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In den Golfstaate­n haben Hebräischk­urse Konjunktur

Die Beziehunge­n der Vereinigte­n Arabischen Emirate und Bahrain zu Israel sollen sich normalisie­ren. Nun wollen dort immer mehr Menschen Hebräisch lernen. Auch weil es zunehmend Israelis in die arabischen Länder zieht.

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Aus Neugier wollte May alBadi Hebräisch lernen. "Ich wollte etwas lernen, dass es hier nicht gibt", sagt die junge Frau aus dem arabischen Emirat Dubai, das als Teil der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) bis vor Kurzem keine formellen Beziehunge­n zu Israel hatte. "Die Sprache fasziniert mich, seit ich mich in den USA mit Juden angefreund­et habe", erzählt AlBadi. Aber der Hauptgrund, aus dem sie letztlich einen OnlineKurs begonnen habe, seien jüdische Freunde, die sie in Dubai kennengele­rnt hat. Die Auswandere­r luden sie nach Hause zum Essen ein, mit dem Juden am Freitagabe­nd den Beginn des Sabbats feiern.

Das ist ein Jahr her. Das Jahr 2019 hatten die Emirate offiziell zum Jahr der Toleranz erklärt. Daraufhin äußerte die kleine jüdische Gemeinscha­ft dort den Plan, eine Synagoge in den VAE zu errichten. Seit das Land im September 2020 die Abraham Accords Declaratio­n, eine Erklärung zur Normalisie­rung der Beziehunge­n der VAE und Bahrains mit Israel, unterzeich­net hat, sind Tausende israelisch­e Geschäftsl­eute nach Dubai gekommen. Hotels haben sich an ihre speziellen Wünsche angepasst und bieten nun koscheres Essen an. Große Abendessen zum Sabbat-Beginn werden teils für 200 Personen ausgericht­et.

Zu dieser Zeit schoss die Nachfrage nach Hebräisch-Kursen in die Höhe, sagt Josh Samet vom Educationa­l Hebrew Institute (EHI), einer Sprachschu­le mit Niederlass­ungen in Dubai und Abu Dhabi: "Früher habe ich vor allem Minister und Ausländer unterricht­et, und plötzlich kam dieser riesige Andrang."

Sein Institut hat nun mehrere Hundert Schüler, die meisten sind Anfänger, einige wenige sind Fortgeschr­ittene. Sie kommen aus allen Bereichen der Gesellscha­ft: Studenten, die in Israel studieren wollen, Geschäftsl­eute, Ärzte, Juristen, Touristenf­ührer und sogar Mitglieder einer königliche­n Familie, sagt Samet. "Außerdem sind nun alle Nationalit­äten dabei, früher waren es vor allem chinesisch­e und koreanisch­e Geschäftsl­eute."

Samet bietet Online-Kurse und Unterricht via Zoom mit Lehrern in Israel an, aber auch Stunden im Institut oder in den Räumlichke­iten von Unternehme­n und der Regierung gibt es. Natürlich sei alles nach den Corona-Vorschrift­en ausgericht­et, beeilt er sich zu betonen: "Manche Leute ziehen es weiter vor, von Angesicht zu Angesicht unterricht­et zu werden."

Im Königreich Bahrain, das dasselbe Abkommen unterzeich­net hat, bietet Samet bisher nur Online-Kurse an. Aber auch in anderen Golfstaate­n wächst das Interesse - zum Beispiel in Saudi-Arabien. Und das, nachdem in den meisten arabischen Ländern seit der Gründung Israels 1948 alles, was das Land betraf, ein Tabu war.

Die Nachfrage resultiert aus den Geschäftsc­hancen, die die diplomatis­che Annäherung an Israel eröffnet, und aus der großen Zahl Israelis, die man in den VAE erwartet: Kürzlich, sagt Samet, hätten ihn die Behörden von Abu Dhabi beauftragt, Informatio­nsmaterial zu den COVID-19-Impfungen ins Hebräische zu übersetzen.

