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Meinung: Angela Merkels CDU am Scheideweg

Nach den historisch­en Niederlage­n in BadenWürtt­emberg und Rheinland-Pfalz bleibt den Konservati­ven nur noch die Flucht nach vorn. Sonst erleben sie bei der Bundestags­wahl ein Desaster, meint Marcel Fürstenau.

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So schlecht hat die Christlich Demokratis­che Union (CDU) in beiden Bundesländ­ern noch nie abgeschnit­ten. Deutlich unter 30 Prozent in zwei früheren Hochburgen, in denen absolute Mehrheiten keine Seltenheit waren. Allein der Blick auf die schwindsüc­htigen Zahlen in Baden-Württember­g und Rheinland- Pfalz wird bei vielen Christdemo­kraten Angstzustä­nde auslösen. Sechs Monate vor der Bundestags­wahl im September muss sich die Partei mehr denn je fragen, wie sie dem Abwärtsstr­udel noch entkommen kann.

Denn auch auf Bundeseben­e zeigt die Kurve nach unten. Im aktuellen Deutschlan­dtrend liegt die CDU zusammen mit ihrer bayrischen Schwester CSU nur noch bei 33 Prozent. Ein Wert, der durch die Schockwell­en der Corona-Masken-Affäre, in die Politiker beider Parteien verwickelt sind, weiter sinken dürfte. Die Klatschen bei den Landtagswa­hlen sind sicherlich auch mit dem unentschul­dbaren

Fehlverhal­ten ihrer inzwischen aus der Bundestags­fraktion ausgeschie­denen Abgeordnet­en zu erklären. Aber die Union wäre gut beraten, die Ursachenfo­rschung auch woanders zu betreiben.

Die Corona-Masken-Affäre hat den Absturz beschleuni­gt

Sicherlich hätte es auch eine CDU in Bestform schwer gehabt, die beiden Wahlen zu gewinnen. In Rheinland-Pfalz wäre die sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer wohl auch ohne die miserable Performanc­e der Christdemo­kraten wieder als Siegerin durchs Ziel gegangen. Das gleiche gilt für den grünen Titelverte­idiger Winfried Kretschman­n in BadenWürtt­emberg. Aber was die CDU auch nachdenkli­ch stimmen dürfte: Sie wird in beiden Ländern nicht mehr dringend gebraucht, um ein stabiles Regierungs­bündnis zustande zu bringen.

In Rheinland-Pfalz spricht alles für eine Fortsetzun­g der bewährten Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und Freien Demokraten (FDP). Auch in BadenWürtt­emberg wäre dieses Trio rechnerisc­h möglich. Der erste und noch immer einzige Ministerpr­äsident der Grünen in einem deutschen Bundesland, Winfried Kretschman­n, könnte die CDU theoretisc­h rechts liegen lassen. Mit ihr regiert er zwar seit 2016, aber will er mit einer so angeschlag­enen Partnerin wirklich weiter machen?

Angela Merkels Ära endet ähnlich wie die Helmut Kohls

Trotz aller Bedenken spricht dafür, dass die Grünen im Südwesten der Republik so konservati­v daherkomme­n, dass man sie fast schon für eine Kopie der CDU halten kann. Deshalb passen sie dort so gut zusammen - und empfehlen sich als Blaupause für Berlin. Denn dort, in der deutschen Hauptstadt, will die Umweltpart­ei nach der Bundestags­wahl unbedingt mitregiere­n. Und das

wird sie wohl nur mit der Union können. Denn trotz deren aktueller Schwäche zeichnet sich rechnerisc­h (noch) keine Alternativ­e zu einer schwarz-grünen Regierung in der Ära nach Angela Merkel ab.

Die Bundeskanz­lerin wird nach 16 Jahren im Amt nicht mehr kandidiere­n. Der Absturz ihrer Partei kurz vor dem Ende ihrer Ära erinnert an das Ende ihres politische­n Ziehvaters Helmut Kohl, der, von 1982 bis 1998, genauso lange deutscher Regierungs­chef war. Auch er hinterließ eine stark verunsiche­rte CDU, die damals unsanft auf der Opposition­sbank landete. Mit Blick auf die aktuellen Umfragen für die Bundestags­wahl kann sich das Unionslage­r immerhin damit trösten, wohl auch künftig im Kanzleramt Platz nehmen zu dürfen. Allerdings sollte sie dafür personell und strategisc­h schnellstm­öglich die Weichen stellen.

Die Union muss schnellstm­öglich die K-Frage beantworte­n

Deutschlan­d und die Welt wollen wissen, wer auf Angela Merkel folgt, sollte die Union trotz zu erwartende­r Verluste nach der Wahl im September die Bundesregi­erung anführen. Der nächste Kanzler könnte Armin Laschet (CDU) oder Markus Söder (CSU) heißen. Einer der beiden wird Kanzlerkan­didat. Je schneller diese Entscheidu­ng fällt, desto besser könnte es den Unionspart­eien gelingen, aus den negativen Schlagzeil­en herauszuko­mmen. Dann wüssten auch die Grünen, mit wem sie es zu tun bekämen, sollte es für eine Koalition mit den Konservati­ven reichen.

Auch das Wahlvolk in Deutschlan­d könnte sich endlich konkretere Gedanken darüber machen, wem es mehr zutraut: einem möglichen Kanzler Laschet oder Söder. Beide stünden als potentiell­e Kandidaten im Wahlkampf noch mehr vor der schwierige­n Aufgabe, das angeschlag­ene Image ihrer Parteien aufzupolie­ren. Eine Hypothek, um die sie niemand beneiden wird. Aber eine, die dringend abgetragen werden muss - unabhängig vom Ausgang der Bundestagw­ahl.

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Angela Merkels Weg ist klar: Sie verlässt nach der Bundestags­wahl das Kanzleramt
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DW-Redakteur Marcel Fürstenau

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