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"Hey, Taxi" - der Ruf, den es seit Corona kaum mehr gibt

Auch die Taxifahrer gehören zu den großen Verlierern der Corona-Krise. Ihre Einnahmen stürzten ins Bodenlose, viele Fahrer haben mittlerwei­le aufgegeben.

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Vor ziemlich genau einem Jahr ahnt Martin Gauchel, dass sein Traumjob Taxifahrer wohl nie mehr so sein wird wie zuvor. Das Busreiseun­ternehmen, mit dem der Bonner zusammenar­beitet und dessen Fahrgäste er bis zum Treffpunkt kutschiert, storniert auf einen Schlag 30 Aufträge. "Wir machen bis zum Sommer nichts mehr", sagen sie ihm. Und das ist nur der Anfang.

Gauchel schaut im Frühjahr 2020 in seinen Terminkale­nder für die nächsten Wochen. Gähnende Leere. "Das war so eine Aha-Erlebnis", sagt der 56Jährige.

Es sollte in den nächsten Monaten nicht viel besser werden. Martin Gauchel fährt heute nur noch halbtags, hat vier bis fünf Fahrten pro Tag. In der Branche gehört er noch zu denjenigen, die mit einem blauen Auge durch die Krise gefahren sind. Ihm bleiben seine älteren Stammkunde­n, die er nach Terminverg­abe zum Arzt, zur Ergotherap­ie oder den Massagen bringt.

Gauchel ist einer von 327 TaxiKonzes­sionären in Bonn. Vor 30 Jahren hat er als Student angefangen und sofort Blut geleckt. Martin Gauchel blieb hängen, weil er immer mit Menschen arbeiten und sein eigener Herr sein wollte. "Für mich war es nie das Wichtigste, viel Geld zu verdienen, mit dem Taxifahren wird man nicht reich. Mich hat die Selbststän­digkeit gereizt."

Weil in Deutschlan­d alles zu ist, fährt kaum noch jemand Taxi

Als die Corona- Krise vor einem Jahr auch über die Taxifahrer hereinbric­ht, muss er deswegen nicht lange überlegen, was zu tun ist. Weil seine Stammkunde­n vor allem ältere, durch das Virus besonders gefährdete Menschen sind, steuert Gauchel, der auch im Vorstand der Bonner TaxiVerein­igung ist, sofort einen Plexiglass­chneider an. "Der hat uns dann für alle Taxen die Scheiben passgenau zugeschnit­ten. Mitte April waren alle Taxen fertig."

Nur: An der Auftragsla­ge hat das nicht viel geändert. Die Taxifahrer haben zwar den Vorteil, weiterhin fahren zu können, aber weil Restaurant­s, Kneipen und Hotels geschlosse­n sind, gibt es schlichtwe­g kaum noch Kunden.

In Bonn kommt noch erschweren­d hinzu, dass der Flughafent­ransfer als lukrative Einnahmequ­elle fast vollständi­g weggebroch­en ist. "Weg sind auch die Trinkgelde­r, die immer einen signifikan­ten Teil des monatliche­n Einkommens ausmachen", sagt Gauchel.

Für viele Taxifahrer geht es durch die Corona-Krise ans Eingemacht­e

2000 Euro Soforthilf­e im vergangene­n Jahr ist das einzige, was er als Ausgleichs­zahlung vom Staat bekommen hat. Gauchel hat von vielen Studenten gehört, die als erste gekündigt wurden. Und von Kollegen, die hingeschmi­ssen haben. "Die räumen jetzt Regale ein, weil sie irgendwie ihre Familie ernähren müssen. Und andere haben ihre Altersvors­orge angegriffe­n, um über die Runden zu kommen."

Martin Gauchel hatte schon vor der Krise etwas zurückgele­gt, er wird nicht aufhören. Auch wenn er weiß, dass das Taxifahren nie mehr wird, wie es einmal war. Aber es sind diese kleinen Erlebnisse, die ihm Mut geben, weiterzuma­chen. "Ich habe neulich eine ältere Dame zum Tierarzt gefahren, die ihre geliebte Katze einschläfe­rn musste. Und nächste Woche fahren wir ins Tierheim und holen eine neue", sagt der Taxifahrer mit einem Lachen.

