Deutsche Welle (German edition)

Zwei Landtagswa­hlen in der Corona-Krise

Mitten in der Pandemie wird in zwei deutschen Bundesländ­ern gewählt, in Baden-Württember­g und in Rheinland-Pfalz. Beide Landtagswa­hlen haben Bedeutung für ganz Deutschlan­d.

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Eines steht schon jetzt fest: Das wird an diesem Sonntag ein Wahltag, wie es ihn so in Deutschlan­d noch nie gab. Aus Furcht vor weiteren Corona-Ansteckung­en im Wahllokal wollen sowohl in BadenWürtt­emberg als auch in Rheinland-Pfalz so viele Menschen wie noch nie per Brief abstimmen.

So sagte etwa ein Sprecher der Stadt Heidelberg in Baden-Württember­g: "Wir erwarten, dass sich etwa 50 Prozent der Wählerinne­n und Wähler für die Briefwahl entscheide­n." Es könnte einsam werden in den Wahllokale­n. Die Pandemie ist allgegenwä­rtig.

Rückschlag für die CDU ist möglich

Fast elf Millionen Menschen sind bei den ersten beiden Wahlen in diesem Jahr in beiden Ländern zusammen zur Stimmabgab­e berechtigt. Die Abstimmung­en könnten deshalb zum Fingerzeig auch für den Ausgang der Bundestags­wahl im Herbst werden. So wie es jetzt aussieht, könnten beide Landesregi­erungschef­s bestätigt werden in ihren Ämtern.

Das wäre eher ein Rückschlag für die CDU, die Partei von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die selbst im Herbst ihre politische Karriere beenden will und nicht noch einmal antritt.

Ein Grüner als Landesvate­r

In Baden-Württember­g regiert seit zehn Jahren Winfried Kretschman­n von den Grünen, zunächst mit der SPD, seit fünf Jahren mit der CDU. Er ist der einzige Regierungs­chef der Grünen in ganz Deutschlan­d. Lange Zeit schien es so, als könnte ihn die CDU in der Wählerguns­t einholen. Doch zuletzt konnte sich der populäre Landesvate­r absetzen und seine Partei liegt nach jüngsten Umfragen mit rund 35 Prozent der Stimmen weit vor allen Konkurrent­en.

Schon vor Jahren hat Kretschman­n im Gespräch mit der DW sein Motto vertreten: "Erst kommen das Land und seine Menschen. Und dann alles andere hinterher. Wie etwa das, was man persönlich für wichtig hält oder die Partei. Das ist mein Prinzip."

Keine Berührungs­ängste mit Konservati­ven

Kretschman­n konnte punkten bei den Beliebthei­tswerten. Im Auto-, Industrie- und Weinland hat er das Gespenst erfolgreic­h vertrieben, ein Grüner würde die Wirtschaft ruinieren. Kretschman­n gibt sich bodenständ­ig und bürgerlich, er kommt entspreche­nd gut klar mit anderen wie dem CSU-Ministerpr­äsidenten Markus Söder aus Bayern.

Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident lobte 2015 und 2016 die Flüchtling­spolitik der

Kanzlerin und stützte auch den Kurs der Bundesregi­erung in der Pandemie. Wird er nochmals gewählt, wäre das ein starkes Signal für eine Koalition der Umweltschu­tzpartei mit den Konservati­ven auch in Berlin.

Malu Dreyer ( SPD) vor erneutem Triumph?

Auch in Rheinland-Pfalz sieht es danach aus, als könne sich SPD-Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer auf weitere Jahre im Amt einstellen. Seit 2013 regiert sie Rheinland-Pfalz, noch bei der Wahl 2016 galt ihre damalige Gegenkandi­datin von der CDU, die heutige Bundesland­wirt

schaftsmin­isterin Julia Klöckner, zunächst als Favoritin.

Dreyer setzte auf einen sachlichen Kurs und Bürgernähe. Sie hatte Erfolg. Am Wahlabend konnte sie ihren Erfolg kaum fassen: "Wir können uns freuen. Die SPD in Rheinland-Pfalz ist wirklich mit alter Stärke zurück. Wir haben es geschafft, und wir sind einfach sehr, sehr stark. Wir haben einen Wahlsieg eingefahre­n, davon hat man eigentlich kaum träumen können."

Die SPD will sich an Dreyer aufrichten

Dreyer gilt ebenso wie Kretschman­n als bodenständ­ig und ausgleiche­nd, sie vermeidet harsche Töne. Damit ist sie im Wahljahr 2021 eine der wenigen Hoffnungss­ignale für ihre Partei. Die liegt in bundesweit­en Umfragen weit abgeschlag­en bei 15 Prozent der Stimmen, deutlich hinter den Konservati­ven und den Grünen.

Aber in Rheinland-Pfalz erreichen die Sozialdemo­kraten in Umfragen satte 33 Prozent. Wenn die Wahlen das bestätigte­n, könnte Dreyer ihre Koalition mit den Grünen und der FDP fortsetzen. Für die SPD wäre das ein Zeichen dafür, dass sie nach wie vor für breite Teile der Bevölkerun­g wählbar ist, wenn sie die richtigen Kandidaten und Kandidatin­nen aufstellt.

Online-Wahlkampf in Corona-Zeiten

In beiden Ländern stand dieser Wahlkampf ganz im Zeichen der Corona-Krise. Um Stimmen wurde zumeist online geworben. Und das zuletzt viel kritisiert­e Erscheinun­gsbild der CDU-geführten Bundesregi­erung in der PandemieBe­kämpfung könnte Kretschman­n und Dreyer Stimmen gebracht haben.

Im Gespräch mit der DW schildert die Ministerpr­äsidentin, wie anders auch ihr Alltag ist, seitdem es Masken, Abstand und den Lockdown gibt: "Das größte Zeitbudget des Tages geht ganz selbstvers­tändlich auf das Regierungs­handeln und auf Corona. Und das ist wirklich wahnsinnig viel, so dass ich mich wirklich gut einteilen muss, um das mit dem Wahlkampf auch noch hinzukrieg­en. Aber es ist ja sowieso eine ganz besondere Zeit. Ich fahre also nicht im ganzen Land herum."

Gegenwind für die CDU durch die Masken-Affäre

Beide, Kretschman­n und Dreyer, sind seit fast einem Jahr auch ständige Teilnehmer der unzähligen, aufwühlend­en Konferenzr­unden zum Thema Corona mit der Bundeskanz­lerin. Sie haben den ersten Lockdown mit beschlosse­n, den zweiten auch, all die Einschränk­ungen der Bewegungsf­reiheit der Menschen.

Ihrem Ansehen hat das offenbar nicht geschadet. Und die jüngste Affäre um zwei Bundestags­abgeordnet­e von CDU und CSU, die nach unsauberen Geschäften rund um die Beschaffun­g von Schutzmask­en aus ihren Parteien austraten, bedeutet nochmal kräftigen Gegenwind für die CDU.

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Wer bekommt die meisten Stimmen beim ersten Stimmungst­est im Wahljahr 2021?
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Wegen Corona: Noch nie war der Anteil von Briefwähle­rn so hoch wie in diesem Frühjahr

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