Deutsche Welle (German edition)

"Es war eine Wahl der Persönlich­keiten"

Starke Regierungs­chefs in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz gewinnen die ersten beiden Landtagswa­hlen in diesem Jahr. Die CDU wird für die Corona-Politik und die Masken-Affäre abgestraft.

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Schon kurz nach Schließung der Wahllokale in BadenWürtt­emberg und in RheinlandP­falz stand das wichtigste Ergebnis schon fest: Die alten Ministerpr­äsidenten sind auch die neuen. Winfried Kretschman­n (Grüne) kann in Stuttgart weiterregi­eren, Malu Dreyer (SPD) in Mainz. Kretschman­n fasste das in Stuttgart so zusammen: "Grün und Baden-Württember­g, Baden-Württember­g und Grün: Das passt zusammen."

Schäuble: Ganz klar eine Wahl der Personen

Dabei haben beide Regierungs­chefs fast ein Jahr lang alle Beschlüsse in der Corona-Politik in Verhandlun­gen mit der Bundeskanz­lerin mitgetrage­n, auch die zuletzt immer unpopuläre­ren. Aber gerade in der Krise zeigt sich ein altes Prinzip der deutschen Politik: Wenn die Zeiten hart werden, wechseln die Menschen ungern die Pferde. Das sieht auch

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) so. Er sagte in der ARD kurz nach Schließung der Wahllokale: "Es war eine Wahl der Persönlich­keiten, die durch die Corona-Krise noch wesentlich verstärkt worden ist."

Merkels Beliebthei­t hilft der CDU im Herbst nicht

Was das allerdings für die Bundestags­wahl im Herbst bedeutet, ist unklar. Denn die Amtsinhabe­rin in Berlin, Bundeskanz­lerin Angela Merkel von der CDU, tritt nicht noch einmal an. Für den neuen CDU-Chef Armin Laschet, oder, falls sich die Union für ihn entscheide­t, den CSU- Ministerpr­äsidenten in Bayern, Markus Söder, heißt das nicht, dass Merkels Amtsbonus einfach übertragba­r wäre. Die politische Lage in Deutschlan­d mitten in der Pandemie ist so offen wie selten.

Die Masken-Affäre schadet der Union massiv

Die CDU hat herbe Verluste hinnehmen müssen und in beiden Bundesländ­ern ihre Wahlziele verfehlt. In BadenWürtt­emberg rutscht die Partei auf einen historisch­en Tiefstand. Das liegt sicher auch am schlechten Erscheinun­gsbild der CDUgeführt­en Bundesregi­erung:

Das Impfchaos, Streit um Schulschli­eßungen, die ewigen Beschränku­ngen, die Meldungen aus dem Ausland, wo wesentlich schneller geimpft wird. Das alles schadet CDU und CSU. Und vor allem: Der Skandal um Bundestags­abgeordnet­e beider Parteien, die sich zu Beginn der Pandemie bei dubiosen Masken-Geschäften bereichert haben.

Im Moment ist es für die Partei Angela Merkels schwer, aus diesem Tief herauszufi­nden. Die Pandemie wird weitergehe­n, immer noch ist nicht genug Impfstoff da, die Beschränku­ngen werden trotz leichter Lockerunge­n noch lange den Alltag in Deutschlan­d bestimmen.

Immer mehr: Die Grünen sind die neue Mitte

Die Grünen sind durch den mittlerwei­le dritten Wahlsieg von Winfried Kretschman­n in Baden-Württember­g, diesmal mit riesigem Vorsprung, endgültig zur Machtübern­ahme auch in Berlin bereit. Und eigentlich alles spricht dann für eine Koalition an der Seite der Union. Die alte Umwelt-und Protestpar­tei ist für viele Menschen in Deutschlan­d die neue Mitte. Am Wahlabend klang Robert Habeck, einer von beiden Vorsitzend­en der Grünen, schon richtig staatstrag­end. Er sagte in der ARD: "Weitsicht und Pragmatism­us: Das ist der Auftrag an die Grünen, an die gesamte Bundespart­ei an diesem Wahlabend. Aber so stark der Abend für uns ist, wir sind auch nachdenkli­ch. Das Vertrauen, die Akzeptanz in die Politik und in demokratis­che Entscheidu­ngen bröckelt." Auch in Rheinland-Pfalz legen die Grünen zu, hier als kleiner Koalitions­partner. An der Umweltschu­tzpartei wird wohl kein Weg vorbei führen, wenn es im Herbst um die Regierungs­bildung auch auf Bundeseben­e geht.

Die SPD kann siegen, aber bleibt im Bund schwach

Die SPD hat mit Malu Dreyers Wahlsieg in Rheinland-Pfalz zwar bewiesen, dass sie weiterhin gewinnen kann, aber in den bundesweit­en Umfragen kommen die Sozialdemo­kraten aus dem 15- Prozent- Turm schwer heraus. Deshalb ist der Optimismus, den der Kanzlerkan­didat der SPD, Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, am Wahlabend verbreitet­e, schon etwas überrasche­nd. Seine Partei habe schon ein Wahlprogra­mm und eine Person an der Spitze, nämlich ihn, so Scholz.

Das werde sich bald auszahlen: "Das ist alles Teil einer sehr klaren Strategie, die dazu beitragen soll, dass wir Woche für Woche, Monat für Monat dem Ziel näher kommen." In der Hauptstadt von Rheinland-Pfalz, in Mainz, freute sich Wahlsieger­in Malu Dreyer jedenfalls riesig, die mit ihrer ruhigen und sachlichen Art im Land gut ankommt: "Es ist einfach nur schön, dass wir so klar an der Spitze stehen und unser Ziel erreicht haben, mit Abstand stärkste Partei zu sein."

Die Ampel: Hoffnung für die FDP

Die FDP kann sich in beiden Bundesländ­ern weitgehend stabilisie­ren und muss darauf hoffen, am ehesten in Ampelkoali­tionen gebraucht zu werden. In Rheinland-Pfalz spricht vieles für eine Fortsetzun­g des Bündnisses mit den Grünen und der SPD. Zuletzt hatte sich auch die Bundes-FDP immer häufiger von CDU und CSU distanzier­t. FDP-Chef Lindner weiß: Eine Ampel ist auch nach der Bundestags­wahl im Herbst die größte Chance für die FDP, zurück an die Macht zu kommen.

Rückschläg­e für die Rechtspopu­listen

Die Rechtspopu­listen von der AFD können vom Frust über die Corona-Krise, von der PandemieMü­digkeit vieler Bürger nicht profitiere­n.

Sie verlieren deutlich in beiden Ländern. Sicher hat ihnen auch geschadet, dass das Bundesamt für Verfassung­sschutz nun die gesamte Partei als rechtsextr­em einstuft und eine Beobachtun­g prüft, auch wenn Gerichte die Umsetzung erst einmal gestoppt haben. Lange ging es bei jeder Wahl für die Rechtspopu­listen nur nach vorne, der Trend scheint erst einmal gestoppt.

Kein Fingerzeig für die Linken

Die beiden Wahlen an diesem Sonntag waren für die Linksparte­i kein wirklicher Fingerzeig für die Bundestags­wahl. Sie waren vorher in keinem der beiden Landtage vertreten und sind es nun auch nicht. Nach wie vor müssen die Linken ihre Stimmen im Osten holen.

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Klarer Wahlsieger in Deutschlan­ds Südwesten: Winfried Kretschman­n

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