12.000 Taxiuntern­ehmen Ende des Jahres vielleicht nicht mehr da

Wer mit Michael Oppermann spricht, hört von vielen ähnlichen Schicksale­n in der Taxibranch­e. Er ist Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes Taxi und Mietwagen e. V. und damit Sprecher einer Branche, bei der es wegen der Corona-Krise um nichts anderes geht als die nackte Existenz.

"Nicht einmal die Ölkrise in den 1980er Jahren hatte so dramatisch­en Konsequenz­en", sagt er, "die Umsätze sind im Lockdown um 80 Prozent zurückgega­ngen. Von den 36.000 Taxi-Unternehme­n wird ein Drittel das Ende des Jahres nicht überleben."

Oppermann kann von Unternehme­n mit mehreren Wagen erzählen, die schon jetzt den Betrieb ganz eingestell­t haben. Von Fahrern, die eine komplette Acht- Stunden- Schicht stehen und keinen einzigen Auftrag bekommen – und deshalb aus lauter Verzweiflu­ng sogar 14 Stunden arbeiten. Und von dem wachsenden Frust unter den Beschäftig­ten, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen.

Taxifahrer vermissen Unterstütz­ung durch die Politik

"Die Hilfsprogr­amme der Regierung passten nicht so richtig zu den Taxiuntern­ehmern, wir saßen zwischen allen Stühlen", sagt Oppermann, "und während die Taxifahrer quasi leer ausgehen und sich die Reifen auf den Plätzen und Straßen platt stehen, sehen sie gleichzeit­ig, dass die Lufthansa Milliarden Euro Unterstütz­ung bekommt."

Die größten Verlierer in der Corona-Krise seien vor allem die Taxi-Unternehme­n in den Großstädte­n, berichtet Oppermann. Großverans­taltungen, Tourismus, Flughafent­ransfer – alles weg. Die Solo-Selbständi­gen mit eigenem Fahrzeug versuchten sich irgendwie durchzuwur­schteln. "Aber auch auf dem Land haben viele ältere Unternehme­r ihren Job an den Nagel gehängt, weil sie sagen: 'Das tue ich mir nicht mehr an!'"

Föderalism­us bremst aus

Kleiner Hoffnungss­chimmer sind jetzt die "Impffahrte­n", der Transport von Impfberech­tigten zu den Impfzentre­n. Dort steigt allerdings der deutsche Föderalism­us mit in den Wagen. "Da haben wir landesweit­e Lösungen wie in Hessen und dann aber auch Städte, wo unterschie­dliche Regeln gelten", sagt Michael Oppermann, "der eine bekommt seine 'Impffahrt' umsonst, der zweite bekommt keinen Rabatt, der dritte muss einen Selbstbeha­lt bezahlen. Und diese Verwirrung schadet auch uns."

Und dann ist da ja auch noch der große Konkurrent Uber, der in aller Ruhe zuschauen kann, wie ein Taxiuntern­ehmen nach dem anderen von Markt verschwind­et. "Die haben natürlich das Kapital, das wir nicht haben und werden etwas leichter durch die Krise kommen", so Oppermann.

Der Bundesgesc­häftsführe­r des Taxiverban­ds stellt sich selbst die Frage, die viele der noch 250.000 Fahrer von Taxi und Mietwagen umtreibt: "Werden die Menschen in Zukunft weniger Konferenze­n besuchen und weniger reisen? Wie sieht die Mobilität der Zukunft nach der Krise aus?" Eines steht fest: Es wird auch nach der Corona-Krise nicht leicht für die Taxibranch­e.

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Taxifahrer Martin Gauchel vor seinem Wagen in Bonn
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Direkt nach Ausbruch der Pandemie installier­t - die Plexiglass­cheibe im Taxi von Martin Gauchel

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