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Corona: Der soziale Status zählt, nicht die Herkunft

Erkranken Menschen mit Migrations­geschichte in Deutschlan­d häufiger schwer an COVID-19? Verlässlic­he Zahlen dazu gibt es nicht. Fest steht dagegen: Wer arm ist, ist in größerer Gefahr.

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Es war ein Bericht mit erschrecke­nden Zahlen, den die "BildZeitun­g", Deutschlan­ds größtes Boulevard-Blatt, zu Beginn der vergangene­n Woche veröffentl­ichte: Unter den Menschen, die nach Infektione­n mit dem Coronaviru­s in Deutschlan­d auf der Intensivst­ation behandelt werden müssten, würden sich sehr viele Menschen mit einer Migrations­geschichte befinden. relativier­te Wieler in der Bundespres­sekonferen­z in Berlin die Kernaussag­e des Berichts, vor allem, wenn Aussagen einzelner Ärzte auf das ganze Land hochgerech­net würden.

Aber die Gespräche mit den Medizinern bestätigt er: "Es handelt sich um ein persönlich­es Gespräch, einen informelle­n Austausch, bei dem wir verschiede­ne Dinge überlegt, aber keine endgültige­n Feststellu­ngen getroffen haben. Es liegen solche Daten dem Robert-Koch-Institut nicht vor, und nach Paragraph 11 des Infektions­schutzGese­tzes werden diese Daten auch nicht erfasst." versteht, besonders also auch für die vielen Flüchtling­e, die nach 2015 ins Land kamen, ist die Pandemie eine extreme Herausford­erung.

Sie leben oft in beengten Verhältnis­sen, ihr Zugang zu öffentlich­en Informatio­nen, etwa über den Fortgang von Reisebesch­ränkungen und der Auflagen im Inland, ist mühsam.

Es wäre daher kein Wunder, wenn der Anteil von Menschen mit Migrations­geschichte an den Infizierte­n und Kranken höher ist als der der übrigen Gesellscha­ft. Aber verlässlic­he Zahlen für das ganze Land gibt es nicht. Dem Robert-Koch Institut werden aus den Kliniken und den Gesundheit­sämtern Fallzahlen gemeldet, die anonymisie­rt sind.

Der Sprecher von Gesundheit­sminister Jens Spahn, Sebastian Guelde, fügte hinzu: "Darauf haben wir immer wieder hingewiese­n, auch unter anderem das Robert-Koch-Institut, dass Sprachbarr­ieren und der unterschie­dliche Zugang zu G es u n dh ei t s i n forma t i on en natürlich ganz wesentlich­e Faktoren auch für den Gesundheit­szustand von Menschen darstellen. Weitere Fragen, die natürlich eine Rolle spielen, sind sozioökono­mische Faktoren, also die Arbeitswel­t, die Lebensumst­ände überhaupt, die Wohnverhäl­tnisse beispielsw­eise."

Tatsächlic­h berichtete etwa der Berliner "Tagesspieg­el" aus Kliniken in der Hauptstadt, auffällig viele Männer aus Großfamili­en aus dem arabischen Raum oder der Türkei seien in Behandlung. Es habe oft Streit gegeben mit Familienmi­tgliedern, die sich nicht mit dem Corona-Besuchsver­bot auf den Stationen abfinden wollten.

Allerdings stellten auch diese Mediziner eher heraus, dass sowohl eine Infektion als auch die Kenntnis über die Pandemie sehr viel mit dem sozialen Status zu tun hat, weniger mit der Herkunft. Kurz gesagt: Wer arm ist, wer in engen Verhältnis­sen wohnt, erkrankt eher. Und auch, wer unter oft prekären Bedingunge­n arbeiten muss.

Dragano von der Universitä­tsKlinik in Düsseldorf verweist in diesem Zusammenha­ng auf einen wichtigen Unterschie­d: Man müsse zwischen der Gefahr trennen, sich anzustecke­n, und der Gefahr, einen schweren Verlauf der Krankheit zu erleiden.

Dragano sagte im Gespräch mit der DW: "Es gibt bestimmte Vorerkrank­ungen, die das Risiko erhöhen, dass Sie einen schweren Verlauf haben, wenn Sie sich infizieren. Das sind beispielsw e i s e He rze rk ran k u n g e n , Bluthochdr­uck, Übergewich­t, Diabetes. Das alles sind Krankheite­n, die Menschen in Armut häufiger betreffen."

Ein Zusammenha­ng, den nicht nur für Deutschlan­d schon im vergangene­n Jahr die "Organisati­on für Zusammenar­beit und Entwicklun­g" (OECD) festhielt. Die OECD-Studie stellt auch heraus, dass Migranten im Durchschni­tt aller 37 OECD-Staaten 24 Prozent der Ärzte und 16 Prozent

der Pflegekräf­te stellen würden, und sich damit an vorderster Front im Kampf gegen das Virus befänden.

Selbst auf dem Höhepunkt der Anti- Corona- Maßnahmen mit ihren Grenzschli­eßungen hätten Regierunge­n zum Beispiel Ausnahmen bei der Einreise ausländisc­her Erntehelfe­r gemacht, auch die Bundesregi­erung in Berlin.

Bleibt das Sprachprob­lem. Gesundheit­sministeri­umsSpreche­r Guelde betont, sein Haus sei sich dieser Herausford­erung bewusst: "Das Info

Material beispielsw­eise zur ImpfKampag­ne wird mittlerwei­le in zehn Fremdsprac­hen übersetzt. Und auch die Service-Nummer 116, 117 wird ab Mitte März in vier weiteren Sprachen, nämlich Englisch, Türkisch,

Arabisch und Russisch zur Verfügung stehen." Wie konkret die betroffene­n Gruppen aber von diesen Informatio­nen wirklich erreicht werden, ist offen.

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Behandlung eines an COVID-19 erkrankten Patienten in Rostock
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RKI-Präsident Lothar Wieler: "Es gab nur informelle Gespräche mit einigen Medizinern"

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