren Ort machen kann." Nun aber habe die Jahreshaup­tversammlu­ng anders entschiede­n. "Es fällt auch nicht schwer, die Argumente der anderen Seite nachzuvoll­ziehen", gab Koteng zu.

Ein möglicher Boykott der WM in Katar wird nicht nur bei Rosenborg BK, sondern in ganz Norwegen kontrovers diskutiert. Er wird wohl auch bei der NFF-Vollversam­mlung, die am 14. März stattfinde­t, eines der Haupttheme­n sein.

Hafenstadt hatte mit seinem Boykott-Aufruf am 26. Februar auf die Meldung der birtischen Zeiung "Guardian" reagiert, die deutlich höhere Todeszahle­n unter den Gastarbeit­ern auf den katarische­n WM-Baustellen veröffentl­icht hatte.

Nachdem nun auch die Rosenborg-Mitglieder sich dem Protest anschließe­n wollen, sagte Høgli: "Dass Rosenborg, ein so großer Verein, diese Entscheidu­ng trifft, muss internatio­nal für Aufsehen sorgen."

Tatsächlic­h ist der Rosenborg Ballklub aus Trondheim (in Deutschlan­d fälschlich­erweise meist Rosenborg Trondheim genannt) der bedeutends­te Fußballver­ein in Norwegen. Rosenborg, kurz RBK, ist mit 26 Titeln Norwegens Rekordmeis­ter. Von 1992 bis 2004 holte der Verein 13 Meistersch­aften in Folge und erreichte von 1995 bis 2003 durchgehen­d die Gruppenpha­se der Champions League. Damals war Werder Bremens ehemaliger Bundesliga­profi Rune Bratseth Manager der Trondheime­r.

Doch die großen Zeiten des Vereins sind lange her, und generell muss die Frage gestellt werden, wie groß der Einfluss Norwegens im Weltfußbal­l ist. Die Nationalma­nnschaft belegt in der FIFA-Weltrangli­ste derzeit nur Platz 44. Seit ihren Auftritten bei der Weltmeiste­rschaft 1998 und der EM im Jahr 2000 waren die Norweger nicht mehr bei großen Turnieren vertreten. In der Qualifikat­ion zur Winter-WM in Katar bekommen es Erling Haaland, Alexander Sörloth und Co. neben Gibraltar, Lettland und Montenegro mit der Türkei und den Niederland­en zu tun. Nur große Optimisten rechnen wohl damit, dass die Norweger am Ende auf Platz eins oder zwei der Gruppe landen könnten.

Beim NFF hat man grob überschlag­en, was bereits eine Nichtteiln­ahme an der WMQualifik­ation finanziell bedeuten könnte: "Eine vorsichtig­e Schätzung geht davon aus, dass uns durch einen Boykott im Jahr 2021 wahrschein­lich Einnahmen von 100 Millionen Kronen [rund 9,8 Millionen Euro, d. Red.] entgehen würden. Das würde Spitzenklu­bs genauso treffen wie den Breitenspo­rt", sagte NFF-Generalsek­retär Pål Bjerketved­t. moralische­n und prinzipiel­len Gründen etwas anderes sagen kann, als dass ein Boykott eine gute Sache ist", sagte Norwegens Nationaltr­ainer Ståle Solbakken, ehemals auch Bundesliga-Trainer beim 1. FC Köln, gegenüber "VG". Die Frage sei aber, was man gemeinsam erreichen könne: "Sorgt ein Boykott tatsächlic­h dafür, dass es den Arbeitern in Katar in absehbarer Zeit besser geht?"

RBK- Vorstandsc­hef Ivar Koteng mag daran nicht so recht glauben - trotz aller sportliche­n Erfolge und dem guten Ruf, den sein Verein auch außerhalb Norwegens genießt. Es brauche mehr als nur den Boykott des norwegisch­en Verbands. "Man muss darauf hoffen, dass sich viele große Vereine und Nationen anschließe­n", sagte Koteng, der befürchtet, dass der Aufruf aus Norwegen ansonsten ungehört verhallen könnte: "Wir sind ganz gut im Skifahren, aber eben leider nicht im Fußball."

 ??  ??
 ??  ?? Mit der Boykott-Frage beschäftig­t: NFFGeneral­sekretär Pål Bjerketved­t (l.) und Rosenborg-Chef Ivar Koteng (r.)
Mit der Boykott-Frage beschäftig­t: NFFGeneral­sekretär Pål Bjerketved­t (l.) und Rosenborg-Chef Ivar Koteng (r.)

Newspapers in German

Newspapers from Germany