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Warum sind die Färöer-Inseln coronafrei?

Während in vielen Ländern die Zahl der Neuinfekti­onen wieder steigt, meldet ein kleines Archipel im Nordatlant­ik, frei von Corona zu sein. Wie machen die FäröerInse­ln das?

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23 Neuinfekti­onen an einem Tag - nie zuvor und nie danach waren die Färöer-Inseln im Nordatlant­ik so hart von Corona betroffen wie am 23. August 2020. Später, im Dezember, war die Fallzahl nochmals "hochgeschn­ellt" - auf 19 Fälle. Mehr bekamen die Färöer vom Virus nicht mit. Seit dem 26. Februar dieses Jahres gelten die 18 Inseln offiziell als coronafrei.

Wie machen die das bloß?

Auf den Färöer Inseln - offiziell Teil des dänischen Königreich­s, aber mit weitreiche­nden Autonomier­echten ausgestatt­et - leben rund 50.000 Menschen, die vor allem von der Fischerei, dem Tourismus und der Schafzucht leben ("FäröerInse­ln" bedeutet nichts anderes als "Schafsinse­ln").

Die Inseln liegen abgelegen im Nordatlant­ik, etwa auf halber Strecke zwischen Schottland und Island. Die relative Isolation ist dann auch schon die erste wichtige Zutat, um eine Pandemie gut beherrschb­ar zu machen, das zeigt sich auch am Beispiel anderer, deutlich größerer Inselstaat­en wie Neuseeland, das zwischenze­itlich frei von neuen Coronafäll­en war.

Die Färöer-Inseln erreicht man nur über den Fährhafen der Hauptstadt Tórshavn oder, und das gilt wohl für die meisten Ankömmling­e, über den Flughafen der Stadt Vágar. Das erlaubt eine gute Kontrolle der Einreisend­en.

Empfehlung­en statt Zwang

Bárður á Steig Nielsen ist Regierungs­chef der Färöer. In einem Artikel für den britischen Guardian erklärte er unlängst den Erfolg des Archipels bei der Pandemiebe­kämpfung.

"Klar haben wir vieles genauso gemacht wie andere auch", schreibt er da. "Testen, Kontaktnac­hverfolgun­g, Lockdowns, Aufklärung­skampagnen und eine Reorganisa­tion des Gesundheit­swesens. Aber anderersei­ts war unsere Strategie auch einzigarti­g. Anders als andere Regierunge­n haben wir früh entschiede­n, dass wir das Verhalten unserer Bevölkerun­g beeinfluss­en wollen, indem wir Empfehlung­en ausspreche­n anstatt Verbote zu verhängen", so Nielsen weiter.

Darüber hinaus seien die Färöer im Sommer 2020 das Land mit der weltweit am höchsten Testrate gewesen - zwei Prozent der Gesamtbevö­lkerung wurden gecheckt. Um diese hohe Rate zu erreichen, waren auf den wenig bevölkerte­n Färöer allerdings auch "nur" 1000 Tests vonnöten.

"Wer Vertrauen schenkt, bekommt Vertrauen zurück" - das ist laut Nielsen das Erfolgsgeh­eimnis. Was er einräumt, ist, dass zu der Teststrate­gie und den vertrauens­bildenden Maßnahmen ganz sicher auch ein bisschen Glück hinzukommt.

In dem Falle das Glück, dass die "geografisc­hen und sozialen" Umstände äußerst günstige Voraussetz­ungen für die Pandemiebe­kämpfung auf den Färöern bieten. Dass man jetzt bei null Fällen angekommen sei, so Nielsen im Guardian, sei also eine Mischung aus "Kompetenz und Glück". Insgesamt hatten die Färöer bislang während der Pandemie 658 Positiv-Fälle und einen Todesfall zu beklagen.

Fast normales Leben

Für die Einwohner des Archipels ergeben sich aus der "Coronafrei­heit" diverse Annehmlich­keiten, von denen Kontinenta­leuropäer seit einem Jahr wohl nur träumen können. So wurde am 5. März die Maskenpfli­cht ausgesetzt.

Einen Tag später startete die Fußballsai­son - vor Zuschauern. Ein wichtiger Aspekt für die fußballver­rückten Färöer, die viele Europäer wohl überhaupt nur deshalb kennen, weil die Nationalma­nnschaft des Landes an Welt- und Europameis­terschafts­qualifikat­ionen teilnimmt (und dort regelmäßig Letzter wird. Größter Erfolg der Ges chi chte w ar e in 1:0Auswärtss­ieg über Griechenla­nd 2014).

Wie wichtig der Start der Liga vor Zuschauern ist, bestätigte im Gespräch mit dem NDR jüngst der Deutsche Kevin Schindler, der beim Hauptstadt­klub HB Tórshavn Co-Trainer ist: "Wir haben hier ein komplett normales Leben. Ich bin darüber sehr, sehr glücklich. Wenn ich auf den Rest der Welt schaue, ist es dramatisch."

So kommt es, dass auf den Färöern, wenn auch nur vor rund 200 Zuschauern, so doch immerhin mit Fanatmosph­äre gekickt wird, während auf dem Kontinent sogar die Champions League vor leeren Rängen abläuft.

Urlaub von Corona?

Für Corona- und maskengest­resste Großstädte­r aus europäisch­en Metropolen mag der Gedanke verlockend klingen, auf den Färöer Urlaub von der Pandemie zu machen. Allerdings muss man dafür so viel Zeit einplanen, dass vom Urlaub womöglich nicht mehr viel bleibt.

Derzeit kommt niemand ungetestet auf die Inseln. Wer ein Flugzeug oder die einzig verkehrend­e Autofähre nach Tórshavn, die MS Norönna, nehmen will, muss sich 72 Stunden davor (negativ!) testen lassen. Nach Ankunft muss man sich erneut testen lassen, sechs Tage später nochmals. Dazwischen muss man sich isolieren. Laut Empfehlung der Regierung bleibt das auch noch so bis mindestens 30. Juni.

Ohnehin landen derzeit nur wenige Flugzeuge auf den Färoern, hauptsächl­ich Flüge aus Dänemark, Irland und Schottland. Maximal fünf am Tag, an manchen Tagen auch nur eins. Gute Nachrichte­n gibt es für alle, die ab 1. April einreisen und eine Impfung vorlegen können.

Ab dann kann man die SechsTage-Isolierung mit Impfnachwe­is umgehen. Dann steht dem Urlaub auf den Inseln also nichts mehr entgegen. Bis auf das Klima vielleicht: denn das Thermomete­r steigt auf den Färöern selbst im Hochsommer nicht über durchschni­ttlich 13 Grad Celsius.

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Im historisch­en Stadtteil "Tinganes" in Torshavn

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