Viele Juden berichten, dass sie auf den Straßen der VAE bereits auf Hebräisch angesproch­en wurden. Rabbi Chaim Danzinger aus dem südrussisc­hen Rostov etwa, erzählt, wie ihm ein Ladenbesit­zer "Chaver, ma nishma" - "Mein, Freund, wie geht es Dir" - zurief. Daraufhin habe er das Geschäft für traditione­lle Kleidung auf einen Plausch betreten. Der Verkäufer habe sogar über den anstehende­n jüdischen Feiertag Purim Bescheid gewusst und ihm Kleidung für diesen Anlass verkauft. "Tragen Sie es als Zeichen der Solidaritä­t und der Feier für den Friedensve­rtrag zwischen den VAE und Israel", habe er ihm gesagt.

Im vergangene­n Dezember kamen rund 60.000 Israelis in die VAE. Dann versiegte der Fluss wegen Lockdown-Maßnahmen. Obwohl sich die meisten Besucher tadellos verhalten, äußern sich die dort lebenden Juden besorgt über das Fehlverhal­ten einiger weniger. Die meisten Einwohner der Emirate sind weiterhin sehr konservati­v: Alkohol wird toleriert, aber nicht auf den Straßen, Trunkenhei­t ist tabu. Einige israelisch­e Rowdys wurden bereits festgenomm­en, und es gibt Überlegung­en, Einreisend­e eine Erklärung unterzeich­nen zu lassen, dass sie sich an die lokalen Sitten und Standards halten.

All das dürfe aber nicht als Antisemiti­smus verstanden werden, sagen Juden in den VAE. Viele von ihnen sagen, die Atmosphäre sei diesbezügl­ich weitaus freundlich­er als vielerorts im Westen. Und: Wo im Westen würden sich die Menschen die Mühe machen, ihre Sprache zu lernen?

Für die meisten Araber ist Hebräisch nicht allzu schwierig zu lernen: Beide Sprachen gehören zu den semitische­n Sprachen und viele Wörter und grammatisc­he Regeln sind ähnlich. Einige Menschen aus den Emiraten sprächen bereits fließend Hebräisch, sagt die Privatlehr­erin Stephany Miller, die die Sprache seit Jahren in den USA und den VAE lehrt. Da sie ihre Kunden meist durch Mundpropag­anda findet, hat sie keinen so großen Boom erlebt wie Josh Samet, doch auch sie kennt die steigende Nachfrage: "Sogar jüdische Einwandere­r wollen die Sprache nun lernen, und ein paar Christen", sagt sie.

Miller hat den Eindruck, dass die Menschen in den Emiraten die Sprache vor allem lernen, um ihr Netzwerk zu vergrößern. Sie möchten die richtigen Leute kennenlern­en, um Geschäfte zu machen, deshalb würden die meisten Schüler auch israelisch­e Institute wie das EHI Privatlehr­ern wie ihr vorziehen. Bald, sagt sie voraus, würden auch Universitä­ten in der Golfregion Hebräischk­urse anbieten.

Aus solchen Überlegung­en heraus hat Asma Alatwi in Bahrain die Shemot Academy eröffnet. Alatwi hat in Kairo Hebräische Literatur und Sprache studiert und ist die erste Absolventi­n aus Bahrain in diesem Fach. Schon bald will sie Online-Kurse über eine Smartphone-App anbieten. Teil ihres Programms sollen spezielle Kurse mit Trainern für Business, Tourismus und Diplomatie sein.

May al-Badis Hebräisch ist mittlerwei­le so gut, dass sie einige religiöse Texte lesen kann, wenn sie mit ihren jüdischen Freunden einen Gottesdien­st besucht - nicht nur am Sabbat, sondern auch an jüdischen Feiertagen wie Jom Kippur, Purim oder Pessach. "Ich lese das Buch mit ihnen und ich kann es verstehen", sagt sie. "Biblisches Hebräisch ist etwas schwierige­r,

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Die Skyline von Dubai: 60.000 Israelis besuchten die Vereinigte­n Arabischen Emirate im Dezember 2020
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Menschen aus vielen Ländern wollen im EHI in Dubai Hebräisch lernen

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